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Von Empire und Biedermeier

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Seine erste Schrift, welche er mit 24 Jahren verfaßte, handelt „Uber die ursprüngliche Gestalt der kirchlichen Bauten des Leon Battista Alberti“. Seit dem 25. Lebensjahr arbeitete er als freischaffender Architekt, meist in Zusammenarbeit mit Oskar Wlach und zeitweise mit Oskar Strnad. Schon bei den frühesten Bauten und Einrichtungen sind alle Merkmale vorhanden, welche die Architektur bestimmen und die Anschauungen von Frank dokumentieren: der englische Einfluß, vor allem den Wohnstil betreffend, ein gewisser Klassizismus und der Maßstab des Biedermeier.

Mit dem um sechs Jahre älteren Oskar Strnad bauen Frank und Wlach zwei Wohnhäuser in Grin-zing: Cobenzlgasse 71 und die Villa Wassermann in der Paul-Ehrlich-Gasse. 1913 und 1914 baut Frank in Pötzleinsdorf die Wohnhäuser Wil-brandtgasse 3 und Wilbrandt-gasse 11, welche einerseits in den wenig vorher gebauten Häusern Steiner und Scheu von Adolf Loos Vorläufer haben, anderseits spätere Häuser von Loos, zum Beispiel das Haus Moller, buchstäblich vorwegnehmen.

Für die Industriellenfamilie Bunzl baute Frank um 1914 zwei außerordentliche Wohnhäuser und später ein Kinderheim in Pernitz im Piestingtal. Im Jahre 1916 bekam Frank den ehrenvollen Auftrag zur ; Einrichtung des Museums für ost- *j|L asiatische Kunst in Köln. <';

Nach dem ersten Weltkrieg trat * das soziale Anliegen immer mehr in den Vordergrund und kulminierte ^ im Wohnungsproblem. Für Frank, der von hoher sozialer Verantwort-lichV-pit geleitet war, war dies in erster Linie ein kulturelles Problem. Wohnhäuser und Siedlungsanlagen, Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien waren die ausschließlichen Themen der Planungen. Mit Peter Behrens, Josef Hoffmann, Oskar Strnad und Oskar Wlach baute Frank im Jahre 1924 die vorbildliche städtische Wohnhausanlage „Winarsky-Hof“.

„Zum wesentlichsten, aber zweck-loseeten Bau unserer Zeit wird da;

Wohnhaus des Menschen“, sagt Frank. „Die erste Eigenschaft ist schon vielfach erkannt worden, aber die Klassifikation des Wohnhauses als .Zweckbau' hat die zweite nicht erkennen lassen. Das Wohnhaus ist dasjenige Haus, das nicht dazu da ist, irgend ^twas ihm Fernliegenden

zu dienen, Stätte des Erzeugens oder Geldverdienens zu sein, es ist Selbstzweck und hat durch sein Dasein die Menschen zu beglücken und in jedem seiner Teile zu deren Vergnügen beizutragen. Und da dies Verlangen für ein ganzes Leben, für jede wechselnde Stimmung, für jede Gelegenheit, für die es keine Vorbereitung gibt, Geltung hat, ist es für uns der Inbegriff aller jener lebendigen Bauelemente, die unser tatsächliches Leben und nicht lediglich das von Utopisten konstruierte, bedingt.“

Wie eine Stadt anlegen ...

Von den vielen Wohnhausentwürfen der dreißiger Jahre wurden nur wenige verwirklicht: das Einfamilienhaus Wien XIX, Chimanistraße Nr. 18, und vor allem das Wohnhaus Wenzgasse 12 in Hietzing aus dem Jahre 1930/31, wohl eines der bemerkenswertesten und schönsten Häuser jener Zeit. An diesem Haus konnten Franks Vorstellungen und Gedanken vom Wohnen überzeugend demonstriert werden. Gedanken, wie er sie etwa in seinem Aufsatz „Das Haus als Weg und Platz“ ausspricht: „Ein gut organisiertes Haus ist wie eine Stadt anzulegen mit Straßen und Wegen, die zwangsläufig zu Plätzen führen, welche vom Verkehr ausgeschaltet sind, so daß man auf ihnen ausruhen kann... Ein gut angelegtes Haus gleicht jenen schönen alten Städten, in denen sich selbst der Fremde sofort auskennt und, ohne danach zu fragen, Rathaus und Marktplatz findet.“

Der Werkbund

Der „österreichische Werkbund“ wurde lange Zeit das Betätigungsfeld und Sprachrohr für Josef Frank. Bereits im Jahrbuch 1916 ist der Architekt mit mehreren hervorragenden Beispielen vertreten. Es war jene Zeit, in der sich viele Verbindungen mit dem Ausland ergaben, besonders auch jene mit den Mitgliedern des „Deutschen Werkbundes“. Als einziger Vertreter Österreichs wurde Josef Frank im Jahre 1927 zum Bau eines Hauses innerhalb der berühmt gewordenen „Werkbundsiedlung“ in Stuttgart eingeladen. Fast alle fortschrittlichen Architekten waren dort beteiligt: Mies van der Rohe, Corbu-

sier, Gropius, Oud, Pölzig, Behrens, Taut, Scharoun und viele andere.

1930 war in Wien die große „Werkbundausstellung“ und „Werkbundtagung“; auf dieser Ausstellung hatte Josef Frank einen Teesalon eingerichtet; alle bedeutenden Wiener Architekten waren dort mit Einrichtungen oder Pavillons vertreten. Frank hielt auf der Tagung einen programmatischen Vortrag.

