Ein Baumeister Gottes

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Rudolf Schwarz war einer der prägendsten und berühmtesten Kirchenbauer der Nachkriegszeit.

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Rudolf Schwarz war einer der prägendsten und berühmtesten Kirchenbauer der Nachkriegszeit.

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Bauen für die Kirche" heißt ein kleines, feines Buch aus dem Anton Pustet Verlag. Rudolf Schwarz heißt sein Autor, und der war Architekt. Vor allem aber war Rudolf Schwarz ein ernsthafter Mensch mit einer fast mönchischen Auffassung von dem, was Bauen und Leben ist. Der Weg der Gemeinschaft zu Gott, der Aufbruch, das Versammeltsein um eine leere Mitte, die sich füllen kann. Das sind die Themen, mit denen sich sein Werk auseinandersetzt. Der Ring, der Kreis, der Baum, die Reihe: das sind Symbole, die gefüllt werden können mit Inhalt.

Rudolf Schwarz war einer der berühmtesten und prägendsten Kirchenbauer der Nachkriegszeit. "Rudolf Schwarz - Architekt einer anderen Moderne" nennt sich eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien, die sich nun - passend zur Weihnachtszeit - seiner Person und seinem Werk widmet. Gotische Kathedralen, Studien zu Glasfenstern, Bäumen, Portalen, Licht und immer wieder Bergen finden sich da. Das Wachsen zu Gott, das Gehen zu Gott, das Emporkommen aus der Tiefe. Immer wieder finden sich Auseinandersetzungen zu diesen Themen im zeichnerischen, schriftlichen und auch baulichen Werk des Architekten.

Trotzdem ist er alles andere als ein abgehobener Mystiker. Johann Georg Gsteu, der bei dem großen Kirchenbauer gearbeitet hat, bevor er selbst zum Kirchenbauer wurde, erinnert sich an eine Begebenheit. In den sechziger Jahren plante Schwarz die Kirche St. Theresia in Linz. Auf den Plänen sind noch deutlich zwei Konchen, die sich symmetrisch vom Altarraum weg ausbuchten, erkennbar. Diese halbrunden Apsiden erinnern im Grundriß zusammen mit dem elliptischen Langschiff an ein Kreuz und bilden so eine klassische Kirchenform, die im barocken Österreich durchaus auf Akzeptanz stoßen kann.

"Da ist auf einmal eine Katastrophe passiert," erzählt Gsteu. "Der Pfarrer kommt und sagt, er braucht nur eine Konche." Der junge, ambitionierte Mitarbeiter war nervlich am Ende. Rudolf Schwarz, der Boß, nahm gelassen einen Bleistift und strich die überflüssige Konche mit einem großen Kreuz durch. Statt dessen nahm er sich den gewölbten Baukörper der Kirche her und tüftelte lange an der Lichtführung herum. Das Ergebnis ist "einer der schönsten Räume der österreichischen Architektur im zwanzigsten Jahrhundert," wie Architekt Friedrich Kurrent sagt. Der Bereich hinter dem Altar wird durch die ungleiche Belichtung von einer Seite zu einem Lichtraum, der die wirklich gebaute Assymetrie vollkommen vergessen läßt. Der Gläubige hat nur noch das harmonische Empfinden durchfluteter Helligkeit. "Ohne diesen Pfarrer Zauner wäre das nie so eine großartige Sache geworden," ist Kurrent noch heute ganz begeistert. Gott schreibt auch auf krummen Wegen gerade.

In Wien gibt es von Schwarz eine andere Kirche: St. Florian. Sie ist leider nicht so geworden, wie sie vom Architekten konzipiert war. Vor ihrer Fertigstellung starb Schwarz, und gegen die Gemeinde Wien wollte sich Gott scheinbar nicht wirklich anstrengen. Immer noch ist die Kirche ein eindrucksvoller Raum, die Atmosphäre, die heute dort herrscht, hat allerdings mit der Vorstellung eines Lichtdomes nichts mehr zu tun.

Überhaupt stand aber die Errichtung der Feuerwehrkirche St. Florian unter keinem guten Stern: für eine Unterführung der Straßenbahn mußte ein Barockkirchlein geschliffen werden, alle Prosteste von Architekten wie Anton Schweighofer oder Friedrich Achleitner änderten nichts. So steht heute der hohe Bau St. Florians ohne seinen filigranen barocken Bruder auf der Wiedner Hauptstraße und überblickt gelassen das Verkehrsgetose.

In der Ausstellung im Architekturzentrum ist die alte Situation noch zu sehen. An einem Modell sieht man dort auch, wie St. Florian werden sollte. Rudof Schwarz hat sich für die Feuerwehrkirche eine Konzeption ausgedacht, die so ungewöhnlich ist, daß die Zeit dazu damals nicht reif war und es auch heute nicht ist. Die beiden Seitenschiffe eines rechteckigen Kirchenraumes stellte er sich mit je zwei Höfen durchbrochen vor. Das Bild des Baumes, Jesus als Lebensspender, die Kirche, der Altar als Stamm, durchzieht noch heute die hochaufragenden Wände. Diagonale Betonstreben, immer wieder von vertikalen Stämmen gehalten, laufen auf den Altar zu. Zwischen ihnen gibt es Glas, durch das das Licht des Himmels fällt. Diese durchlöcherten Wände hätten die Innenhöfe umgeben und so einen wahren Lichtdom schaffen sollen. Um diese leeren Mitten hätte der Gläubige wie in einem mittelalterlichen Kreuzgang gehen und zum Himmel blicken können.

Leider war man in den sechziger Jahren für so eine Konzeption nicht offen genug, und so wurde nach Schwarz' Tod die Kirche konventionell dreischiffig gebaut, ein Künstler hat das Glas gestaltet, und heute herrscht in St. Florian die mystisch dunkle Atmosphäre einer hochgebauten Basilika. Trotzdem ist der Raum in seiner Wirkung nicht umzubringen, Gott hat viele Ausdrucksformen.

Bis 2. Februar 1999 Museumsquartier, 1070 Wien

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