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Schul-Architektur in der Diskussion

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Die Zeit strenger Katheder und schwarzer Tafeln ist vorbei, nicht nur Schulformen und Lehrpläne ändern sich, dem entsprechen auch die Bauwerke

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Die Zeit strenger Katheder und schwarzer Tafeln ist vorbei, nicht nur Schulformen und Lehrpläne ändern sich, dem entsprechen auch die Bauwerke

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Betrachtet man neue Schulbauten der letzten Zeit, bemerkt man, daß die Schule auch für Architekten zu einem ernstzunehmenden Thema geworden ist.

Campus-Universitäten in Amerika und England, katholische Privatschulen oder Rudolf Steiners Antro-posophen-Schulen: Jeder Schulform ihr Gebäude. Immer noch bringt die Schule Lehrer, Eltern oder Schüler auf die Barrikaden oder auf die Straße: so geschehen in Wien-Ober St. Veit, wo Elisabeth Prochazkas gekonnter, trotzdem allerdings sehr modern und bestimmt gehaltener Anbau an eine alte Schule wegen seiner modern akzentuierten Straßenfassade sogar Anlaß einer Bürgerinitiative wurde.

Trotzdem zählt dieser Zubau zu den schönsten in letzter Zeit entstandenen Schulbauten. Der Umgang mit alter Bausubstanz stellt immer eine Erschwernis dar, das viel Feingefühl und Rücksicht vom Architekten verlangt und doch oft bei der Bevölkerung auf Widerstand stößt.

Da kann man sich bei neuen Bauten mehr austoben, trotzdem gibt es Architekten, die sich anscheinend selbst einschränken oder auch vor zu vordergründiger Modernität zurückschrecken.

Die neue Schule des Architekten Hermann Czech in der Fuchsröhrenstraße auf der Elferwiese in Wien-Simmering ist das beste Beispiel für so eine eher seltene Haltung, das Gebäude aus Stein ist auf den ersten Blick so unauffällig, daß es beinahe zeitlos wirkt.

Das kann man einem Kollegen, Helmut Bichter, nicht vorwerfen; von einem großen Glasdach überdeckt, mit modernen, sich logisch konstruktiv nach oben hin verjüngenden Stützen, von zwei gläsernen

Fluchtstiegenhäusern flankiert, strahlt seine neue Schule im vierzehnten Bezirk in der Waidhausen-straße/Kinkplatz selbstbewußte Transparenz aus. Der Turnsaal liegt sieben Meter unter dem Erdgeschoßniveau, er ist an der höchsten Stelle 22 Meter hoch, auch die Eingangsund Pausenhalle mit 15 Meter Höne ist imposant.

Flexibel müssen für Helmut Richter Schulen sein, und deswegen gibt es keine einzige tragende Wand, nur Stützen und Leichtwände. Denn wer weiß, wie die Schule in zehn Jahren aussehen wird und was sie dann alles können muß? Bis in die letzten Sekunden hatten Räume noch vertauscht werden können. Die gesamte Konstruktion ist ohne die Errungenschaften der modernen Glasindustrie nicht denkbar. Die Scheiben sind 34 Millimeter stark, außen beschichtet, um die Sonne zu reflektieren und pro Quadratmeter mit 900 Kilogramm belastbar.

Wer den Bau sieht, weiß sofort um die Vorbilder und Lehrmeister Helmut Bichters: Sir Norbert Foster, Bichard Rogers oder Renzo Piano, deren Centre Pompidou sozusagen die Ära des „High tech” in der Architektur eingeleitet haben.

Etwas bescheidener und konventioneller, dafür aber sehr humorvoll, zeigen sich „Nehrer und Medek” mit ihrem Volksschulbau in der Rohrwassergasse im zwölften Bezirk: Lustig und ungleich groß hüpfen die Zahlen eins, zwei, drei, vier, fünf vor dem Eingang des Schulgebäudes umher und nehmen damit Notenge-bung und den Schulbetrieb ein wenig auf die leichte Schulter.Dasselbe Büro hat auch den Wettbewerb zum Neubau der Volksschule in Gänsern-dorf gewonnen. Wie bei Helmut Richter ist auch an diesem Projekt vor allem die Erweiterbarkeit und Flexibilität der Räume wichtig.

Was das Erlebnis Schule ausmacht, zeigt sich auch heute noch bei den Diplomanden von Anton Schweighofer, Professor für Gebäudelehre an der TU Wien, die eine Schule entwerfen wollen: Eine junge Frau, die Schülerin in einem von Hans Hollein entworfenen Bau war, ist heute noch begeistert, während der Absolvent einer katholischen Privatschule sich lieber für die Planung eines Klosters entschieden hat.

Anton Schweighofer selbst hatte in seiner „Stadt des Kindes” in Wien-Penzing versucht, eine eigene Stadt mit Häusern und Straßen, Wegen und Plätzen zu schaffen, um keine Ghettosituation zu bilden. Beim Kindergarten in St. Andrä Wördern spielte er mit kindergrößengerech-ten Maßstäben und Konstruktionen.

Die Kinder, die diese Schulen besuchten, werden die Welt und die Architektur vielleicht einmal anders sehen.

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