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Die Warenmessen der Römer

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Ja, auch die Römer hatten ihre Warenmessen! Um ihren großen Warenaustausch in ständigem Fluß zu halten und ihm stets neue Antriebe zu geben, wurden an bestimmten Orten nach griechischem Muster regelmäßig wiederkehrende Messen (emporia) abgehalten. So in Placentia und Nauna bei Gallipoli. Die Römer gründeten in den Provinzen, vor allem in Thrakien, neue Marktorte (fora, conciliabula), die militärische Züge trugen und deren Bewohner viele Begünstigungen genosssen. Man wollte sich durch solche Gründungen zunächst aus der Bauernschaft gute Soldaten verschaffen; dann aber, nachdem sich diese Niederlassungen zu regelrechten Städten entwickelt hatten, einen ständigen Warenaustausch dort einrichten, wo er infolge schlechter Straßen- oder Witterungsverhältnisse nur ein spärlicher war. Pizus in Thrakien war solch eine große Messestadt; ebenso Augusta Trajana, das heutige Gostilitya und Dia in Bithynien.

Das Bild dieser Warenmessen muß einzigartig gewesen sein. Die gallischen Handelsstädte Lyon, Trier, Arles schickten ihre verschiedenen Tuchsorten; Felle und Bernstein kamen aus Germanien, Honig und Wachs aus Südrußland, Gold aus dem Ural. Auf den militärisch gesicherten Karawanenstraßen der Wüste schleppten die Kamele Elfenbein, Datteln, Spezereien, Gewürze und schwarze

Sklaven. Die Händler aus Arabien brachten kostbare Edelsteine, Weihrauch und Balsam; China schickte herrliche, mit eingewirkten Tiermustern versehene Seidengewänder, Persien die vielbegehrteh Perlen und Smaragde. Im Hafen von Ostia mit seinen großen Molen, Kais und Magazinen stauten sich de Kisten mit den Exportwaren der italisdien Industriemittelpunkte Tarent, Capua, Cales und Arretium. Das Glas aus Süditalien, das feinsilbrige Tafelgeschirr, die gediegenen Metallwaren, die rotglasierten Keramiken und die billigen Tonlampen wurden auf den Messen in Massen abgesetzt. Die Frauen konnten sich an den in Aquileia hergestellten schönen Lederwaren und zierlidien Toilettegegenständen, wie Dosen, Fläschchen,- Kämmen und Spiegeln nicht sattsehen und ihr Bedarf an Wohlgerüchen und Schminken stand dem der heutigen Zeit in nichts nach. Es gab auch Sonderstände für Feinschmecker auf diesen Messen, in denen man Schinken aus Frankreich, zartes Böckchenfleisch aus Ambrazia, Austern aus Tarent und — zu Luxuspreisen — auch eingelegte Flamingozungen, Pfauen- und Fasangehirne kaufen konnte. Im Vergnügungspark aber bestaunte eine neugierige Menge die Sendungen von wilden Tieren, die einige Tage Rast hielten. Der Bedarf für die Zirkusspiele war ja ein ungeheurer. So ließ Augustus allein dreitausendfünfhundert Tiere im Amphietheater töten, und bei einer einzigen Hetze des Pom-pejus wurden fünfhundert Löwen erlegt. Bei solch einer „Jagd“ ließ man auch Herden von Giraffen und Antilopen — einmal sogar als besondere Überraschung — dreihundert rotbemalte Strauße los. Für Abwechslung war also bei den Messen der alten Römer in reichlichem Ausmaß gesorgt.

Der freizügige Warenaustausch innerhalb des römischen Reiches zur Kaiserzeit, die gewaltige Einfuhr aus den entferntesten Provinzen und nicht zuletzt die Ausfuhr aus Italien selbst, finden ja in der Geschid te nicht bald ihresgleichen. Rom war Hauptverbraucher der damals bekannten Welt geworden, der Innen- und Außenhandel die Quelle seines ungeheuren Reichtums. Die Einheitlichkeit des Imperiums, verbürgt durch eine straff geregelte Handelspolitik, gesichert durch ein glänzend geschultes Militär und unterstützt durch ein vorbildlich ausgebautes Straßennetz, bildete das Rückgrat des Weltstaates. Der innere und äußere Friede führte nach der Ausschaltung des Hauptkonkurrenten Carthago und nach glücklicher Beendigung des Bürgerkrieges naturgemäß zu einer raschen Entwicklung des Wirtschaftslebens.

