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Aus osterreichs geistiger und weltlicher Schatzkammer

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Hermann Fillitz, nicht nur Kustos der Wiener Schatzkammer, sondern auch einer ihrer besten Kenner, seit kurzem Dozent für Kunstgeschichte an der Wiener Universität, seit langem bekannt als Verfasser eines hervorragenden Werkes über die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches (erschienen 1954 bei Schroll), dem er letztes Jahr eine Studie über die österreichische Kaiserkrone folgen ließ, legt nun ein neues Buch über sein „Reich“ vor, ein Brevier der weltlichen Schatzkammer in Wien. (Verlag Klinkhart und Biedermann, Braunschweig.) Der Umfang dieses Werkes ist nur klein (48 Seiten, davon 21 Seiten Abbildungen), die Darstellung dafür um so geballter und geformter, was meist eine Leistung bedeutet, da lang schreiben immer leichter ist als kurz. Das Buch stellt keinen Führer durch die Schatzkammer dar, sondern will — wie es der Untertitel sagt — eine Darstellung des Wandels und der Gestalt einer fürstlichen Kunstkammer sein. Dies bringt den Vorteil mit sich, daß nun die historischen Zusammenhänge der einzelnen Teile dieser einmaligen Sammlung aufscheinen und sie nicht mehr als eine wahllose Ansammlung von Schätzen, sondern als ein höchst organisches Ganzes angesehen werden muß. Das kleine Buch stellt aber auch eine Art Rechenschaftsbericht des Verfassers, der in den Jahren 1952 bis 1954 die Bestände der Schatzkammer neu ordnete, dar, nach welchen Grundsätzen er diese Neuordnung vornahm. Grundsätze, die historisch völlig begründet sind und die Kunstwerke dieser Sammlung für den Besucher zu einem einmaligen Geschichtsunterricht werden lassen.

Als Überschrift über dieses kleine Referat wurde der Text gewählt „Aus Österreichs geistiger... Schatzkammer“! Dies ist kein Druckfehler, wie es auf den ersten Blick erscheint, sondern sollte nur dem Referenten die Möglichkeit geben, neben dem Buch über die Sammlungen in der Schatzkammer auf den soeben erschienenen XIV. Band der Sammlung „Große Österreicher“ hinzuweisen, eine Sammlung, die in ihrer Art eine Bestandaufnahme der großen geistigen Schätze Österreichs darstellt. Der erste Band dieser von Anton Bettelheim begründeten Buchreihe, die den ursprünglichen Titel „Neue österreichische Biographie 1815—1918“ trug, erschien 1923 im Verlag „Wiener Drucke“, bald schon siedelte die Reihe zum Amalthea-Verlag über, der ihr seit 1956 den Namen „Große Österreicher“ gab. Alle Bände enthalten ohne erkennbare systematische Ordnung in essayistischer Form gehaltene Biographien bedeutender Österreicher. Der soeben erschienene XIV. Band enthält die Lebensbeschreibungen von fünf Feldherren: Radetzky (Jedlicka), Erzherzog Carl (Allmayr-Beok), Windisch-graetz (Walter), Erzherzog Albrecht (Kissing) und Admiral Montecuccoli (Handel-Mazzetti); von vier Staatsmännern: Stadion (Mattausch), Aloys Liechtenstein (Weinzierl, besonders wertvoll), Kunschak (Stamprech) und — unausrottbarer Proporz — Hueber (Julius Deutsch); von drei Dichtern: Schnitzler (Fontana), Schönherr (Cysarz), Preradovic (Csokor); von drei Komponisten: Korngold (Luzi Korngold), Reznicek (Felizitas von Reznicek), Bittner (Ullrich); einem Maler: Waldmüller (Grimschitz — niemand anderer hätte diesen Beitrag schreiben können); einer Schauspielerin: der Wolter (Niederle); einer Sängerin: Bahr-Mildenburg (Dettelbach); zweier Gelehrter: Klang (Herz — eine wunderbar schöne Darstellung dieses großen Juristen) und Bittner (Mayr).

