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„Los von Loos ?“

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Am 10. Dezember 1970 würde Adolf Loos 100 Jahre alt werden. Adolf Loos ist einer der großen Erneuerer des modernen Bauens, ein Architekt, dessen Werk vom Cafe Museum (1899) und der Kärntner-Bar (1907) über das Haus am Michaelerplatz (1910) in Wien und das Haus Tristan Tzara in Paris (1926) bis zum Haus Dr. Müller in Prag (1930) reicht. Daneben ist Adolf Loos auch ein großer Schriftsteller und Erzieher gewesen. Von ihm wird in der ganzen Welt gesprochen und sein Name steht auf einem Ruhmesblatt der modernen österreichischen Kunst.

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Am 10. Dezember 1970 würde Adolf Loos 100 Jahre alt werden. Adolf Loos ist einer der großen Erneuerer des modernen Bauens, ein Architekt, dessen Werk vom Cafe Museum (1899) und der Kärntner-Bar (1907) über das Haus am Michaelerplatz (1910) in Wien und das Haus Tristan Tzara in Paris (1926) bis zum Haus Dr. Müller in Prag (1930) reicht. Daneben ist Adolf Loos auch ein großer Schriftsteller und Erzieher gewesen. Von ihm wird in der ganzen Welt gesprochen und sein Name steht auf einem Ruhmesblatt der modernen österreichischen Kunst.

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Der Verlag Herold gab vor sieben Jahren den ersten Band seiner Gesammelten Schriften heraus. Durch viele Krankheiten war der Herausgeber, Dr. Franz Glück, bis heute verhindert, auch den zweiten Band, der die bisher unveröffentlichten Schriften von Adolf Loos enthalten soll, herauszugeben. Aber wir, vom Verlag Herold, hoffen noch immer, daß dieser Band erscheinen wird. 1967 brachten wir die Erinnerungen von Frau Elsie Altmann-Loos, Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann, heraus. So hat der Herold-Verlag eine besondere Beziehung zu diesem großen österreichischen Architekten und aus diesem Grunde fühlte ich mich verpflichtet, alle möglichen öffentlichen und privaten Stellen Österreichs auf den kommenden 100. Geburtstag Adolf Loos' aufmerksam zu machen, damit Österreich in entsprechend würdiger Weise seines großen Sohnes gedenken möge. Was ich bei diesen Bemühungen erlebte, ist ein wahres Nestroy-Stück. Hier die einzelnen Szenen:

In ganz Wien gibt es keine Straße und keinen Platz, der nach Adolf Loos benannt ist. Ich regte deshalb beim Magistrat der Stadt Wien an, daß aus Anlaß des 100. Geburtstages des Architekten eine Straße nach ihm benannt werden möge. Der Magistrat antwortete, daß dieser Anregung nicht Folge geleistet werden könne. Denn es gibt bereits in Wien eine Loos-Straße, und zwar in Wien-Atzgersdorf. Diese sei zwar nicht nach Adolf Loos benannt, sondern nach dem Gemeinderat und späteren Bezirksrat von Atzgersdorf Albrecht Loos. Eine weitere Straße könne deshalb nicht mehr den Namen Loos-Straße tragen. (Diese Auskunft dürfte auf der Tatsache beruhen, daß Polizei, Feuerwehr und Rettungsgesellschaft leicht einem Irrtum unterlaufen könnten, wenn zwei Straßen einen ähnlichen Namen trügen.) Dagegen, so schrieb der Magistrat weiter, werde man sich bemühen, eine Parkanlage, die in Zukunft errichtet werde, nach Adolf Loos zu benennen. Ich sah den Beserlpark vor mir, der künftig das einzige Gedenken an Adolf Loos in Wien sein soll, wurde wütend und schrieb einen frechen Antwortbrief. Roda-Roda hat einmal gesagt, es genüge nicht, frech zu sein, man müsse im Leben, um etwas zu erreichen, noch frecher sein. Und er hatte recht, denn mein Brief hatte unglaublicherweise die Wirkung, daß die ganze Sache beim Magistrat noch einmal besprochen werden soll und daß vielleicht irgendeine Zeile in einer neuen Siedlung nach Adolf Loos benannt werden wird. Das ist sehr schön, aber die Frage sei erlaubt, warum denn kein noch so kleiner Platz innerhalb des 1. Bezirkes auf „Adolf-Loos-Platz“ umbenannt werden kann. Denn ein Adolf-Loos-Platz hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer Loos-Straße in Atzgersdorf und würde weder Polizei, noch Feuerwehr, noch Rettung irritieren.

