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Der lautlose Skandal

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Ist es Sorglosigkeit? Sträflicher Leichtsinn? Angst vor einer politischen Entscheidung? Einer der wichtigsten Barockbauten im Zentrum Wiens ist seit zehn Jahren dem Verfall preisgegeben. Das Schicksal des Palais Harrach liegt in den Händen der Wiener Stadtverwaltung. Und diese hat offenbar Wichtigeres zu tun, als das leere Palais zu revitalisieren.

Die ersten Planungen zur Rettung des Palais Harrach gehen auf das Jahr 1974 zurück. Damals präsentierte Architekt Gustav Peichl ein Revitalisierungsprojekt für die Freyung. Das Wissenschaftsministerium und die Stadt Wien hatten diese Studie damals in Auftrag gegeben. Der Entwurf bot eine Lösung für den Gebäudekomplex der Palais Ferstl, Har-degg und Harrach. Die Freyung sollte zur Fußgängerzone werden.

Das Projekt wurde nur teilweise verwirklicht. Das Palais Ferstl konnte mit Hilfe einer Tochtergesellschaft der CA, der österreichischen Realitäten AG, beispielhaft restauriert werden. Für das Palais Harrach, das 1974 von der Baugesellschaft GESIBA erworben worden war, suchte Helmut Zilk, damals Kulturstadtrat, eine sinnvolle Verwendung.

Zilk wollte den Sitz des Kulturamtes der Stadt Wien in das Palais Harrach verlegen. Die Räumlichkeiten des Amtes sind tatsächlich beengt, außerdem meinte Zilk, im Palais könnten — in unmittelbarer Verbindung mit dem Kulturamt - Ausstellungen, Konzerte, literarische Lesungen und Veranstaltungen der Festwochen stattfinden. Architekt Wolfgang Windbrechtinger wurde mit der Planung beauftragt.

Windbrechtinger drängte darauf, vor allem das Dach zu reparieren. Diese Reparatur, die sieben Millionen Schilling kostete, war unbedingt notwendig: Regenwasser sickerte von einer Etage zur nächsten, von einer Stuckdecke zur anderen, beschädigte das wertvolle Intarsienparkett und griff die Bausubstanz an.

Seit dieser Dachreparatur ist nichts mehr geschehen.

Wer sich heute in das denkmalgeschützte Barockpalais aus dem 16. Jahrhundert hineinwagt, wird entsetzt sein. Uberall liegen Glasscherben, die Gemäuer sind abgebröckelt, es gibt kein elektrisches Licht. In dem Palais befinden sich eindrucksvolle Repräsentationsräume, eine Galerie, in der früher die Bildersammlung der Harrach untergebracht war, imposante Stiegenaufgänge. Insgesamt besteht das Palais aus achtzig Räumen. Außer der Gräfin Lucie Windischgrätz, ihrer Nachbarin, Frau Cilver, und der Hausmeisterin wohnt niemand im baufälligen Palais.

Um in die zwei Wohnungen zu gelangen, muß man fünf Stockwerke hinaufgehen, die durch Holzbalken gestützt sind.

„Seit drei Jahren ist der Lift außer Betrieb. Ich wünsche mir nur, daß die Hausverwaltung endlich den Lift reparieren läßt”, sagt die 82jährige Lucie Windischgrätz, Witwe des Grafen Harrach.

Die Stadt Wien, zur Zeit Besitzerin des Palais, findet für das Objekt keine Verwendung. Als Franz Mrkvicka Kulturstadtrat wurde, wollte er nicht den gleichen Vorwurf hören, den man Helmut Zilk gemacht hatte. Ihm hatte Landtagspräsident Fritz Hahn (ÖVP) vorgehalten: „Der Zilk baut sich ein Schloß.”

„Es ist klar, daß da meinem Nachfolger die Lust vergangen ist, dort einzuziehen”, sagt Bürgermeister Zilk. „Nun sind alle bemüht, einen Käufer zu finden. So viel ich weiß, sind einige Verhandlungen im Gange.”

Vor ungefähr einem Jahr interessierte sich eine japanische Wirtschaftsgruppe mit Sitz Frankfurt für das Barockgebäude. Sie wollte ein japanisches Kulturzentrum in Wien errichten. Peter Wöss, der von Finanzstadtrat Mayr beauftragt worden war, versuchte den Kontakt mit der japanischen Firma Kyoki herzustellen.

„Es sieht nicht so aus, als würde aus diesem Projekt etwas werden. Ich glaube, den Japanern ist der Preis zu hoch”, meint Architekt Windbrechtinger, der mit dem Projekt immer noch befaßt ist.

Kulturstadtrat Franz Mrkvicka gibt über das Schicksal des Palais bereitwillig Auskunft:

„Wir hoffen noch in diesem Jahr Privatinteressenten zu finden, damit der Steuerzahler nicht so viel zahlen muß. Die Repräsentationsräume treiben die Kosten des Objektes so hoch. Auf jeden Fall ist die Stadt Wien bemüht, das Beste daraus zu machen. Wenn sich kein Käufer finden sollte, wird das Palais Harrach für die Kultur verwendet werden.”

Das heißt: Weiterwurschteln wie bisher. Wie lange noch?

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