Wie bereits erwähnt, war der Höhepunkt jener Zeit der Bau der „Wiener Werkbundsiedlung“ in Lainz im Jahre 1932. Hier fand die wesentliche Auseinandersetzung mit der internationalen Entwicklung im Wohnhausbau auf breiter Basis ihren Ausdruck; zugleich wurde sie zur letzten Zusammenfassung der wesentlichsten Kräfte der Architektur vor dem Kriege; Josef Frank hat sich mit ihr sein schönstes Denkmal gesetzt.

Das Projekt für die Werkbundsiedlung wurde schon im Jahre 1929 begonnen. An ihr waren 40 Architekten beteiligt, 70 Häuser auf kleinen Grundstücken wurden als Reihenhäuser, Doppelhäuser oder als freistehendes Einzelhaus gebaut. Es ist bedauerlich, daß dieses Vorbild keine direkten Auswirkungen hatte.

„Haus und Garten“

Josef Frank gründete mit Oskar Wlach im Jahre 1925 das Einrichtungsgeschäft „Haus und Garten“. Durch die „Wiener Werkstätte“ von Josef Hoffmann, durch die Wiener Kunstgewerbeschule besonders

durch Strnad und durch Frank und Wlachs „Haus und Garten“ erlangte der Begriff „Wiener Möbel“ Weltgeltung.

Von der Planung des Hauses, über die Einrichtung von Wohnräumen, Adaptierung alter Räume und Wohnungen bis zum Eiuzelge-genstand, zum Möbel, zum Stoffmuster, reichte der Aufgabenbereich. Alle Dinge wurden individuell gestaltet, denn Frank ist gegen jedes Klischee, gegen die sogenannte Garnitur, gegen die Begriffe „Gebrauchswohnung“, „Zweckmöbel“, gegen jeden „systematisierten Geschmack“.

Emigration

Josef Frank datiert den Zeitpunkt seiner Emigration selbst mit 1934; bis 1938 waren es nur noch gelegentliche Aufenthalte in Wien. Sein letzter Bau ist das Wohnhaus Weht je, Falsterbo in Schweden. In einem Brief an die Verfasser schreibt Frank: „Von da an habe ich die Architektur aufgegeben, da mir das Halten eines Büros zu umständlich war, und habe mich von da ausschließlich mit Einrichtungsdingen aller Art befaßt, bis jetzt immer für die Firma Svenskt Tenn in Stockholm. Damit habe ich genügend zu tun gehabt; mit so viel Erfolg, daß ja heute der“,Stil', den ich damals eingeführt habe, heute überall für den skandinavischen Nationalstil gehalten wird.“

Skeptiker der neuen Form

Frank, der sehr bewußt sich der österreichischen Tradition zugehörig fühlte, setzte alles daran, diese fortzusetzen und zu vertiefen. Den besten Aufschluß über seine Einstellung gibt uns sein Buch, eine Sammlung vieler Aufsätze unter dem Titel „Architektur als Symbol“ mit dem Untertitel „Elemente deutschen Bauens“ (Verlag Anton Schroll, 1931). Frank warnte damals vor Funktionalismus, Konstruktivismus, Elementarismus, vor der Religion des Normens, vor der „neuen Gestaltung“, vor dem ^internationalen Stil“ den er oft als nationalen entlarvt. Seine Polemik gilt im Hintergrund den „Konstruktionsmaterialisten“, dem „Bauhaus“, der“,Stijl“-Gruppe und den Konstrukti-visten.

Der dritte Weg

Würde man den Versuch unternehmen, das Wrk und die Bestrebungen von Josef Frank in die österreichische Architekturgeschichte einzuordnen, so könnte man aus heutiger Sicht feststellen, daß Franks Weg eine Synthese herstellt zwischen denen von Adolf Loos und Josef Hoffmann, welche zu ihrer Zeit unvereinbar schienen. Loos bekämpfte jede Formerfln-dung; gerade diese aber war Hoffmanns Stärke. Frank verdanken wir die Fortsetzung der österreichischen Architekturtradition und die Vertiefung der Wiener Wohnkultur. Seine Kriterien, die auch für uns heute noch Geltung haben, waren vor allem Individualität, Transparenz, Leichtigkeit, Beweglichkeit, Absage an alles Monumentale und Schwere.

In einer Analyse der österreichischen Architektur aus dem Jahre 1926 schreibt Josef Frank: „Die Architekten Otto Wagner, Josef Olbrich, Josef Hoffman, Adolf Loos haben schon lange vor dem Kriege auf die Architektur Europas stärksten Einfluß gehabt.“ Heute, zu seinem 80. Geburtstag, können wir mit Genugtuung feststellen, daß sich der Name Josef Frank als weiteres Glied in dieser Kette würdig anreiht. Für uns ist es von gleicher Aktualität, wenn Frank weiter sagt: „Hier wurden Werke geschaffen, die in gerader Linie zur Baukunst der Gegenwart führen. Wien braucht nur diese Tradition fortzusetzen, im Gegensatz zu anderen Ländern, die ihre verlassen müssen. Wir können heute nicht alles das halten, was die Bauten vor 1914 versprochen haben. Der Krieg hat die Entwicklung der Wiener Architektur zerstört. Unsere heutigen Bauten sind nur Kompromisse.

Es fehlen uns die technischen Mittel, deren Zusammenhang mit der Entwicklung der modernen Baukunst immer mehr hervortritt. Aber Materie ist nicht alles; der Geist ist lebendig, und es wird unsere wichtigste Aufgabe sein, ihn in bessere Zeiten hinüberzulenken.“

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