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Rudolfs Schätze

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Auch wenn die von der Kulturstiftung Ruhr in Essen veranstaltete Großausstellung „Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II.“ im Wiener Kunsthistorischen Museum manche Parallelen zur Manierismus-Ausstellung „Zauber der Medusa“ des Jahres 1987 im Wiener Künstlerhaus aufweist — sehenswert sind die Glanzstücke aus der Kunst- und Wunderkammer dieses Habsburgers allemal. Außerdem sind sie nicht allein dem Manierismus verhaftet, sondern auch dem niederländischen Realismus.

Auch der Umstand, daß es dem am Madrider Hof Philipps II. erzogenen Rudolf (1552 bis 1612) nicht wie seinem Onkel gelungen ist, einen Maler vom Genie eines El Greco an den Prager Hof zu binden, schmälert den Wert der Sammlung des vergleichsweise armen österreichischen Verwandten keineswegs. Sie genoß schon zu Lebzeiten des Kaisers sagenhaften Ruf.

Nichtsdestoweniger wurde sie bald nach seinem Tod in alle Winde zerstreut. Der Löwenanteil der Objekte fand in Wien eine Heimstatt. Einem internationalen Ausschuß von Fachleuten aus Österreich, der CSSR, Ungarn, Schweden und der BRD gelang es nun, für diese Ausstellung die meisten der noch erhaltenen Stücke zum ersten Mal wieder zu vereinen. Nahezu hundert Leihgeber aus Europa und den USA stellten die einst von Rudolf erworbenen Gemälde, Skulpturen, Druckgraphiken und Zeichnungen, die Harnische, Waffen, Werke der Goldschmiede- und Steinschnittkunst, Uhren, Automaten und Musikinstrumente für die Dauer der Ausstellungen in Essen und Wien zur Verfügung.

Aus dem Schatz des Prager Veitsdomes stammen die Funeral-insignien — Krone, Reichsapfel und Zepter — die Rudolf anläßlich des Todes seines Vaters Maximilian II. herstellen ließ und die auch bei seinem eigenen Begräbnis verwendet wurden. Wie jüngste Forschungen beweisen, bildete die feuervergoldete Grabkrone aus Kupfer eine Vorstufe zu der

Privatkrone Rudolfs, der späteren Krone des Kaisertums Österreich. Die Grabkleider aus Brokatsamt und feinster Seide kamen hingegen vor einigen Jahren bei der Öffnung des Zinnsarges Rudolfs in der Gruft des Veitsdomes zutage, wo der Kaiser als letzter Habsburger beigesetzt worden war.

Vorgestellt werden die Objekte in Wien nach einem anderen Konzept als in Essen. Hat man sie dort monographisch angeordnet, zeigt man sie bei uns thematisch gegliedert. Das heißt, man faßt beispielsweise in einem Raum Werke zur Person des Kaisers und seiner Familie zusammen, während ein anderer dem Prager Künstlerkreis gewidmet ist, zu dem der Bildhauer Adriaen de Vries, die Maler Giuseppe Arcimboldo, Hans von Aachen, Bartholomäus Spranger und Joseph Heintz sowie der Goldschmied Jan Ver-meyen zählten.

Sehr eindrucksvoll gelungen ist die Präsentation der Goldschmie- . de- und Steinschnittwerke in Spiegelvitrinen durch die Wiener Architektengruppe „Schönbrun-ner Straße“.Kühl und hart wirken die von den Ausstellungsgestaltern in Weiß gehaltenen Zwischenwände und Nischen zur

Aufnahme einzelner Skulpturen. Alles in allem ist die Schau jedoch eine gelungene Inszenierung der Schätze, mit denen sich der religiös tolerante, kunstliebende Herrscher am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges umgeben hat.

Da im Winter — die Ausstellung bleibt bis 26. Februar geöffnet — weniger Touristen in die Bundeshauptstadt und somit -auch in die Museen kommen, wird ganz im Sinne eines wiederholt geforderten modernen Managements die Werbetrommel gerührt. Der Erste Direktor des Hauses, Hermann Fillitz, wendet sich im Dezember mit einer Einladung per Postwurfsendung an alle Wiener, mit der er auch auf das neue Kaffeehaus in der Kuppelhalle (mit Rauchverbot!) verweist.

Den Besuchern aus den Bundesländern bietet Fillitz gemeinsam mit den österreichischen Bundesbahnen ein Sonderarrangement zum Preis von 1.090 Schilling an. Es enthält die Bahnfahrt nach Wien und retour (bis 350 Kilometer), eine Nächtigung in einem Vierstern-Hotel, den Taxitransfer, den Besuch der Ausstellung und eine Jause im Museumscafe sowie den Eintritt zur Ausstellung „Gold der Skythen“ im Künstlerhaus.

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