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Das Adolf-Loos-Buch
DER ARCHITEKT ADOLF LOOS. Darstellnnr stlnet Schaffens nach Werkgruppen. Mit
einem chronologischen Werkverxelchnls. Von Ludwlr M ü n s und Gustav Künstler. Neue Sammlunr Schroll, Wlen-Munchcn, 1964. MO gelten, 27t Abbildungen. Preis 192 8.
Das Werk von Adolf Loos Ist wieder unveröffentlicht worden.
Wenn irgendein amerikanischer Verlag das 101. Buch über, sagen wir, Frank Lloyd Wright herausgibt, wird man ihm nicht vorhalten, was fehlt, sondern sich darüber freuen, was da ist. Uber Adolf Loos gibt es keine zureichende Literatur. Wenn nun der Verlag der die entscheidenden Rechte besitzt, einen Band herausgibt, wenn dazu jahrelange Vorarbeiten eines Vertrauten des Künstlers vorhegen, wenn der Leiter des Verlages mit dem Autor identisch ist und ihm durch persönliche Beziehung das ohnehin schwer zugängliche „Loos-Archiv“ offensteht — wenn dann ein beiläufiges „Sachbuch“ herauskommt und dadurch die längst fällige Gesamtausgabe wieder auf Jahre und Jahrzehnte verzögert wird, dann muß man die Sache wohl anders beurteilen. Da Oskar Kokoschka für diesen Zweck seinen Erasmus-Preis zur Verfügung gestellt und außerdem das Unterrichtsministerium subventioniert hat, können verlegerische Argumente nicht überzeugen.
Das Buch hat 272 Abbildungen, das klassische, auch im Antiquariat kaum mehr erhältliche Loos-Buch von Heinrich Kulka (im gleichen Verlag 1931 erschienen) hatte 270; von diesen Bildern sind 152 identisch oder nur unwesentlich verschieden. Schon daraus geht hervor, daß das neue Buch kein Ersatz für das alte ist. Es ist aber auch nicht die fehlende Ergänzung.
Das Werk des Architekten ist hier nach Sachgruppen geordnet. Wo soll man etwa das Haus für Josephine Baker suchen: unter „Villen und kleinere Wohnhäuser“ oder unter „Häuser nach einem Raumplan“? (Man findet es unter „Sprechende Architektur“.) Der Versuch, die einzelnen Arbeiten an Hand einzelner Gedanken zu verfolgen, stiftet aber nicht nur Verwirrung: er ist auch sachlich verfehlt. Entwürfe und Gedanken lassen sich nicht einander zuordnen; jedes Werk enthält alle Gedanken, für jeden Gedanken sind alle Werke Beispiel. Überhaupt ist die essayistische Behandlung wohl nur berechtigt, wo an einem bereits vorliegenden Werk spezielle Gedanken demonstriert werden sollen. Erst muß das Werk bekannt sein, dann kann die Interpretation folgen.
Um so mehr muß man dem Autor Gustav Künstler (der nur zitatweise Schriften des 1957 verstorbenen
Ludwig Münz einbaut) diesen Mangel vorwerfen, als sein Text durchaus Jenes gedankliche Format offenbart, das auch ein großes Buch über Adolf Loos bewältigt hätte. Zwar stößt er nicht endgültig dazu vor, Loos von jener Position eines Vorläufers der „Neuen Sachlichkeit“ zu distanzieren, in die ihn die Breitenwirkung seines Kampfes gegen das Ornament gebracht hat. Aber Künstler bringt die wichtigsten Ansätze in dieser Richtung: die räumliche Spannweite von Loos' Denken (hier steht das Theaterprojekt für 4000 gut am Anfang); neben den bereits klassischen Formulierungen Ludwig Münz' über den „Raumplan“ (Loos* dreidimensionale Raumausnützung an Stelle des Entwerfens in Stockwerken) die Wurzel dieses Konzeptes: die Vorstellung von großem Wohnraum und kleiner Sitznische in Kombination mit Kamin und Treppe; ferner den Gedanken des „Großstadthauses für mehrere Zwecke“ (im Gegensatz zur Vorstellung „funktioneller“ Bauwerke); das stadträumliche Denken von Loos; und schließlich: „Sprechende Architektur“.
Künstler gehört sozusagen zu Loos' eigener Generation; er berichtet an eine Nachwelt. Manchmal verfällt er freilich auch jenem Standpunkt: Loos hätte dies und jenes schon damals gemacht, was heute gang und gäbe sei. Es ist aber nicht nur irrelevant, ob etwa die Halle des Michaeierhauses als Schaufensterpassage im heutigen Sinn anzusehen ist, derartige Prioritäten sind auch anfechtbar; wer will, findet immer ein früheres Beispiel.
Das Werkverzeichnis, die eigentliche wissenschaftliche Leistung des Buches, das auch viele dankenswerte Material- und Farbangaben bringt, erlaubt, die Mängel vorzurechnen, weil es erstmals die Bestände des „Loos-Archivs“ katalogisiert. Es umfaßt 113 Nummern; neun Werke sind hier erstmals veröffentlicht, wenn auch nicht immer ausreichend. Nur in 27 Fällen kann man zufrieden sein, in allen anderen fehlt entscheidendes vorhandenes Material. Sieben Projekte, die man als „Großstadthäuser“ bezeichnen kann, tind nicht oder nur ganz unvollständig gebracht, acht Villen fehlen ebenfalls ganz.
Insgesamt sind achtundzwanzig Werke von Adolf Loos, deren Material griffbereit liegt, vollständig unbekannt.
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