6613861-1955_18_09.jpg
Digital In Arbeit

Architekturausstellungen nicht nur für Architekten

Werbung
Werbung
Werbung

in den Ausstellungsräumen und in der Aula der Akademie der bildenden Künste, Wien

1, Schillerplatz, wurde in diesen Tagen eine interessante Ueberschau über die Leistungen der Meisterklasse für Architektur, die unter der Leitung von Architekt Prof. Lois Welzenbacher steht, gezeigt; zugleich war sie eine wichtige und sehr nötige Ergänzung der Ausstellung „Rückblick und Ausblick“, die wir zu Jahreswechsel in der Akademie der bildenden Künste sahen, und die nur ein sehr unvollkommenes Bild der in den einzelnen Meisterklassen geleisteten Erziehungsarbeit geben konnte.' Jetzt sahen wir mehr und klarer. Da waren Reiseskizzen von einer gemeinsamen Studienfahrt der Meisterschule Welzenbacher nach Italien, die bedeutsame Bauwerke festhielten; da waren Pläne für eine Ferienkolonie auf der Insel SV Stephan, Jugoslawien, für ein Motel, ein Hotel für Autos (ein flachgestreckter langer Bau), und für eine Fachschule für Eisen- und Stahlgewerbe mit beigeordnetem Wohnbau (ein Entwurf, der mit dem Staatspreis ausgezeichnet wurde); immer wieder haben die Schüler, auch schon- in den unteren Klassen, glückliche Lösungen gefunden, wenn auch der eine oder andere Entwurf — wie das „Haus eines Malers“ — in der Skizze noch etwas verstiegen anmuten. Da waren Photos von Schaubildern einer Hafenverbauimg und . einer Golfschule, Pläne für ein Zementwerk, ein Kalkwerk in Tirol; eine Spinnerei und Weberei. Ueberhaupt schienen die Lösungen, die für Bauten der Industrie gefunden wurden, am glücklichsten und freundlichsten; inwiefern sie den Erfordernissen der Praxis im einzelnen entsprechen mögen, kann hier nicht beurteilt werden. Besonders interessant erschien die Planung eines Civic-Centers für den

2. Bezirk in Wien. Hier ordnete sich das ganze Leben eines Bezirkes organisch um seinen geistigen Mittelpunkt und die ihm gewidmeten Baulichkeiten; Wunschträume, wo es doch mit der Stadtplanung in Wien so sehr hapert. — Alles in allem: ein solides Arbeitsergebnis.

Solche Ausstellungen zum größten Teil noch nicht verwirklichter Architektur gewähren in manchem erfreuliche Einblicke und sind nur zu begrüßen; freilich könnten wir uns ihre Gestaltung ein wenig lebendiger vorstellen. So wäre es gewiß günstig, die Zahl der gezeigten Arbeiten zu beschränken und dafür von jedem Projekt mehrere Grund- und Aufrisse oder Planskizzen, und zu den Plänen Modellzeichnungen, die das spätere Aussehen der Gebäude in ihrer Umgebung verdeutlichen, zu zeigen. Und die einzelnen Pläne könnten ruhig eingehender beschriftet sein, und diese Beschriftung würde auch erläuternde Texte ohneweiters vertragen. Architekturausstellungen sollen sich ja nicht nur an Architekten wenden. Der nicht vorgebildete Besucher aber verlangt nach der Erklärung, die ihm sagt, warum dies so ist und jenes so und nicht anders, und was diese oder jene Figur im einzelnen bedeuten soll. Einzel- und Feinheiten, dem Architekturschüler selbstverständlich, bleiben ihm unverständlich. Auch wäre es zu begrüßen, wenn eine größere Zahl plastischer Schaubilder die geplanten Bauwerke in verkleinertem Maßstabe anschaulich darstellen würde.

An die Ausstellung von Arbeiten der Akademieschüler schloß sich eine des Meisters an. Lois Welzenbacher, 1889 als Sohn eines Bergbauern im Vintschgau, Südtirol, geboren, studierte in München und wirkt seit 1946 als Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er zeigte Skizzen, Entwürfe, Arbeitsstudien und Abbildungen seiner Bauten. Auch für diese Ausstellung gilt zum Teil das oben gesagte. Allein sie war in ihrer Gestaltung und Anordnung wesentlich klarer und übersichtlicher und durchaus nicht bloß dem Architekten verständlich. Das war in ihrem Falle auch bedeutend leichter möglich, denn hier handelte es sich ja beinahe durchweg um bereits verwirklichte Architektur, um ausgeführte Bauten, die sich von allen Seiten photographieren ließen. Hier lag ein Lebenswerk vor: Hochhaus und Terrassencafe in Innsbruck, das Turmhotel in Solbad Hall, ein Haus für einen Botschafter in den bayrischen Alpen (Mein vor dem Hintergrund der Bergwände), ein Kinderheim und ein Terrassenhotel im Bayrischen Allgäu, Wohnhäuser an der Saale, in Südtirol, im Ruhrgebiet, immer dem Charakter der Landschaft angepaßt und sich gut einfügend in ihre Umgebung, sind einige ins Auge stechende Stationen dieses Lebens, die hier durch ausgezeichnete Wiedergaben vorgeführt wurden. Daneben stehen Reiseskizzen aus Oberitalien, aus Verona, Ravenna, Udine, Rom, die den Charakter einzelner Bauwerke und ganzer Stadtteile vortrefflich erfassen und zusammenziehen, und Pläne; so einer für die Stadterweiterung von Antwerpen.

Wenn auch die Stärke Welzenbachers im Einpasr sen des Wohnhauses in die Linien der Landschaft liegen mag, so zeigen etwa der Bau der katholischen Kirche in Oberhausen und der Siebel-Flugzeugwerke in Berlin und Leipzig, daß Welzenbacher auch auf anderen Gebieten erfolgreich hervorgetreten ist. Welzenbacher ist gewiß kein Revolutionär, in seinen Anfängen eher konservativ, zeigt er sich später insbesondere von der modernen südamerikanischen Architektur beeinflußt: das ist keine Schande. Welzenbacher hat, wie die Ausstellung neuerlich beweist, einen wesentlichen Beitrag zur modernen Architektur in Oesterreich geleistet. Einen einheitlichen, ausgeprägten Stil konnte freilich auch er ihr nicht geben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung