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Vorrang für Lebensqualität

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Wenn es nach den Vorstellungen von Architekt Gustav Peichl und seines Mitarbeiterteams an der Wiener Akademie der bildenden Künste ginge, könnte eines der schönsten historischen Viertel Wiens, das Dreieck zwischen Freyung, Strauchgasse und Herrengasse, bereits im Jahr 1978 als Musterbeispiel moderner Revitalisierung und Stadtsanierung buntes Geschäftsleben, vielfältige künstlerische und wirtschaftliche Aktivitäten, ein elegantes Wohn- areal, modernst eingerichtete Verwaltungs- urai Büroräume beherbergen. Denn den Riesenbaukomplex, bestehend aus Heinrich von Ferstels architektonisch interessantem Österreichisch- Ungarischem Bank- und Börsenpalast, Romano von SehWendenweins Zinspalais der Grafen Hardegg und dem gräflichen Barockpalais Har- rach, durch ein großzügiges Sanierungsprojekt zu retten, lautete die Aufgabe, mit der das Wissenschaftsmihistėfiuhi Peichl betraute.

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Wenn es nach den Vorstellungen von Architekt Gustav Peichl und seines Mitarbeiterteams an der Wiener Akademie der bildenden Künste ginge, könnte eines der schönsten historischen Viertel Wiens, das Dreieck zwischen Freyung, Strauchgasse und Herrengasse, bereits im Jahr 1978 als Musterbeispiel moderner Revitalisierung und Stadtsanierung buntes Geschäftsleben, vielfältige künstlerische und wirtschaftliche Aktivitäten, ein elegantes Wohn- areal, modernst eingerichtete Verwaltungs- urai Büroräume beherbergen. Denn den Riesenbaukomplex, bestehend aus Heinrich von Ferstels architektonisch interessantem Österreichisch- Ungarischem Bank- und Börsenpalast, Romano von SehWendenweins Zinspalais der Grafen Hardegg und dem gräflichen Barockpalais Har- rach, durch ein großzügiges Sanierungsprojekt zu retten, lautete die Aufgabe, mit der das Wissenschaftsmihistėfiuhi Peichl betraute.

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Damit könnte nun endlich, nach jahrelangem Tauziehen um die Zukunft der drei Objekte, mit der längst fälligen Rettungsaktion begannen werden. Das teilten jedenfalls Wissenschaftsminister Dr. Hertha Fimberg, Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, CA-Generaldirektor Dr. Heinrich Treichl (als Eigentumsverwalter) und Architekt Peichl in einer Pressekonferenz mit. Und zum Beweis, wie ernst allen Beteiligten die Verwirklichung des Projekts ist, wurde auch gleich die zur Verwirklichung notwendige Verkehrslösung vorgestellt, ohne die eine erfolgreiche Revitalisierung kaum möglich wäre: Denn diese Verkehrsneugestaltung sieht eine attraktive Fußgeherzone auf der Freyung vor, einen zur Gänze begehbaren Platz mit Blumen- und Obstmarkt und Christkindlmarkt, eine weitere Fußgeherzone in der Strauchgasse und eine völlige Aufschließung des gesamten Baublocks.

„Das ist auch der Unterschied zu früheren Projekten“ bestätigt Architekt Peichl in seinen Erklärungen: „Daß früher, also im Projekt von Lippert und Jaksch, der Bankpalast relativ isoliert behandelt wurde, jetzt aber das Palais Harrach, das von der Gesiba gekauft wird, einbezogen werden kann… Das bedeutet einen größeren, wirtschaftlich rentableren Komplex …!

Natürlich hätte man einfach die drei Bauwerke renovieren können:- „Aber dann hätte man das Problem einer Besiedlung und Vermietung gehabt. Die drei Palais hätten sich als fast nicht vermietbar erwiesen. Und in zwanzig Jahren wären wir mit den gleichen Problemen wieder konfrontiert gewesen; man hätte diese Bauwerke wahrscheinlich auf die Dauer so nicht halten können.“ Denn: „Es kann im Sinne eines aktiven Denkmalschutzes nicht’ genügen, historische Gebäude bloß im Zuge eines administrativen Verfahrens unter Denkmalschutz zu stellen, sie aber im übrigen als .unbelebte Denkmale*, als .architektonische Grabsteine* gleichsam, ohne Zweck und ohne Inhalt, ohne aktives Leben also, dem Verfall preiszugeben. Die Palais auf der Freyung würden, wenn in Zukunft nichts getan werden sollte und sie boß unter Denkmalschutz gestellt blieben, ein derartiges negatives Beispiel darstellen.“

