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Design und Ornament

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Denken Sie an Meßgeräte; denken Sie an Werkzeugmaschinen oder überhaupt an Werkzeuge; denken Sie an Baumaschinen, an Bulldozer, an Bagger. Lassen Sie die Landmaschinen geistig an Ihren Augen vorüberziehen. Wer sind die Designer dieser Produkte?

Stellen Sie sich die elektrische Birne vor. Wer war der Designer der elektrischen Birne? Wer hat ihr „Form gegeben“?

Es gibt Bereiche, die dem „Design“ entgangen sind, oder noch entgangen sind. Denn der Designer schickt sich gerade an, sich der Architektur zu bemächtigen.

Ich höre den Einwand, daß die genannten Beispiele durchweg solche sind, bei denen der Anspruch an die Zweckerfüllung dominiert, wie bei Schiffsbauten, Festungswerken, Brücken usw., und daß es auch noch andere Ansprüche gebe: Ausdruck, Aussehen, Form.

Kürzlich hörten wir von Theodor Adorno, daß die Zweekformen Ausdruck ihres Zweckes werden, jedoch selbst die reinsten Zweckformen von anderen Formen zehren und keine Form gänzlich von ihrem Zweck geformt sei. Mag es so sein oder auch nicht. Warum teilen wir überhaupt in solche und in solche Formen? Der erlösende Ausspruch kommt von Hugo Häring:

„In der natur gibt es kein selbständiges problem des aussehens, also auch nichts, was den formen der leistungserfüllung entgegengesetzt gerichtet wäre.“

„Wir wollen die dinge aufsuchen und sie ihre eigene gestalt entfalten lassen. Es widerspricht uns, ihnen eine form zu geben, sie von außen her zu bestimmen, irgendwelche abgeleiteten gesetzhaftig- keiten auf sie zu übertragen, ihnen gewalt anzutun.“

„Ihr ausdruck sei identisch mit ihnen selbst."

Und Häring resümiert: „Das bauen geht nicht von formen aus, sondern endet in einer form.“

Ich sagte, daß ich auf das Ornament zurückkommen werde. Am Ende des vorigen Jahrhunderts fragt Louis Sullivan, der den Satz „Die Form folgt der Funktion“ geprägt hat: „Warum verwenden wir das Ornament?"

Und er antwortet:

„Wenn ich diese Frage in aller Aufrichtigkeit beantworten soll, dann möchte ich sagen, daß es vom ästhetischen Standpunkt aus nur zum Besten gereichen könnte, wenn wir für eine Zeitlang das Ornament beiseite ließen und uns ganz und gar auf die Errichtung von in ihrer Nüchternheit schön geformten und anmutigen Bauwerken konzentrierten. Nachdem wir diese Stufe erreicht hätten, könnten wir ohne Gefahr darangehen, zu überlegen, bis zu welchem Grade die Anbringung von Ornamenten die Schönheit unserer Bauten zu erhöhen, welch neuen Reiz sie ihnen zu verleihen imstande wäre.“

„Es war bisher üblich, vom Ornament als von etwas zu sprechen, was man nach Belieben anbringen oder weglassen könne. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, daß — wo es sich um eine ernsthafte Arbeit handelt — schon Zu Beginn des Entwurfes darüber entschieden sein muß, ob mit oder ohne Ornament gebaut wird.

Es muß sehr deutlich erkannt werden, daß ein Ornament schöner ist, wenn es wie ein Teil der aufnehmenden Fläche oder Masse wirkt, als wenn es sozusagen nur daraufgeklebt aussieht. Mit einiger Aufmerksamkeit wird man im ersten Falle eine ganz besondere

Sympathie zwischen Ornament und Konstruktion feststellen, die im anderen Falle fehlt. Konstruktion und Verzierung gewinnen beide ganz offensichtlich durch diese Sympathie; die eine erhöht den Wert der anderen. Und dies ist — davon bin ich überzeugt — die vorbereitende Basis für etwas, was man das organische System der Ornamentierung nennen könnte.“

Hoffmann: nur ein „Kunstgewerbler“

Von dieser Seite könnten wir uns dem Werk von Josef Hoffmann nähern, dessen Arbeiten einem dekorativen System unterworfen waren, oder ein solches mit einbezogen.

Ich selbst kann mich noch er-

innern, wie Hoffmann — allerdings noch zu seinen Lebzeiten — als „Kunstgewerbler“ abgetan wurde.

Verzichten wir heute in der Architektur zwar auf jedes Ornament, so ist dadurch doch noch keine Schlacht gewonnen.

So wie uns auch das Gegenteil nicht wedterbringen würde. Erinnern wir uns der Polemik von Adolf Loos (der, so liest man im Begleittext zur Ausstellung, „den wildwuchernden Ornamentendschungel der Makart- Zeit zu roden versuchte“), so müssen wir in der Tat feststellen, daß das Wort „Ornament“ das Zentrum seines Angriffs war. Er meinte damit alle entleerten und unerfüllten Formen. Wir sollten aber sehr vorsichtig dabei Vorgehen, denn von Loos stammt auch der Ausspruch:

„Wenn ein gebrauchsgegenstand in erster linie nach ästhetischen ge- sichtspunkten geschaffen wird, ist er ein ornament, mag er auch noch so glatt sein.“

Es gilt heute, Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen.

Wir bejahen heute beide: Loos und Hoffmann, Hoffmann und Loos. Vielleicht ist es der zeitliche Abstand, vielleicht das Eigenartige an dieser Stadt, das immer auf Ausgleich der Gegensätze drängt. Doch täuschen wir uns nicht darüber hinweg, daß es Gegensätze sind. Versuchen wir nicht, alles zu verwischen.

Lassen wir — für heute — Louis Sullivan den Schiedsspruch fällen:

„Ich glaube, daß man ein aus-

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