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Chronik einer alten Wiener Gasse

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Zum sechsten Male seit seiner Gründung tritt das Landstraßer Heimatmuseum mit einer neuen Ausstellung unter dem Motto „Gebäude und Menschen in der Ungargasse“ vor die Oeffentlich-keit. Die Ungargasse, erst 1444 „Hungargasse“ benannt, kann mit ihren 66 Häusern auf eine große Zahl berühmter Persönlichkeiten hinweisen, die dort wohnten oder aus- und eingingen. Zahlreiche Bilder, Briefe und Dokumente vermitteln einen lebhaften Eindruck darüber. So wohnten im Hause Ungargasse 5, das im Hof einen schönen alten Wandbrunnen besitzt, dessen Eigentümer, der bekannte Barockbildhauer Franz Xaver Messerschmied (1736 bis 1783), der Geheime Rat und Feldzeugmeister Freiherr von Hauslab, dessen hinterlassene Viennensia-Sammlung bekannt ist, der Aesthetiker Franz Ficker, gestorben 1849, dort vollendete in den Jahren 1823 bis 1824 Beethoven eine 9. Symphonie. Im alten Gasthaus „Zur Gold-Spinnerin“ mit einem schonen großen Garten ■wohnte Johannes Brahms, von dem Briefe, Programme und Noten zu sehen sind. Ein Pionier der Luftschiffahrt, Jakob von Degen, ein Uhrmacher aus Basel, wohnte auf Nr. 27. Er erfand nicht nur einen nicht fälschbaren Stempeldruck für die Banknoten, sondern führte auch in den Jahren 1808 bis 1811 im Prater und in Laxenburg gelungene Flüge durch, die ihn sogar bis Himberg trugen.

Ein schöner Stich zeigt die Pracht des ehemaligen Harrachschen Palastes, den si.ch 1735 Alois Thomas Raymund Graf von Harrach durch Fischer von Erlach samt der Kapelle zum heiligen Januarius erbauen ließ. Harrach war Vizekönig von Neapel gewesen und von dem sich alljährlich am Todestage des Heiligen erneuernden Wunder des Flüssigwerdens des Blutes so beeindruckt, daß et diese Kapelle errichten ließ. Das Palais, dessen Garten bis zur Juchgasse reichte, kam unter Kaiser Franz in das Eigentum des Kaiserhauses und diente bis 1840 als Unterkunft für die. lombatdisch-venetianische Leibwache. In diesem Jahre erwarb es der k. k. Hofkonzipist Michael von Barich, der es demolieren ließ und dafür die heutigen Häuser Nr. 63 bis 65 errichtete. Zur bleibenden Erinnerung an diese Kulturtat benannte man die neu entstandene Gasse nach ihm.

Musikfreunden bietet die Erinnerung an die bekannte Klavierbauerfamilie Streicher vieles. Johann Baptist Streicher, dessen Vater Andreas Schillers Freund und Fluchtkamerad nach Mannheim gewesen ist (1795 bis 1871), war einer der ersten, die In Wien den Klavierbau in großem Stil betrieben. Im Hause Nr. 27 verkehrte die musikalische Welt Wiens und wurden auch die meisten Klavierkonzerte abgehalten. Franz Liszt,Johannes Brahms, Clara Schumann, Charlotte Wolter, Jenny Lind, Josef Dachs gingen dort ein und aus.

So rundet sich das eindrucksvolle Bild einer Ausstellung, mit der ein wertvoller Beitrag für die Lokalchronik einer alten Wiener Straße erbracht worden ist.

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