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Modernes Unterrichtsschaffen in Österreich

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Die zur Zeit im Wiener Messepalast gezeigte Großausstellung „Unsere Schule“ verdient in mehrfacher Hinsicht eine starke Hervorhebung. Sie stellt mit ihrem, das g e- samte Schulwesen umspannenden Umfang eine erstmalig hierzulande, ja sogar in ganz Europa noch niemals zuvor gebotene Schau dieser Art dar. Wenngleich von der lo- kalerj (Wiener) Schulbehörde veranstaltet, veranschaulicht sie auf Grund der für das ganze Land einheitlich gültigen Schulordnung den gegenwärtigen Stand, die allgemeinen und speziellen Bildungswerte und Erziehungsziele der modernen österreichischen Schule schlechthin. Mit dieser Leistungsschau wird sich unser Erziehungswesen anläßlich des am 3. Juni beginnenden Internationalen Pädagogenkongresses einem weltweiten fachlichen Forum präsentieren.

Das Ausstellungswerk „Unsere Schule“ ist eine großangelegte Gemeinschaftsarbeit, an der sämtliche 760 Schulen Wiens tatkräftig mitgewirkt haben. Rund 50 nach Fächern und Sachgebieten gegliederte Arbeitsgemeinschaften haben Anregungen, Entwürfe t id Schülerarbeiten geprüft, gesichtet und an die gestaltenden Künstler weitergegeben. Unter der hingebungsvollen künstlerischen Leitung von Professor Šlama (der sich vielfach auch durch Textierungen als Verständnismittler pädagoischer Ausdruckstendenzen bewährte) entwickelte sich nunmehr in wochenlanger Arbeit das Gesamtkonzept sowie jene zahllosen Einzelkompositionen, wie sie sich jetzt in klarer räumlicher und gehaltlicher Gliederung darstellen; die bildnerischen Elemente setzen sich aus instruktiven Photomontagen und Graphiken zusammen, von denen gar manche Witz und Humor als beredtes Anschauungsmittel verwenden, oder aus bald symbolischen, bald in die Schülerleistungen sich wohlwollend einfühlenden Rahmendekors, Vitrinen und Schaukasten vervollständigen schließlich mit einer Fülle von Kunstgewerblichen und handwerklichen Schülerarbeiten die künstlerische Raumausnützung und Leistungsillustration.

Von einem zentralen Freigelände mit historischen Andeutungen der Entwicklung abendländischen Schulwesens, belebt von kleinen Architekturen und Gartenkulturen, einer Sonnenuhr und einem aus schmalen Eisenbändern geflochtenen Riesenglobus — dies alles Arbeiten von Berufsschülern! — schlängelt sich der klar markierte Vh km lange Ausstellungsweg durch die Schaustellungen der R-Halle, die von den Krippen- und Krabbelstuben für die Kleinsten bis zur künstlerischen Volkshochschule alle Schultypen und Bildungsmöglichkeiten sowie die Sonderabteilung für Körperbehinderte umfaßt.-Hier wird den interessierten Beschauer manche kluge Darstellung über die Bildungsprinzipien und -Vorgänge an den elementaren Bildungsstätten (zum Beispiel in der Volks- und Hauptschule) besonders fesseln, während er die komplexen Unterrichtsfächer an den höheren Schultypen — wenn auch oft in originellster Veranschaulichung — verständlicherweise nur angedeutet finden wird. Ergriffen wird aber jeder vor den Leistungen der Körperbehinderten verweilen, denen die Aussteilungsgestalter eine wahrhaft rührende Sorgfalt gewidmet haben. Hier liest man die bildbeherrschende Aufschrift: „Trotzdem Ja zum Leben!“

In der U - H a 11 e dagegen sind die Berufsschulen: die Lehrlingsschulen der einzelnen Gewerbe, die Fachschulen für gewerbliche und hauswirtschaftliche Frauenberufe, die Wirtschaftsschulen und Handelsakademien sowie die privatwirtschaftlichen (Firma Julius Meinl AG) und genossenschaftlichen („Konsumverband“, Zentralverband der österreichischen Konsumgenossenschaften) Berufsschulen vertreten. Schließlich sei noch die Modeschule der Stadt Wien angeführt, deren liebenswürdige Schöpfungen nebst den Schaustücken in den Vitrinen durch eine phototechnisch glänzende „Bildergalerie“ der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt veranschaulicht werden. Überall hier sind nicht nur die Leistungen der angeführten Fachausbildungsstätten ausgestellt, sondern werden Schüler bei der Arbeit selbst gezeigt und werben so bei den Kindern und Eltern, die diese Sonderschau besuchen, für die Berufe, denen sie sich selbst bereits begeistert verschrieben haben.

Eine sinnvolle Note erhält diese groß- angelegte Leistungsmanifestation dadurch, daß dem visuell Gebotenen lebendiges Agieren der Schülerschaft die Waage hält: in 470 Veranstaltungen treten rund 14.000 Schüler und Schülerinnen als „handelnde Personen“ auf und bieten Unterrichtsvorführungen aus allen Gegenständen jeder Schultype, Theater- und Musikaufführungen, Marionetten- und Handpuppenspiele sowie Sportveranstaltungen den Ausstėllungs- besuchern dar. Die Modeschule der Stadt Wien ist mit 16 Modevorführungen im Veranstaltungsprogramm vertreten, das durch Vorträge, Lichtbilder- und Filmvorführungen vervollständigt wird. Dazu steht ein großer und ein kleinerer Theatersaal, eine Freilichtbühne und ein Kinoraum, der auch die Marionettenbühne beherbergt, zur Verfügung. Die sportlichen Austragungen finden jeden Nachmittag im Mitteltrakt des Messepalastes statt. Ein Studio der „Ravag“ nimmt an Ort und Stelle alle Schulfunksendungen auf; die Aufnahmevorgänge können beobachtet werden.

Fluktuierendes Leben herrscht täglich im Ausstellungsgelände, durch das sich fast ununterbrochen Klassenzüge besichtigend, ihren eigenen Beitrag suchend, hindurchschlängeln. Denn selbstverständlich stellt die Wiener Schülerschaft ein wichtiges Kontingent der Besucherschaft dar, ist es doch „ihre Sache“, die hier zur Schau gestellt wird. Gar manche Klasse fungiert heute als kritisches Publikum bei Aufführungen, in welchen sie morgen als Akteur selbst Bewunderung heischen wird…

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