6696864-1963_10_10.jpg
Digital In Arbeit

Adolf Loos' Vermächtnis

Werbung
Werbung
Werbung

Adolf Loos spricht wiener. Ob weiterhin ins Leere, hängt jetzt nur noch von uns ab. Denn es ist etwas Unglaubliches passiert: Die Bücher, die 'man lange Zeit nur in den Suchlisten der Antiquariate gefunden, die man ausgeborgt und nie mehr zurückbekommen hat, liegen wieder in der Auslage. Ein kleines österreichisches Wunder.

Die beiden Bände „Ins leere gesprochen“ ■nd „Trotzdem“, die zuletzt 1932 im Brenner-Verlag erschienen waren, faßt nun der erste Band der Sämtlichen Schriften zusammen. Damit liegt alles in Buchform Ccdruckte wieder auf.

Es wird kaum ein Buch geben, das so erwartet wurde wie dieses. Man hat damit nicht nur dreißig Jahre nach dem Tode Adolf Loos' eine österreichische Ehrenpflicht erfüllt und ein bedeutendes historisches Dokument wieder zugänglich gemacht, sondern man leistet damit einen Beitrag für die Zukunft. Denn wer kann eher aus dem historizistischen und modernistischen Mischmasch unseres gegenwärtigen Bauens einen Weg zeigen als Loos? Es ist auch gut, daß die Schriften endlich selbst zur Klärung der Mißverständnisse um Loos beitragen können. Glaubt nicht heute jeder Baumeister, wenn er eine Gründerfassade abräumt und glatt verputzt, er täte dies im „Geiste Adolf Loos' “, falls er diesen Namen schon gehört hat?

Man würde sich aber ganz falsche Vorstellungen von den Schriften Loos' machen, wenn man in ihnen nur das schriftliche Vermächtnis eines Architekten erblicken würde, also eines Fachmannes, der sich der Feder bediente, um seine Fragen einer Fachwelt mitzuteilen. Loos übernahm in Wien die schwierige Aufgabe eines Anwaltes europäischer Kultur, und zwar jener des 20. Jahrhunderts. Einige Titel seiner Aufsätze, wie „Die herrenmode“, „Die fußbekleidung“, „Buchdrucker“, „Die potemkinsche Stadt“, „Mein auftreten mit der Melba“, „Keramika“, „Ornament und verbrechen“, „Die kranken obren Beethovens“, „Der Staat und die kunst“ oder „Kurze haare“, können nur einigermaßen ein Bild über den Umfang seiner Auseinandersetzungen geben.

Die Neuauflage seiner Schriften zieht des Jugendstils erleben, noch aktuell und haltbar?

Es genügen ein paar Zitate, um alle diese Bedenken zu zerstreuen. Denn es wird kaum eine Schrift aus den Jahren von 1900 bis 1930 geben, die so wenig mit Modischem, Zeitgebundenem und Vergänglichem behaftet ist, als diese Aufsätze:

„Unter Schönheit verstehen wir die höchste Vollkommenheit. Vollständig ausgeschlossen ist daher, daß etwas unpraktisches schön sein kann. Die grundbedin-gung für einen gegenständ, der auf das prädikat .schön' anspruch erheben will, ist, daß er gegen die, Zweckmäßigkeit nicht verstößt. Der praktische gegenständ allein ist allerdings noch nicht schön. Dazu gehört mehr.“

„Der einzige grund, warum uns die maier noch keine schuhe machen, da sie sich doch schon bald aller Werkstätten bemächtigt haben, ist, daß unsere füße empfindlicher sind als unsere äugen.“

„Nur zu, meine lieben Wiener, ein strohsitz ist ebensowenig ordinär, wie keine diamanten besitzen oder einen einfachen tuchkragen am winterrock. Bloß die imitierten diamanten, pelzkragen und ledersitze, die sind es.“

„Nicht den neuen sessel gilt es unserer zeit zu geben, sondern den besten.“ (Geschrieben von 1897 bis 1900.)

Aus „KERAMIKA“ (1904):

„Dem menschen, der die heutige kultur besitzt, gefallen gebrauchsgegenstände aus glas, porzellan, majolika und Steingut am besten, wenn sie undekoriert sind. Aus dem trinkglas will ich trinken. Ob wasser oder wein, bier oder schnaps, das glas sei so beschaffen, daß mir das getränk am besten schmeckt. Das ist die hauptsache. Und aus diesem gründe opfere ich gerne alle altdeutschen spräche oder secessioni-stischen Ornamente. Wohl gibt es mittel, das glas zu behandeln, daß die färbe des getränkes erhöht, verschönert wird. Dasselbe wasser kann in einem glase schal und matt, in einem anderen frisch wie aus der bergquelle aussehen. Das kann man durch gutes material oder durch den schliff erreichen. Beim gläserkaufen läßt man sich daher die vorgelegten gläser mit wasser füllen und wählt nun das beste aus. Dann bleiben die gläser, die dekoriert sintj, als

Achte auf die formen, in denen der bauer baut. Denn sie sind der urväterweis-heit geronnene Substanz. Aber suche den grund der form auf. Haben die fortschritte der technik es möglich gemacht, die form zu verbessern, so ist immer die Verbesserung zu verwenden. Der dreschflegel wird von der dreschmaschine abgelöst.

Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von jahren alt, hat mit uns mehr inneren Zusammenhang als die lüge, die neben uns schreitet.“

Man könnte alle Aufsätze zitieren. Auch wenn sie direkt auf Zeitereignisse, wie Ausstellungen, Moden und so weiter, eingehen, sind sie heute noch mit Vergnügen zu lesen, sind aktuell, denn sie führen die Auseinandersetzung mit einer Logik und Schärfe, die in größeren Zeiträumen gilt. Die Schriften von Adolf Loos gehören nicht nur in die Hochschulen und Mittelschulen, sie gehören in alle Bibliotheken, in die öffentlichen und privaten, sie gehören zur Lektüre eines jeden, dem die Kultur unseres Landes, auch die der Gegenwart und der Zukunft, etwas bedeutet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung