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Zu den schönsten der Welt…

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In Strebersdorf, auf dem Grundstück Pragerstraße-Mayer- weckstraße, ließ die Erzdiözese Wien mit einem Kostenaufwand von mehr als hundert Millionen Schilling eine Pädagogische Akademie erbauen. Die ausländische Expertengruppe, die den Bau besichtigte, reihte die Schule an die erste Stelle unter den Schulbauten Österreichs. Selbst wenn man mit der Verwendung des Superlativs sparsam umgehen soll, gebühren der vom Architekten Prof. Wilhelm Hubatsch errichteten Schule Höchstnoten.

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In Strebersdorf, auf dem Grundstück Pragerstraße-Mayer- weckstraße, ließ die Erzdiözese Wien mit einem Kostenaufwand von mehr als hundert Millionen Schilling eine Pädagogische Akademie erbauen. Die ausländische Expertengruppe, die den Bau besichtigte, reihte die Schule an die erste Stelle unter den Schulbauten Österreichs. Selbst wenn man mit der Verwendung des Superlativs sparsam umgehen soll, gebühren der vom Architekten Prof. Wilhelm Hubatsch errichteten Schule Höchstnoten.

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Das beginnt schon mit der gelungenen Einfügung des Gebäudekom-’ plexes in das Landschaftšbild, das von der Silhouette des Bisamberges bestimmt wird. Um dieses ebenso reizvolle wie empfindliche Landschaftsbild nicht zu zerstören, hielt

Hubatsch die Höhenentwicklung der Gebäude bewußt nieder. Die architektonische Dominante, der Seminartrakt, hat drei Stockwerke, die je doch bloß die Wirkung eines langsam ansteigenden Abschlusses des Gesamtbaues erzielen. Kaum ein anderes in unserer Epoche errichtetes Riesengebäude in Österreich ist so landschaftsbezogen.

Der Bau besteht aus 16 Trakten, hat eine Länge von mehr als 140 Metern und umfaßt die Pädagogische Akademie und eine ihr angeschlossene Ubungsschule. Beide bilden funktionell und baulich einen zusammenhängenden Organismus, der den neuesten Erkenntnissen der Pädagogik entspricht. Gewissermaßen das bauliche Gelenk der beiden Teile ist die schlicht eingerichtete Kapelle, deren Wirkung einzig auf dem hereinbrechenden Licht beruht. Beide, Akademie und Übungsschule, haben getrennte Eingänge, Garderoben und Direktionen, sind aber durch einen Gang miteinander verbunden.

Für die Hörer der Pädagogischen Akademie bildet der Seminartrakt den betrieblichen Mittelpunkt. Hier befinden sich der Festsaal sowie Hörsäle für 100, 150 und 200 Hörer mit eingebauter Bühne, Bildwerferraum, Seminarräume, Sprachlabor und die Bibliothek für 60.000 Bücher. Diese Räume bilden die theoretische Raumgruppe. Sie wird ergänzt durch die Raumgruppe für die praktischen Unterrichtsfächer mit zwei Turnsälen, von denen der größere eine Galerie besitzt, Gymnastikraum, Orchesterraum und zwanzig Einzelmusikkojen, Werkstätten für Metall-, Ton- ‘ und Hölzarbeiten sowie eine Ubungsküche. Eine Mensa, “ eine Großküche, ein Büfett und mehrere Klubräume sind im niedrigen Eingangs- und Garderobentrakt untergebracht. Die Gebäude der Pädagogischen Akademie gruppieren sich um einen „Hof der Begegnung“. Ein gedecktes Hallenschwimmbad und eine Sportanlage sind in Planung.

Neben der Ausbildung in den pädagogischen und technisch-musischen Fächern wurde durch den Bau einer Volks- und Hauptschule auch für eine optimale Schulpraxis vorgesorgt. Ein Novum ip Österreich ist es, daß die Schar der Schüler durch eine Einschulungsstufe für vorschulpflichtige Kinder erweitert ist, weil nach den neuesten Forschungen Kinder von fünf Jahren eine außerordentliche Lern- und Aufnahmefähigkeit besitzen. Eine Fernsehklasse, deren Bilder in einen Vortragsraum projiziert werden, ermöglicht es den Hörern der Akademie, den praktischen Unterricht der Kinder mitzuverfolgen, was die Aufnahme der theoretischen Erläuterungen des Vortragenden ungemein erleichtert.

Es gibt 16 Klasseneinheiten. Um eine gleichmäßige Belichtung der Unterrichtsräume zu erreichen, wurden erstmalig in österreichischen Schulbauten die Ecken der Räume abgeschrägt und die Decken in der Tiefe abgesenkt. Eine vollautomatisch arbeitende Sonnenschutzanlage mit Außen jaloųsien, die elektromotorisch betrieben und durch Photozellen gesteuert werden, und eine automatische Windsicherung sorgen gleichfalls dafür, daß von außen keine Störung durch Hitze oder Wind eintreten kann. Die Wände sind mit Deweton-Holz- Akustikplatten verkleidet, die eine besonders hohe Schallschluckfähigkeit und Schalldämmung besitzen. Wie die Räume der Pädagogischen Akademie um den „Hof der Begegnung“ gruppiert sind, so die Räume der Übungsschule um einen großen Schulhof.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Gesamtkonzeption auf ein Lehrerbildungszentrum modernster Prägung ausgerichtet ist. Vielfach wurden völlig neue Verfahren und Techniken angewandt. Anlage und Bauweise sind bis ins Kleinste durchdacht und machen Lehren und Lernen zum Vergnügen. Die Raumorganisation berücksichtigt die aktuellen Forderungen nach einer flexiblen und variablen Unterrichtstätigkeit. Zweckmässigkeit ist die oberste Richtschnur. Die geistige Konzeption, die Hubatsch dem Bau zugrunde legte, huldigt dem offenen System, zu dem hin sich allgemein das Schulwesen entwickelt. Wenn man diese Schule betritt, hat man das Gefühl, daß es künftighin keine Erstarrung im Schulwesen mehr geben kann. Daß der Bau auch noch ein ästhetisches Gefühl vermittelt, zeichnet ihn zusätzlich aus.

Derzeit hat die Pädagogische Akademie in Strebersdorf 290 weibliche und 143 männliche Hörer aus Wien und Niederösterreich. Sie erhalten eine viersemestrige Ausbildung und verlassen nach Ablegung der Lehramtsprüfung als ausgebildete Volksschullehrer die Akademie. Ab Herbst beginnt ein dreijähriger Lehrgang zur Heranbildung von Haupt- und Sonderschullehrern sowie Lehrkräften a’n polytechnischen Lehrgängen. Der Erhalter der Schule ist die Erzdiözese Wien. Das Studium ist unentgeltlich und steht Angehörigen aller Konfessionen offen. Die Lehrkräfte sind Laien. Der Bau eines Internats ist vorgesehen.

Vom Baugeschichtlichen her ist besonders hervorzuheben, daß sich die Wiener Erzdiözese als Bauherr allen Argumenten und Wünschen des Architekten gegenüber aufgeschlossen und großzügig zeigte, so daß die wesentlichen Merkmale jeder guten Architektur, wie Berücksichtigung der Landschaft, modernes Raumgefühl, Sachbezogenheit, Zweckmäßigkeit und Harmonie aufscheinen. Die Schule soll neben zwei anderen österreichischen Schulbauten in das geplante Buch über die schönsten Schulbauten der Welt aufgenommen werden.

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