Favoriten - © Foto: Margit Ehrenhöfer

Wien Favoriten: Bunt, belebt, beengt

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Wem gehört der öffentiche Raum, wenn nicht genug Platz für alle da ist? Lokalaugenschein in Favoriten, Wiens einwohnerreichstem Bezirk.

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Wem gehört der öffentiche Raum, wenn nicht genug Platz für alle da ist? Lokalaugenschein in Favoriten, Wiens einwohnerreichstem Bezirk.

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Favoriten ist jener Teil Wiens, bei dem viele Wohnungssuchende das Häkchen in der Suchmaschine entfernen. Alles nur nicht hier. Arbeiterbezirk. Migrant(inn)en. Kriminalität. Die Liste der Vorurteile über den zehnten Gemeindebezirk der Hauptstadt ist lang. Doch Favoriten lässt sich schwer pauschalisieren. Bewegt man sich durch die verschiedenen Grätzl, kristallisieren sich zwei Seiten des Bezirks heraus: einerseits großflächig, grün und familiär – auf der anderen Seite trist, heruntergekommen, beengt.

Als Herz Favoritens gilt die gleichnamige Straße – die Favoritenstraße. Zu weiten Teilen als Fußgängerzone und Einkaufsstraße geführt, lädt sie zum Flanieren, Einkaufen und Verweilen ein. Hier treffen die Bewohner(innen) des Bezirks zusammen – Familien, Jugendliche, Pensionist(inn)en, Anzugträger mit Smartphones, Shoppingbegeisterte mit Einkaufstaschen, ältere Männer, die mit Bierdosen am Imbissstand stehen, ältere Frauen, die die Auslage des Diskonters studieren.

Über 200.000 Menschen leben im Bezirk, damit ist er der einwohnerreichste Wiens und Heimat für rund 10,8 Prozent der Wiener Gesamtpopulation. In den letzten zehn Jahren ist die Bevölkerung in Favoriten um 18,6 Prozent gewachsen. Im alltäglichen Stimmengewirr ist Deutsch eine von vielen Sprachen, die man hier wahrnimmt. 37,8 Prozent der Bewohner(innen) haben keine österreichische Staatsbürgerschaft (im Vergleich Wien gesamt: 30,8 Prozent). „Bunt gemischt“, nennt Rosa B. (Name geändert) die Menschenmenge. Die 77-Jährige wohnt eigentlich im 23. Bezirk und ist zum Einkaufen auf der Favoritenstraße. „Hier gibt es alles, was man braucht und ich muss keine Angst haben, dass mich ein E-Scooter umfährt“, so die Pensionistin.

Bezirk mit zwei Gesichtern

Die Fußgängerzone findet ihr Ende am Wiener Hauptbahnhof und der Grenze zum vierten Bezirk. Am Vorplatz trifft man vor allem Reisende, die mit Blick auf die Uhr ihre Koffer in Richtung Bahngleis rollen. Angestellte aus den Shops und Gastronomiebetrieben im Gebäude halten ihre Mittags- oder Rauchpause im Freien ab. Ein paar Betonklötze sollen zum Sitzen dienen, Zigarettenstummel pflastern den Boden. Lange bleibt hier niemand. Rund um das Bahnhofsgelände ist in den letzten Jahren ein Wall aus Bürotürmen und Hotels gewachsen. Touristen ziehen von hier aus gen Norden in die Innenstadt.

Hinter dem Hauptbahnhof befindet sich eines der neuen Grätzl Favoritens: das Sonnwendviertel. Der Name ist Programm. Das Viertel ist eine der wenigen Gegenden, in denen auch außerhalb der Parks Sitzbänke verfügbar sind. Wo statt parkender Autos breitflächige Grünstreifen den Gehsteig säumen, die Wohnhäuser großzügig mit Balkonen und Kleingärten ausgestattet sind, ein Angestellter der Straßenreinigung Müll aufsammelt.

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