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Urbild des Nepomuk

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Noch schwelgt man in der Erinnerung an die glitzernde gleißende Wunderkammer aus dem Besitz Rudolfs IL, die erst vor wenigen Monaten im Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehen war.„’rag um 1600“ war ein Ausstellungsereignis, zu dem Zehntausende pilgerten. In der Schallaburg bei Melk sieht man jetzt (bis 1. November) eine Art Fortsetzung, die allerdings nicht den gleichen Anspruch erhebt: „Prager Barock“ - die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Es ist eine jener kulturhistorischen Ausstellungen, die mit ihrer Mischung von Originalen, Abgüssen, Reproduktionen, Fotos und Dias und einer gewissen Inszenierung zwar bei Fachwelt und Kri-

tik auf geteilte Meinung stoßen, für das Publikum aber von eminent volksbildnerischem Wert sind. Den Veranstaltern (für das Land Niederösterreich Gottfried Stangler, für das Museum der Stadt Prag Zdenek Mika und Jan Davis) ist es jedenfalls gelungen, dem Besucher Einblick in Geschichte und Kunst Prags in der. bewegten Zeit vom Dreißig] ähri-; gen Krieg über Gegenreformation und Rekatholisierung bis zur Krönung Maria Theresias in Prag und dem Zusammenschluß der vier Prager Städte (Alt- und Neustadt, Kleinseite und Hradschin) durch Joseph II. zu geben.

Schon im ersten Raum wird man mit einer Originalstatue von der weltweit bekannten Prager Kunstuhr eingestimmt. Der berühmte „Königsweg“ vom Pulverturm zum Hradschin ist in ku-lissenhafter Verkürzung mit seinen schönsten Barockhäusem dargestellt.

Noch einmal wird auf die Kunst Rudolfs II. zurückgeblendet mit Gegenständen, die in Wien nicht zu sehen waren, etwa einer entzückenden Steinintarsia von Giovanni Castrucci, jenes gleiche Städtchen Krumau darstellend, das genau 300 Jahre später Egon Schiele zu seinen einzigartigen Ansichten inspirierte. Noch besitzt die steinerne Karlsbrücke keinen barocken Statuenschmuck.

Man sieht die Darstellung des berühmtesten Ereignisses im Prag des 17. Jahrhunderts: eine „Wahre Contrafactur wie die Kayserl. Räthe zum Fenster hinaus geworffen worden seindt“ (1618). Das originale Kruzifix von der Richtstätte auf dem Altstädter Ring, wo nach der Schlacht am Weißen Berg 27 böhmische Herren hingerichtet worden sind, ist zu sehen, und ein Bild der Belagerung durch die Schweden 1648, die für Prag ungefähr das waren, was für Wien die Türken bedeuteten.

Das prächtige Palais Czernin ist im Modell nachgebildet, und man erkennt schon hier das im Vergleich zu Wien viel Schwerere, Italienische des böhmischen Barock, beispielsweise an den Kirchen St. Ignatius von Carlo Lu-ragho oder St. Niklas von den Brüdem-Dientzenhofer.

Karel Skrėta, der große böhmische Barockmaler, ist mit einer ansehnlichen Reihe von Werken vertreten, ebenso wie Peter Brandl und Wenzel Lorenz Reiner, die Maler des Hochbarock. Die Bildhauer Ferdinand Brokoff imd vor allem Johann Georg Bendl erlebt man mit schönen Plastiken, die allerdings im Hochbarock vom gigantischen heiligen , Aloisius von Gonzaga“- wohl einer der bewegtesten Plastiken, die das Barock hervorgebracht hat - in den Schatten gestellt werden.

Er und die „Visio’n der heiligen Luitgard“ von der Karlsbrücke stammen von dem in Prag arbeitenden Tiroler Matthias Bernhard Braun. Und hat nicht der große Oskar Kokoschka bei seinem berühmten Plakat für die hungernden Kinder den Christus, der sich vom Kreuz zur Heiligen hinunterbeugt, als Beispiel ge-.nommen?

Und dann erkennt man in jenem kleinen Bozetto (Modell) des von den Habsburgern so geförderten Barockheiligen Johannes von Nepomuk (1681 von Matthias Rauch-

miller) das Urbild und Vorbild für Hunderte, ja Tausende Nepo-muk-Statuen bis weit über Böhmen und Osterreich hinaus.

Prager Zunftwesen

Aber das ist noch lange nicht alles: Ein ganzer Raum ist den Prager Zünften gewidmet mit Fahnen, Truhen, originellen Zinngefäßen, ein anderer Raum der Musik. Man bewundert böhmisches Glas und Uhren, herrliche Goldschmiedekunst, Münzen, sogar auf das barocke Bühnenbild wird eingegangen.

Noch einmal kommt Geschichtliches ins Bild, der österreichische Erbfolgekrieg: Johann Tobias Sonntag stellt die blutjunge Maria Theresia mit himmelblauem Kleid auf weißem Pferd dar, wie sie an der Spitze ihrer Truppen auf Prag zureitet.

Und ehe man die sehenswerte, von Werner Nedoschill und Irmgard Grillmayer dezent gestaltete Ausstellung verläßt, gibt es noch die beiden Heiligen, Agatha und Apollonia, aus der Loreto-Gna-denstätte auf dem Hradschin von Anton Kern zu sehen, die bereits liebliche Vorfahrinnen der Maul-bertschen Kunst sein könnten., Und als besonderes Zuckerl wird eine Wand voll der reizendsten, winzig kleinen Rokoko-Bildchen von Norbert Grund gezeigt, badende Nymphen und andere Nak-kedeis in duftigen Landschaften,

Die Ausstellung verlockt zu einem Prag-Besuch.

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