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Ephesus: Kolossaltempel wiedererrichtet

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Ephesos, der Renommierplatz fiir Osterreichs Archaologen, wird von Jahr zu Jahr nicht nur von immer mehr Tiirkei-Re'isenden besichtigt. Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen und Nationalist nehmen unter Gesamtleitung von Gerhard Langmann vom Osterreichischen Archaologischen Institut an der Erforschung der Stadt des sieben-ten Weltwunders teil.

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Ephesos, der Renommierplatz fiir Osterreichs Archaologen, wird von Jahr zu Jahr nicht nur von immer mehr Tiirkei-Re'isenden besichtigt. Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen und Nationalist nehmen unter Gesamtleitung von Gerhard Langmann vom Osterreichischen Archaologischen Institut an der Erforschung der Stadt des sieben-ten Weltwunders teil.

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Heuer waren es 45, und sie kamen aus den USA (ein Geologe aus Delaware) ebenso wie aus Deutschland (ein Anthropologe aus Braunschweig), Georgien und der Tiirkei.

Jetzt sind die Spatenforscher nach fiinfmonatiger Prasenz in der Ruinen-stadt wieder in Wien. Wie in beinahe all den Jahren seit 1895, da osterrei-chische Wissenschafter in der ehema-ligen Metropole der romischen Pro-vinz Asia graben, wurde auch heuer das voile Kampagne-Programm er-fiillt.

Gegraben haben die Archaologen an drei Platzen: beim sogenannten Serapeion, im Areal des alten Smyrna und auf der Damianus-Stoa. AuBerdem hat je ein Team beim Weltwun-dertempel der Gbttin Artemis und der Marienkirche Nachuntersuchungen durchgefiihrt. Dabei verfestigte sich bei Stefan Karwiese, dem brtlichen Grabungsleiter des Projektes Marienkirche, die Meinung, daB das Gottes-haus nicht wie bislang angenommen, als Tagungsort des dritten Okumeni-schen Konzils vom Jahre 431 fungiert haben kann. Der Bau, der zahlreiche Bestattungen aus byzantinischer Zeit birgt, ist namlich eindeutig junger.

Ob der unweit der Agora, dem Verkaufsmarkt der Stadt, gelegene

Kolossaltempel, der seit dem ausge-henden Altertum infolge eines Erdbe-bens wie ein riesigerTriimmerberg zu FiiBen des 358 Meter hohen Nachti-gallenberges (Bulbiildag) liegt, tat-sachlich dem agyptischen Gott Sera-pis geweiht war, steht nicht fest. In den zwanziger Jahren, als man sich zum ersten und letzten Mai mit archaologischen Untersuchungen dieses nie vollendeten Tempels beschaf-tigte, deutete man ihn als Kultstatte des romischen Kaisers Claudius (41-54 n.Chr.), dann als Brunnenhaus. SchlieBlich glaubte man aufgrund der Interpretation einer Inschrift, das Hei-ligtum des in der Kaiserzeit im gan-zen romischen Imperium verehrten Serapis - mit den Ziigen von Zeus und Amun-Re, vor sich zu haben.

Mazen fiir Wiederaufbau

Datiert wird der an zwei Stellen freigelegte Tempel als Bauwerk des zweiten Jahrhunderts, in dem sich eine spatantike Kirche erhalten hat. In Zusammenarbeit mit der Ludwig Boltzmann-Forschungsstelle lieB Langmann sowohl den Schutt der frii-heren Grabung im Temenos (Bezirk fiir die Opfer- und Kulthandlungen) und dem Gelande der Vorhalle ma-schinell abtragen.

Die zutage gekommenen Architek-turteile aus Marmor (darunter das Relief der als Wandtafelung verwen-deten Siegesgbttin Victoria) und Sta-tuenfragmente aus Bronze wurden aussortiert. Mit finanzieller Hilfe eines Privatmazens soli der reich mit korin-thischen Saulen von je 57 Tonnen Gewicht geschmuckte Monumental-bau teilweise wieder aufgestellt werden.

Im unweit davon entfernten Areal der seit 1897 systematischaufgedeck-ten vorhellenistischen Siedlung na-mens Smyrna fand Langmann heuer in durchschnittlich fiinf Meter Tiefe einige Zisternen und eine Menge Hausrat aus Keramik (darunter Bruch-stiicke von kleinen Schalen, die Zeich-nungen mit Vogelmotiven aufweisen und aus dem siebenten vorchristli-chen Jahrhundert stammen). In Uber-einstimmung mit bereits in den ver-gangenen Jahren georteten sechs Wohnhausern unterschiedlichen Typs zeichnet sich ab, daB dies die Keim-zelle der spateren GroBstadt vom achten bis zum vierten Jahrhundert nach Christus gewesen sein diirfte und von der Bevolkerung verlassen worden ist, noch ehe um 300 vor Christus der Diadoche Lysimachos wegen fortschreitender Verlandung des Hafens Ephesos an die Hange der beiden Stadtberge Panayirdag und Biilbiildag verlegte.

Dieter Knibbe vom Osterreichischen Archaologischen Institut ver-folgte wie 1990 und 1991 die schon vom Artemision-Entdecker, dem eng-lischen Architekten J.T. Wood, 1869 oberflachlich untersuchte sogenannte Damianus-Stoa: die alte Prozessions-straBe (via sacra), die Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christus von dem reichen Sophisten T. Flavius Damianus mit einer iiberdachten Sau-lenhalle ausgestattet worden war, damit man unabhangig von Wind und Wetter trockenen FuBes vom Artemi-sion rund um den Panayirdag Ziehen konnte. Knibbe lokalisierte allein an zwei Abschnitten 96 Basen des aus Ziegelmauerwerk ausgefuhrten Arka-denbaues.

Artemis-Prozession

In einer ebenfalls bereits von Wood gefundenen und im Londoner British Museum aufbewahrten Inschrift wird der Umzug genau beschrieben. An der Spitze der Prozession, bei der an bestimmten Tagen aus Gold und Sil-ber gefertigte Standbilder der alten kleinasiatischenFruchtbarkeitsgottin Artemis vom Tempel zum Theater und zuriick getragen wurden, schritt der Oberpriester des Artemisions, hinter ihm seine Trabanten sowie alle Jiinglinge und Jungfrauen der Stadt. Sie wurden vom schonsten der Mad-chen angefiihrt, das, als kurzgeschiirz-te, schlanke Jagdgottin Artemis-Diana gekleidet, von Hunden begleitet war.

Beim Heiligtum loste sich die Menge auf und setzte sich, nachdem sie ein Opfer dargebracht hatte, in einem Banketthaus innerhalb des heiligen Bezirks gesellig zusammen.

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