Das Betätigungsfeld für Kaufleute, Industrielle und Großgrundbesitzer war nahezu unbegrenzt, denn an Absatzgebieten herrschte wahrlich kein Mangel. Der Freihandel war kein Grundsatz, sondern eine selbstverständliche Sache der Zweckmäßigkeit, und K m hielt nach wie vor daran fest, daß die Wdt nur vom Nutzen geleitet werde. Daß es ai.ch frei von jeder Empfindsamkeit war, kam ihm dabei nur vonstatten Die Arbeitsscheu des erbeingesessenen Römers und die dadurch ausgelöste Verachtung des Gewerbes führten zu einer ungeheuren Geldgier. Es galt als nicht unpassend, auf Kosten der Provinzen zu leben und durch deren Gold und Tribute das Handelspassivum auszugleichen. Die gewaltige Zunahme der Bevölkerung Roms bei Fehlen eines wohlhabenden Mittelstandes hatte zu ganz ungesunden Verhältnissen geführt. So zählte die nach Lebensmitteln und Waren hungrige Hauptstadt zu Beginn der Kaiserzeit über zwei Millionen Einwohner, wovon die Hälfte Sklaven waren. Sechs-hundertvierzigtausend Menschen hatten keine Beschäftigung und mußten durch Getreidespenden erhalten werden. Die meisten Nahrungsmittel und Verbrauchsgegenstände aber mußten eingeführt werden. Sizilien, Spanien, Ägypten sowie Südrußland lieferten Getreide und Hülsenfrüchte, Gallien, die Donauländer und Spanien Metalle, Leinen- und Wollstoffe kamen aus Spanien und Ägypten. Italien selbst verlegte sich nur auf den ein-träglidien Wein- und ölgroßhandel, auf rote Keramiken, Bronze- und Silbergefäße, landwirtschaftliche Geräte, Lampen und Manufakturwaren.

Obwohl das Wort „Fabrik“ lateinischen Ursprungs ist — es bedeutet Massenarbeit der Handwerker — gab es eigentlich keine Fabriken in unserem Sinne. Man wollte sie auch gar nicht und vereinigte höchstens mehrere Werkstätten in einer Hand. Trotzdem wurde nicht auf Bestellung, sondern auf den großen Absatz hingearbeitet. Der Staat ließ dabei dem einzelnen vollkommen freie Hand, räumte aber dem Industriellen nahezu keinen politischen Einfluß ein, ja, er tat bei seinem Streben nach Dezentralisation nichts dagegen, um den italischen Erzeuger gegenüber der immer stärker werdenden Konkurrenz zu schützen .Das an Metallen und anderen Rohstoffen reiche Gallien gewann dadurch bald einen bedeutenden Vorsprung und wurde allmählich das größte Industrieland des Westens. Das führte bei der geringen Kaufkraft der Provinzbevölkerung von selbst zur billigen Massenherstellung von Gütern, die noch dadurch gefördert wurde, daß es keinerlei gesetzlichen Schutz gegen Nadiahmen von bodenständigen Waren gab und die Arbeit in Italien ausschließlich von Sklaven besorgt wurde. Die Bergwerke waren überdies Eigentum des Staates oder der Gemeinden und hatten Sträflinge eingestellt; vierzigtausend allein waren in den ergiebigen Gruben Spaniens beschäftigt.

Der Kaufmannsstand, der sich im Rahmen klug ausgebauter und vom Staat anerkannter Handelsgesellschaften bewegte, war nicht nur Großlieferant für die Armee, sondern betrieb einen durch keine übermäßig hohen Zölle gehemmten Warenaustausch, der sich bis nach Skandinavien, Britannien, der Ostsee, dem Dnjeprgebiet und Schwarzen Meer, Ägypten und Afrika, ja selbst bis nach Indien und China erstreckte. Der Weg zum Multimillionär stand jedem Tüchtigen offen, und es gab denn auch zur Zeit der Julier und Claudier wahre Nabobs, von deren Reichtum wir uns nur schwer eine Vorstellung machen können.

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