*

Johann Pollet war der Name des Oberfeuerwerkers (so hießen die Feldwebel der Artillerie in der kaiserlichen Armee), der am 13. März 1848 „unter Einsatz seines Lebens“ sich weigerte, Kanonen auf die revoltierende Menge abzuschießen. So zumindest kündet es eine Tafel am Haus Michaelerplatz 3. Was an

diesem Tag der Oberfeuerwerker Pollet wirklich tat, ist bis heute nicht genau bekannt. Bekannt ist nur, daß der Oberfeuerwerker Pollet in der auf 1848 folgenden absolutistischen Ära zum kaiserlichen Offizier avancierte. Eine Insubordination kann er somit am 13. März nicht begangen haben. Allerdings, in der alten österreichischen Armee gab es, zum Unterschied von der preußischen oder russischen, keinen blinden Gehorsam. Befehle, die gegen ein Gesetz verstießen, durften nicht ausgeführt werden. Befehle, die widersinnig waren, sollten nicht ausgeführt werden. Ein Offizier, der letzterem Grundsatz gemäß handelte, konnte dann entweder vors Kriegsgericht kommen oder sich den Maria-Theresien-Orden verdienen. Für Unteroffiziere gab es solche Regelungen nicht, sie konnten dafür außertourlich befördert werden, sogar zum Offizier. Vielleicht hat der Oberfeuerwerker Pollet damals, am 13. März, tatsächlich den Befehl erhalten, auf die Menge zu schießen, aber eingesehen, daß dieser Befehl sinnlos war und nur ein unsinniges Blutbad verursachen würde. Die vorgesetzte Behörde muß sich dieser Argumentation angeschlossen

haben, denn sonst wäre Pollet nicht Offizier geworden. Noch dazu in einer Ära, die mit dem Jahre 1848 nicht mehr viel zu tun haben wollte. Das alles hat natürlich keinen Bezug auf Adolf Loos. Aber diese Tafel für den Oberfeuerwerker Johann Pollet ist die einzige Tafel, die sich auf

dem erwähnten Haus befindet. Dieses Haus wurde 1910 von Adolf Loos erbaut und verursachte in der damaligen Welt teils einen Sturm der Entrüstung, teils einen Sturm der Begeisterung. Heute gilt dieses Haus allgemein als ein klassisches Beispiel moderner Baukunst und als ein Ruhmesblatt der modernen österreichischen Architektur. Während aber auf unzähligen Gebäuden Wiens kleine Blechtafeln prangen, die unter dem Motto „Wien — Eine Stadt stellt sich vor“ jedem Beschauer erklären, welche Bewandtnis es mit dem Gebäude habe, befindet sich keinerlei solche Tafel an dem weltberühmten Haus am Mi-chaeierplatz. Ich schrieb deshalb an den österreichischen Ingenieur- und Architektenverein und bat ihn, er möge doch diesen Fehler beheben und eine Tafel am Hause Michaelerplatz 3 anbringen, die aller Welt kündet, daß Adolf Loos der Erbauer war. Fazit: Keine Antwort. Adolf Loos wohnte in Wien durch Jahrzehnte in der Bösendorferstraße 3. Aber auch an diesem Haus gibt es keinerlei Tafel, die darauf hinweist, welchen berühmten Architekten viele Jahre lang dieses Haus beherbergte. Ich bat deshalb Frau Vizebürgermeister Gertrude Sandner, man möge doch eine Tafel, in Hinblick auf den 100. Geburtstag, an diesem Haus anbringen. Frau Vizebürgermeister Sandner antwortete mit einem sehr langen und höflichen Brief, aus dem hervorging, daß der Anbringung einer solchen Tafel unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstünden.