Aber die Zusammenlegung der drei Objekte bringt nicht nur wirtschaftliche Überlebenschancen, sondern ermöglicht sogar eine Rentabilitätsrechnung; sie schafft aber auch die Möglichkeit, eine „grüne Innenzone“ bei gleichzeitiger Erhaltung der äußeren Ensemblewirkung anzulegen: Begrünte Dachland-

schaften, Terrassenanlagen, prächtige Innenhöfe fügen sich in die Umgebung ein, sorgen für Belebung, dieses zur Zeit fast völlig abgestorbenen Teiles der Wiener Innenstadt. „Multifunktionale Nutzung“ ist denn auch das Schlagwort, unter dem Peichl das Riesenprogramm seines Revi’talisierungsprojekts zusammenfaßt: Im Souterrain und im Erdgeschoß sieht er Geschäftslokale vor, funktionelle Einheiten: Trafiken, Milchgeschäft, Modeboutiquen,

attraktive Ladenfronten … Alles was man braucht, soll zu kaufen sein; das historisch berühmte Cafe Central soll an seiner ursprünglichen Stätte wieder erstehen, um Besucherströme anzulocken. Dazu denkt Peichl, in den Kellerräumen auch ein Fitneß-Center, Sauna, Gymnastikräume einzurichten.

Kulturelle, vor allem künstlerische Attraktionen sind natürlich ebenfalls eingeplant: Der Innenhof des Palais Harrach wird unterkellert; er wird die technischen Räume und eine Probebühne des Dramatischen Zentrums aufnehmen. Im inneren Neubauteil des alten Palais Hardegg ist eine Galerie-Dependance des Museums des 20. Jahrhunderts wie des österreichischen Staatsarchivs vorgesehen. Für die zweite bis fünfte Etage sind Büro- raume (unter Wahrung der historischen Räume) eingeplant: Unterrichts- und Wissenschaftministerium wollen hier ihre weitverstreuten Dependancen konzentrieren; Büros sollen vermietet werden, Repräsentationsräume, Konferenzsäle und ähnliche Lokale werden dringend benötigt: der mittlere Vertikalbereich, durchgehend durch alle drei Gebäude, ist dafür reserviert.

Schließlich plant Peichl das sechste und siebente Geschoß, die Dachgeschoße zu Wohnungen auszubauen: eine ganze Dachlandschaft, dicht begrünt, mit Terrassen, Fernblick, mit allem Komfort, soll eine weitere Ebene schaffen …

Für die Verwirklichung entscheidend ist allerdings die Vermietungsfrage. „Wir sind im Verhandlungsstadium“ bestätigt aber Bürgermeister Gratz, „wir wollen jetzt schon so die finanzielle Basis schaffen; genauso wie wir jetzt schon mit der Kalkulation des Projekts und mit der Koordination der nötigen Verkehrsgestaltung beginnen“. Peichl hąt auch, bereits, ..ęjiputigt ‘durch die zügige Mitarbeit:; aller Stellen, seinen Zeitplan ausgearbeitet: „1974 — Vorlage des Studienprojekts; 1975 — Bauplanung und behördliche Verfahren; 1976 — Einrichtung der Baustelle Strauchgasse, Abbruch eines Hintertraktes des Hardėggschen Palais und Neubau des .technischen Zentrums* im Palais Hardegg, Restaurierung und ,Umbauarbeiten im Ferstel-Bankgebäu- de und im Palais Harrach; 1977 — Einrichtung der Fußgängerzone Freyung, 1978 — Vollendung des Gesamtprojekts …“; Kosten: 400 Mio. S.

Mit der Umwandlung der Freyung in eine Fußgeherzone hat aber Peichl auch noch anderes erreicht: so, daß nun die nach dem Muster der heftig umstrittenen Tiefgarage am Stephanplatz geplante Tiefgarage Freyung dem Wiener Stadtbild doch erspart bleibt. „Die Freyung ist ein bedeutendes historisches Ensemble. Sie darf nicht .gestaltet* werden“, lehnt Peichl jede andere Lösung ab: „Einzig und allein bewegliche Marktstände können hier aufgestellt werden …“

Hand in Hand mit der Errichtung dieser Fußgeherzone wird aber überhaupt ein entscheidender Schritt gewagt: die Wiener Innenstadt soll nicht mehr vom Durchzugsverkehr durchflutet werden. „Lediglich der Zielverkehr in die Innenstadt wird durch ein geordnetes Einbahnschleifensystem, das Loop-System, geregelt werden. Im Fall der Freyung werden Zufahrtsmöglichkeiten für Anrainer und Serviceverkehr temporär gestattet sein, Einfahrt für Rettung, Feuerweht und Polizei ist immer garantiert.“

Jedenfalls ist dieses beispielhafte, richtungweisende Projekt eine der entscheidensten Lösungen zur Belebung der Wiener Innenstadt. Seine Verwirklichung wird viele wertvolle Erfahrungen, bringen und vor allem auch zeigen, daß dies die einzige Möglichkeit ist, der Wiener City Überlebenschancen zu geben, sie menschlich zu gestalten, indem man ihren Einwohnern bestmögliche Lebensqualität anbietet. Dies ist wohl auch der einzige Weg, die Innenstadt vor der totalen Entvölkerung zu bewahren.

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