Zwei echte Allrounder

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Im Wiener Palais Harrach werden derzeit die Multitalente Antios und Attersee präsentiert.

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Im Wiener Palais Harrach werden derzeit die Multitalente Antios und Attersee präsentiert.

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Allzu gerne werden Menschen oberflächlich beurteilt und sofort mit einem "Etikett" versehen, auf dem eine Eigenschaft oder ihr Beruf steht. Gegen diese voreilige Kategorisierung verwahren sich vor allem Künstler immer wieder, wenn sie "grenzüberschreitend" tätig sind. Dabei wurde in der Renaissance das Ideal des "uomo universale" geboren. Und die kleinere Ausgabe, der "Allroundkünstler" sollte uns demnach nicht fremd sein. Zwei Künstlern, die sich gegen diese Kategorisierung wehr(t)en, widmet derzeit das Wiener Kunsthistorische Museum im Palais Harrach je eine Ausstellung.

Im schlichten zweiten Stock ist es Anton Josef Trcka (1893-1940), besser bekannt unter dem Pseudonym Antios (zusammengesetzt aus den beiden Vornamen), Photograph, Zeichner, Aquarellist, Skulpteur, Literat, Anthroposoph und vieles mehr, und in der noblen ersten Etage "residieren" derzeit repräsentative Werke Attersees von 1964-1999. Ihm müßte ein Etikettenverpasser eine ganze Perlenschnur umhängen mit Aufschriften wie: Segler, Maler, Graphiker, Designer, Bühnenbildner, Dichter, Musiker, Filmemacher, Professor und so weiter. Er sieht sich - zumindest wenn er gerade Journalisten führt - kein bißchen uneitel vor allem als schöner Mensch, als guter Künstler, als Einzelgänger und als einer, der immer alles als erster gemacht hat. Wirklich uneitel aber dann doch der Ausspruch, daß er für jede Deutung seiner Werke dankbar sei.

Die Antios-Retrospektive im oberen Stockwerk stellte Monika Faber eigentlich für das Rupertinum in Salzburg zusammen, sie wurde von Wilfried Seipel nach Wien ins Harrach geholt. Wir kennen das eine oder andere Photo des Wiener Tschechen Trcka, nur wußten wir bis jetzt nicht unbedingt, daß er Schiele, Klimt oder Altenberg abgelichtet hat.

Sein Umgang mit dem Medium Photographie war äußerst künstlerisch und experimentell. Die Posen der Bodenwieser Tänzerinnen mögen ein wenig unmodern wirken, ihre Körper für heutige Begriffe zu rundlich, doch die Kompositionen, der Lichteinfall, die Expressivität der Gesichter und Hände, die er von Schiele übernommen hat, und das Experimentieren mit dem Werkstoff wirken nach wie vor anziehend.

Da sein eigentliches "Hauptwerk" 1944 bei einem Bombenangriff vernichtet wurde, mußte jetzt auf das noch in Privatbesitz vorhandene Material zurückgegriffen werden, um den Versuch zu unternehmen, ein Mosaik der vielfältigen Persönlichkeit Trckas zusammenzufügen. Vier Werke Schieles aus der Sammlung Leopold zeigen dessen Einfluß auf die Photographie Antios. Einige seiner Aquarelle wiederum sind auf den Einfluß der tschechischen Folklore zurückzuführen, die den glühenden Nationalisten zeitlebens faszinierte.

Die Attersee gewidmete Ausstellung wurde "Das gemalte Jahr 1964-1999" genannt und zeigt vor allem "Bilderzyklen und Bildreihen". Sie will vor allem ein repräsentativer Querschnitt der letzten 35 Schaffensjahre in rund 170 Bildern sein. Zeugen seiner Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und alltäglichen Gegenständen, mit deren Verfremdung und Neuerfindung.

Das letzte Jahrzehnt ist mit den Zyklen vertreten, in denen er sich mit praller Sinnlichkeit und den Schuldzuweisungs-Bereichen der christlichen Kirche auseinandersetzt sowie mit dem Thema Frau. Die neuesten Bilder Attersees wirken durch die eigenartig strahlende Beleuchtung und die dunkle Umgebung sowie die grauen Rahmen im ersten Moment wie Diaprojektionen.

Das Kunsthistorische Museum huldigt in den Harrach'schen Räumen zum Millennium einem Meilenstein der österreichischen Kunstszene der zweiten Jahrhunderthälfte, oder - um die Worte des Direktors zu wiederholen - der "Kunstmaschine Attersee". Für Statistiker sei vermerkt, daß sein "Îuvre" derzeit mehr als 6.000 Werke umfaßt.

Anton Josef Trcka. Retrospektive 1912-1939.

Attersee. Das gemalte Jahr 1964-1999.

Beide Ausstellungen bis 30. Jänner 2000. Palais Harrach, Freyung 3, 1010 Wien, Tel. (01) 52524.

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