*

Im Historischen Museum der Stadt Wien befindet sich ein komplettes Zimmer aus der Wohnung von Adolf

Loos. Was läge näher, als rund um dieses historische Zimmer eine Ausstellung über Adolf Loos zu veranstalten. In diesem Sinne schrieb ich an die Direktion des Historischen Museums der Stadt Wien. Fazit: Keine Antwort.

Die Galerie Würthle in Wien ist bekannt wegen ihrer Bemühungen für die moderne Kunst. Auch an sie richtete ich die Bitte, etwas für Adolf Loos im Dezember 1970 zu tun. Fazit: Keine Antwort.

*

In der Albertina befindet sich, aus mir nicht bekannten Gründen, ein Adolf-Loos-Archiv. (Nicht bestätigten Gerüchten zufolge, soll es sich wegen des dortigen Personalmangels in nicht sehr geordnetem Zustand befinden). Ich schrieb an die Albertina, sie möge doch, da sie schon das Adolf-Loos-Archiv besitze, aus Anlaß des 100. Geburtstages von Adolf Loos eine Gedenkausstellung veranstalten. Die Albertina schrieb post-

wendend zurück und bedankte sich vor allem diafür, daß ich sie auf das Todesdatum von Loos (!) aufmerksam gemacht hätte. Gleichzeitig aber erwähnte sie, daß die Veranstaltung einer Ausstellung wohl nicht mehr möglich sein werde, da das ganze Jahr 1970 mit Ausstellungen schon „verpflastert“ sei. Aber inzwischen hat sich ein „Verein der Freunde der Albertina“ gegründet und dieser will zunächst einmal das Archiv ordnen und, wenn möglich, auch irgendeine Ausstellung veranstalten. Damit hätte dieser Verein gleich zu Beginn seiner Tätigkeit eine Ruhmestat vollbracht

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Ein großer Verlag brachte vor einiger Zeit ein sehr gutes Werk über Adolf Loos heraus. Da der Herold-Verlag ebenfalls zwei Bücher über Loos verlegt hat, machte ich dem anderen Verlag vor Monaten den Vorschlag, wir sollten im Jahre 1970 gemeinsam einen Prospekt über unsere Loos-Bücher herausgeben und gemeinsam auch eine Werbung durchführen. Fazit: Keine Antwort. Ich schrieb an die Dekane der Architekturfakultäten der Wiener und Grazer Technischen Hochschule und bat sie, in ihren Instituten des 100. Geburtstages von Adolf Loos zu gedenken. Und da geschah etwas Unglaubliches: In beiden Fällen bekam ich nicht nur postwendend eine Antwort, sondern jeweils auch eine positive. Beide Dekane versicherten mir, daß ihre Fakultäten des 100. Geburtstages ihres großen Kollegen in entsprechend würdiger Weise gedenken werden. Die Namen dieser beiden Herren sind: Prof. Diplomingenieur Dr. Hans Koepf von der Wiener TH und Prof. Dipl.-Ing. Doktor Ferdinand Schuster von der Grazer TH. Prof. Schuster hat übrigens vor 12 Jahren in Kapfenberg, Steiermark, eine Reihenhaussiedlung gebaut, die aus dreißig Einheiten besteht und in mancher Hinsicht eine Verwirklichung von Loos'schen Gedanken darstellt. Über seinen Antrag hat der Gemeinderat von Kapfenberg dem Hauptweg dieser Siedlung den Namen Adolf-Loos-Weg gegeben.

Aber die Tat dieser beiden Dekane ist bisher der einzige positive Beitrag Österreichs, um des 100. Geburtstages einer seiner großen Söhne zu gedenken. Ist es nicht traurig, daß das übrige Österreich nicht dem Beispiel dieser beiden Herren folgt? Johann Nestroy muß es wirklich nicht schwer gehabt haben, die Sujets für seine Stücke auf der Straße zu finden. Hier hätte er Gelegenheit gehabt, ein neues Glanzstück seiner Poesie hervorzuzaubern.

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