6768568-1968_44_12.jpg
Digital In Arbeit

Das Wien der belle epoque

19451960198020002020

ADOLF LOOS DER MENSCH. Von Elsie A 11. mann --Loos. Verlag Herold Wien - München. 192 Selten. S 124.—.

19451960198020002020

ADOLF LOOS DER MENSCH. Von Elsie A 11. mann --Loos. Verlag Herold Wien - München. 192 Selten. S 124.—.

Werbung
Werbung
Werbung

Daß das Wien der k. u. k. Walzerseligkeit, in dem Kunst und Kultur nach einer Formulierung von Hermann Baar als Legitimation zu Sekt und Liebe empfunden wurden, zugleich die geistige Heimstätte nicht weniger kultureller Radikalinskis Revolutionäre im besten Sinn war, mag mit einer der Gründe sein, daß das Jahr 1918 kein Bruch, sondern nur eine Unterbrechung wurde, kein Ausklang, sondern Übergang.

Loos ist als Schöpfer einer neuen Architektur heute nahezu ebenso wieder so umstritten wie zu seiner Zeit. Er war ein radikaler Geist, unerbittlich und hart, wenn es um ■seine Schöpfungen ging, doch war in ihm so viel vom Hedonismus und der Lebensfreude der tanzenden Stadt übergegangen, daß er, ein Asket von der Art eines Karl Kraus, dort wo es um seine Arbeit ging, ein Bohemien von der Art eines Peter Altenberg, dort wo es um das Vergnügen ging, schließlich jene Mischung aus Leichtfertigkeit und genialem Starrsinn darstellte, wie sie wohl nur in diesen Breiten zu finden ist.

Die Erinnerungen der Elsie Altmann sind aber nicht nur deshalb von Bedeutung, weil es ihr gelingt, den Menschen Loos in eben geschilderten Eigentümlichkeiten seines Wesens ohne besondere Retouchen und Stilisierungen zu schildern, sondern weil sie in diesen bemerkenswert realistischen und eben deshalb blutvollen Schilderungen das Bild einer Zeit einfängt, deren ganze Rätselhaftigkeit sich nicht nur am Schicksal des Adolf Loos dokumentiert, das ihn zwischen Einbrennsuppe und Tabarin, zwischen Boheme und Wohlhabenheit, zwischen Elsie, Bessie Claire usw… hin- und herriß, sondern letztlich an dem scharfen Wind, der bei allem Hang zur Oberflächlichkeit, den die Kitschmetropole beherrschte, durch Salons und Kaffeehäuser ging, dessen heftigen Stößen Bordüren und Lampe- rien zum Opfer fielen, so daß zum Schluß nichts blieb als das aus früheren Zeiten übernommene Empfinden für Qualität und der Wille zum Experiment.

Elsie Altmann erzählt unbekümmert, was sie an der Seite des Architekten erlebte, wobei sie selbst als Erzählerin zurückzutreten versteht. Neben der wirklich amüsanten inside story ihres kurzen, aber turbulenten Lebensweges mit Loos, vermag sie dabei ein Stück Wien der Jahrhundertwende lebendig werden zu lassen, in dem ganzen Facettenreichtum, der ganzen Vielschichtigkeit, aber auch Hintergründigkeit dieser Zeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung