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Carnuntums Villa

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Nicht nur in Niederösterreich wird mit der bis zur Weltaus­stellung 1995 fertiggestellten Aus­baustufe 1 des Archäologischen Parks Carnuntum Einblick in die römische Vergangenheit gegeben. Auch das Burgenland hat bereits mit Vorarbeiten für ein Freilicht­museum unweit der Ostautobahn am Ortsrand von Bruckneudorf be­gonnen. Wissenschaftler des Öster­reichischen Archäologischen Insti­tuts und Architekten werden nach den Grundsätzen moderner archäo­logischer Denkmalpflege eine rö­mische Palastruine zeigen.

Errichtet wurde der Palast um 100 n. Chr. im Hinterland von Car­nuntum. Zur Zeit der Markoman­nenkriege zwischen 160 und 180 wurde er umgebaut und um 350 zu einer Portikusvilla, also einer Villa mit Säulenhalle und Gängen, aus­gebaut. An den Ecken erhielt der Palast als zusätzliche Gliederung der Außenfassade turmähnliche Erkerräume, die dem Gebäude repräsentativen Charakter verlie­hen. Der Kern des rechteckigen Wohnpalastes bestand aus mehre­ren, sehr vornehm gestalteten Sä­len und Gängen. Die Eingangsfront nahm auf breiter Front eine Porti­kus ein. Das Ausmaß des von einem Badehaus und einer riesigen Toi­letteanlage, von Gesindewohnun­gen, Scheunen, Ställen, Werkstät­ten, Remisen und Mauern umgebe­nen Palastes betrug 27 mal 40 Me­ter.

Entdeckt wurde die auch als römischer Gutshof bezeichnete Ruine im 19. Jahrhundert. Erste Ausgrabungen fanden 1930 und 1950statt. 1975/76 wurdenumfang-reiche Bodenmosaiken - die größ­ten, besterhaltenen und qualitativ wertvollsten nördlich der Alpen -geborgen. Sie wurden größtenteils ins Burgenländische Landesmu­seum nach Eisenstadt gebracht. In einem eigens für sie geschaffenen Raum unterhalb der großen Aus­stellungshalle zeugen sie nun mit ihren mythologischen Szenen, mit floralen und geometrischen Mu­stern von der Pracht dieser Villa.

1978 übernahm der jetzige Di­rektor des Österreichischen Archäo­logischen Instituts, Gerhard Lang­mann, die archäologischen Unter­suchungen, die zehn Jahre dauern sollten. Dabei stellte der Wissen­schaftler fest, daß die Villa über keltischem Stammesbesitz errich­tet worden war. Wohl war schon aus literarischen Quellen bekannt, daß die Gegend entlang des Leitha-gebirges zum Siedlungsgebiet des keltischen Stammes der Boier ge­hört hatte, Langmann stieß jedoch im Areal des Gutshofes auf kelti­sche Siedlungsspuren sowie auf einen mit einer Inschrift versehe­nen Grabstein. Dieser war als Abdeckplatte eines Kanals verwen­det worden und dürfte von einem keltischen Gräberfeld der nächsten Umgebung verschleppt worden sein.

Die Inschrift nennt einen Coccei-us Caupianus mit dem Titel eines Praefectus Civitates Boiorum. Die­sen Rang durfte ein zum römischen Bürger gewordener Kelte bis hun­dert Jahre nach der römischen Landnahme beibehalten. Unter der Palastanlage fand Langmann au­ßer den älteren Siedlungsspuren viele gestempelte Militärziegel. Die ältesten stammen von einer Bogen­schützeneinheit: der Cohors Prima Aelia, für die man in Wien und Klosterneuburg Belege gefunden hat. Die meisten der freigelegten Ziegel stammten von der Legio X Gemina Pia Fidelis, dem bis zum Ende der römischen Periode ver­bleibenden Hausregiment von Vin-dobona (Wien). Von der Legio XIV Gemina Martia Victrix, der Stand­legion von Carnuntum, entdeckte er merkwürdigerweise fast keine Hinterlassenschaft.

Aus diesen Funden kann ge­schlossen werden, daß bald nach dem Tod des zu Beginn des 2. Jahr hunderts verstorbenen Caupianus das römische Militär die keltische Domäne als agrarisches Zentrum etablierte, um die Legion mit land­wirtschaftlichen Produkten zu ver­sorgen. Die Ausstattung des Wohn­palastes war luxuriös. Je nach Funktion des Raumes besaßen die Wände Tapeten mit figürlichen Darstellungen oder Landschaften, und die erhalten gebliebenen 300 Quadratmeter großen Fußboden­mosaiken wiesen damit harmonisierende Muster auf. Daraus ist ableitbar, daß vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert der römische Legatus samt Gefolge und Personal hier residierte. Sogar Wandkritze­leien von ungeübter Kinderhand, mit den Namen Petronia und Hygi­nus darüber, entdeckten die Ar­chäologen.

Um die Mitte des vierten Jahr­hunderts scheint der feudale Land­sitz zum letzten Mal renoviert worden zu sein. Den Anlaß bildete wahrscheinlich der Umstand, daß Valentinian I., ehe er 375 auf einer Inspektionsreise im nahen Brigetio (Komorn/Ungarn) starb, in dem Palast des Legaten logierte. Das einst so blühende Carnuntum war zu dieser Zeit bereits ein armseliges Nest. Langmann ist jedenfalls fest davon überzeugt, daß mit jener in der Lebensbeschreibung Valenti-nians angeführten „ villa muro cinc-ta" (von einer Mauer umgebene Villa) die von Bruckneudorf ge­meint sei. 395 überrann­ten Markomannen, Quaden, Goten und Ala­nen die Donaugrenze, besetzten den Norden Pannoniens und been­deten die römische Ver­waltung des Landes. Die etwa zehn Kilometer von Carnuntum ent­fernte Luxusvilla ver­fiel ebenso wie die Mili­tär- und Handelsmetro­pole.

Derzeit werden Teile des Palastes konserviert und das 13 mal 13 Meter große Mosaik der Aula mit aus antiken Vasen wuchernden Girlanden wird neu verlegt. Über dieser Aula wird ein in­ternationalen Ansprü­chen entsprechender Schutzbau errichtet. Eine Holzkonstruktion soll einen Eindruck von der Raumgestaltung der Aula vermitteln. Das in der Mitte zerstörte Mo­saik wird von einem Podium aus zu besichti­gen sein.

Wissenschaftler Und Landespolitiker möch­ten mit diesem museal gestalteten historischen Dokument dem Be­trachter bewußt ma­chen, wie sehr die Anti­ke das kulturelle Selbst­verständnis Europas -insbesondere des Do­nauraumes - geprägt hat.

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