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Römische Paraderüstung aus Carnuntum

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Helm, Maske, Beinschienen, Schildverzierungen, basierend auf den Funden im Reiterkastell, werden 1995 in einer Ausstellung zu sehen sein.

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Helm, Maske, Beinschienen, Schildverzierungen, basierend auf den Funden im Reiterkastell, werden 1995 in einer Ausstellung zu sehen sein.

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Um den Archäologi schen Park Carnuntum nach ähnlich wissenschaftlichen, denkmal-pflegerischen, musea-len und auch touristischen Kriterien errichten zu können wie etwa den 1974 eröffneten nordrhein-westfälischen Archäologiepark Xanten, fehlt viel Geld: nicht mehr und nicht weniger als runde 250 Millionen Schilling. ,

Zwar ist in dem gerne als „Pompeji vor den Toren Wiens“ bezeichneten Carnuntum seit 1988 manches geschehen, doch ist beispielsweise der Beitrag des Bundes zur Realisierung des vom Land Niederösterreich getragenen Regionalisierungsprojektes im Raum Petronell/Bad Deutsch-Altenburg nach wie vor offen. Dennoch wird Landesarchäologe Werner Jobst mit seinem Team die erste Stufe des bis ins dritte Jahrtausend reichenden Vorhabens bis zu den Millenniumsveranstaltungen 1996 erfüllen.

Bereits 1992 wiedereröffnet wurde das 1904 erbaute und nun sensibel restaurierte Archäologische Museum Carnuntinum, das 3.300 Einzelstücke aus den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten zeitgemäß präsentiert.

Sie setzen sich zusammen aus Fundmaterial von Rettungs- und Forschungsgrabungen, aus Zufallsentdeckungen und aus Ankäufen.

Jüngst erworben wurde ein Grundstück zur Errichtung eines Museumsneubaues, der die in zehn Grabungsjahren zutage gebrachten Gegenstände vom Tempelheiligtum auf dem Stadtberg von Carnuntum, dem Pfaffenberg, aufnehmen soll.

Archäologische Nachuntersuchungen sowie die Rekonstruktion eines Abschnittes der Limesstraße, einer Straßenhalle und eines Dianatem- pels wurden auf dem sowohl 1958 als auch zwischen 1948 und 1957 freigelegten Areal des antiken Stadtviertels bei Schloß Petronell durch- geführt.

Dabei stellte sich heraus, daß die Häuser von Anbeginn bis in die Spätantike nach italischem Vorbild erbaut worden waren und nicht, wie bislang angenommen, in der ersten Bauphase in keltisch beeinflußter Sonderform als Lauben- oder Korridorhaus.

Hier, beim Eingang zum Freilichtmuseum und im Nahbereich der Landesstraße 2026 (ehemalige Bundesstraße B 9) wurde außerdem ein Informationszentrum samt Cafeteria, Kassa, Archäologieshop, Sanitäranlagen und Verwaltungsräumen errichtet.

Jetzt liegt der Schwerpunkt auf dem Erwerb von Grundstücken, unter denen in mehreren Metern Tiefe römische Mauern verborgen sind. So wird eben über den Ankauf der Ostfront des ein Kilometer vom Standlager entdeckten Reiterlagers ver handelt. Dort möchte der seit 1978 im südlichen Lagerareal und der Lagervorstadt grabende Manfred Kandier vom Österreichischen Archäologischen Institut das Osttor, Teile der Kastellmauer und des davor liegenden Grabungssystems untersuchen und erhalten: eine Aktion, die die Stellung der einstigen Metropole der Provinz Oberpannonien verdeutlicht. Schließlich war sie die einzige Stadt an der Grenze des römischen Imperiums, die neben dem Legionslager als zweite militärische Anlage ein Hilfstruppen- (Auxiliar-)lager für ein Reiterregiment von 500 Mann Stärke besaß.

KOOPERATION MIT RUMÄNIEN

Franz Humer von der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich arbeitet weiter in der Zivilstadt. Dort entreißt er einen langgestreckten Bau neben der schon früher freigelegten Therme wieder der Erde. Feststeht, daß es sich dabei um ein aus vielen kleinen Kammern bestehendes Krankenhaus aus dem 3./4. Jahrhundert handelt, in dem die Bürger gekurt haben.

Darüber hinaus will Humer zu klären versuchen, wie weit sich das Aussehen von Carnuntum unter dem Einfluß der Verleihung des Stadtrechtes zur Zeit Hadrians (117- 138), der 114 erfolgten Erhebung zur Colonia (— eine ranghöhere Stadt) und dem Kaisertreffen von Diokletian, Maximilian und Galerius (308) verändert hat.

Werner Jobst will das bislang mangelhaft erforschte und nicht nach heute gültigen wissenschaftlichen Ansprüchen restaurierte Amphitheater I in der Senke vor dem Haupttor des Legionslagers untersuchen. Danach sollen die seinerzeit falsch restaurierte Arena und Cavea- mauer (cavea — Zuschauerraum) neu gestaltet werden.

Dazu ist es allerdings notwendig, den an der Nordseite des Gebäudes abgelagerten Schutt der Grabungen von 1880 bis 1890, 1894, 1946 bis 1947 und ab 1987 abzutragen. Allein im Vorjahr wurden dabei Hunderte von Münzen, Tonnen von Keramikscherben, Schmuck und Militaria aus der Zeit von Kaiser Augustus (27 vor bis 14 nach Chr.) bis in die Spätantike sichergestellt.

Daneben läuft eine Reihe von Forschungsvorhaben. Darunter im Rahmen der vom Wissenschaftsministerium geförderten Kooperationsprojekte mit postkommunistischen Staaten die Entzifferung der 590 Weihinschriften vom Pfaffenberg durch Joan Piso von der Universität Klausenburg in Rumänien.

Die Inschriften bezeugen, daß für die Pflege des Kaiserkultes und des Kultes der kapitolinischen Trias Jupiter, Juno und Minerva ein aus vier Bürgern bestehendes Priesterkollegium verantwortlich war.

Helga Jobst hinwieder hat eine Geschichte des Mithraskultes geschrieben, in der sie der aus politischen Gründen in Rom geänderten, in Konkurrenz zum Christentum gestandenen persischen Erlöserreligion nachgegangen ist.

Nicht zuletzt schuf Markus Jun- kelmann, basierend auf der im Reiterkastell gefundenen Eisenmaske und einem Paradehelm, eine Para- derüstung. Sie besteht aus verzierten Panzerbeschlägen, Beinschienen, Schildverzierungen und Roßstimen, wie sie die Römer für Leichenspiele und Festveranstaltungen angelegt haben. Sie wird neben zirka 80 originalen Waffen und Rüstungsbestandteilen in der für 1995 geplanten Ausstellung „Römische Paraderüstungen“ in Wien sowie anderen österreichischen Städten und in Deutschland gezeigt werden.

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