„Inter arma silent musae — zwischen den Waffen müssen die Musen schweigen“, dieser berühmte Satz hat für den vorliegenden Band keine Gültigkeit, denn den Biographien der Feldherren tritt, wie oben gezeigt, eine dreifach so große Zahl von Künstlern, Staatsmännern, Gelehrten gegenüber. Jede Biographie ein kleines literarisches Denkmal für Österreicher, die es verdient haben, daß die Nachwelt sie kennt und ehrt.

überlegt zusammengestellt. Bei der Auswahl waren zwei Prinzipien maßgebend: einmal hat der Herausgeber nur Werke aufgenommen, die lebendiger Ausdruck echter Gläubigkeit sind, die christliche Elemente nicht nur als stoffliches Motiv verwenden. Zum anderen wurde die rein seelsorglich-didaktisch ausgerichtete Erbauungsliteratur ausgeschieden, die höheren ästhetisch-kritischen Maßstäben nicht standhält. Was wir vorfinden, ist „christliche Verkündigung im Medium der Dichtung“, wo immer Kemp ihr begegnete in dem Zeitabschnitt, der zwischen Otfried von Weißenburg (9. Jahrhundert) und Konrad Weiß (gestorben 1940) sich spannt. Beide Konfessionen sind gleichmäßig vertreten: Luther neben Friedrich von Spee, Paul Gerhardt ebenso wie Novalis, Eichendorff und die Droste, um nur einige zu nennen.

Die mittelalterlichen Dokumente sind im Urtext abgedruckt und im Anhang, soweit sie für den heutigen Leser schwer verständlich sind, vollständig übersetzt oder aber mit Worterklärungen ergänzt. Mystik und Barock, als besonders fruchtbare Epochen der geistlichen Dichtung, sind sehr umfassend vertreten, auch mit mancherlei Neuentdeckungen und bisher schwer zugänglichen Zeugnissen, wie etwa der mystischen Poesie des Granum sinapis (Senfkorn) und der barocken Dichtung des Daniel von Czepko und des Laurentius von Schnüf-fis. Hier ein kleines Gedicht von Czepko, das, im Gegensatz zu der sich an der Vergänglichkeit alles Irdischen berauschenden Barockdichtung, sehr positive Töne anschlägt:

GflHZ sterben werd ich nicht

Ein Teil ist tot, ein Teil zeigt sich in Kindern hier, Ein Teil im Ruf, ein Teil in schöner Bücher Zier, Ein Teil int Rat, ein Teil in guter Freunde Not: So lebt das größte Teil, das mindste das ist tot. Jedoch, was sind die Teil? Es lebt die Seele ja. Ob alle Teile hin, genung, ist sie nur da.

Je mehr wir uns der Gegenwart nähern, um so stärker wird der Bruch, die Unsicherheit spürbar, Erscheinungen, von denen wir anfänglich sprachen. Es gibt noch große geistliche Dichtung, wie etwa bei Claudius, Hölderlin, Brentano, Eichendorff, der Droste und später bei Konrad Weiß. Aber, wie Curt Hohoff in einer Auseinandersetzung mit dem hier vorliegenden Buch feststellt, gilt für diese neuzeitliche Dichtung das Hölderlin-Wort; „Nah ist, und schwer zu fassen der Gott“, und er fährt fort: „Es sieht aus, als gehe es immer wieder darum, Ihn wenigstens zu fassen, der sich früher so gern und leicht, selbst spielerisch fassen ließ.“

Ein Einwand gegenüber der im allgemeinen vorzüglichen Auswahl sei noch erlaubt. Wir verstehen nicht ganz, warum Reinhold Schneider, Gertrud von Le Fort, Rudolf Alexander Schröder, auch Elisabeth Langgässer und Christine Busta, nicht in dem Buch vertreten sind. Friedrich Kemps Feststellung, er habe „um der größeren Geschlossenheit willen und aus Gründen einer höheren Schicklichkeit“ auf die Aufnahme lebender Dichter verzichtet, kann uns nicht überzeugen. Nun, eine jede Auswahl wird immer auch die besonderen Neigungen dessen spiegeln, der sie vornimmt — das ist nur recht und billig; vollends dann, wenn eine so großartige Leistung dabei sich ergibt, wie sie Kemps „geistliches Lesebuch“ ist.

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