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Auf den alten Römerstraßen ...

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Wenn man die seit langem in Österreich aufbewahrte aufschlußreichste Karte des römischen Straßennetzes, die „Tabula Peu-tingeriana“, betrachtet, deren Urbild auf Castorius, den römischen Kosmographen des vierten Jahrhunderts n. Chr. zurückgeht, stellt man mit Erstaunen fest, wieviele wichtige Römerstraßen unsere österreichische Heimat schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung durchzogen.

• Da führte ganz im Westen von Medio-lannm (Mailand) eine Straße über Chiavenna ah den Bodensee nach Brigantia (Bregenz), und ganz im Osten ging ein Straßenzug über Celeja (Cilli), Petavione (Pettau), Scarabantia (ödenburg) nach Carnuntum bei Hamburg, der größten Festung des westlichen Pannonien, einer Großstadt mit dem Sitz des Statthalters, mit Legionslager und Stützpunkt der Donauflotte.

• Zwischen diesen beiden grenznah ziehenden Straßen überquerten die zwei am meisten frequentierten Nord-Südverbindungen die Alpen. Eine Römerstraße nahm in Verona ihren Anbeginn und folgte erst der Etsch über Tridentum (Trient) und Pons Drusi (Bozen), zweigte dort über Meran und Resrhensdieideck nach Landeck ab, während die Hauptroute über Sabiona (Säben), Vipitenum (Sterzing) und den Brennerpaß Matreio (Matrei), Veldidena (Wilten bei Innsbruck) erreichte und über die Scharnitzer-Klause, das damalige Scarbia, Augsburg als Endziel anstrebte. Ein Teilstück dieser Straße zog jedoch von Brixen durch das Eisacktal nach Vipitena Sebato (Bruneck im Pustertal) und folgte dem oberen Drautal bis Aguntum (bei Lienz) und Tiburnia oder Teurnia bei St. Peter im Holz nahe Spittal.

Die zweite Alpenstraße hatte Aquileja, die antike Handelsmetropole für den Orient an der Adria, nächst Rom und Mailand die drittgrößte Stadt Italiens, als Ausgangspunkt. Die Straße kam von Aquileja über den Predilpaß nach Santicum (Villach), erreichte Virunum auf dem kärntnerischen Zollfeld, die damals größte Stadt von Binnen-Noricum, berührte Matucaio (Treibach-Althofen), von wo ein Teil durchs Gurktal. über den Radstädter Tauern nach Aniso (Radstadt). Vocario (Werfen), Cucullae (Kuchl) nach Juvavum (Salzburg) und von dort weiter nach Ovilava (Wels) führte, während die Hauptstrecke über den Neumarkter Sattel ins Murtal, über den Pölshals ins Pölstal zog, vorbei an Viscellis (Oberzeiring), Tartur-sanis (Obertauern), Surontio (Trieben), Stiriate (Liezen) über den Pyhrnpaß nach Gabromago (Windischgarsten), Tutatione (Kirchdorf an der Krems), nach Ovilava und später von dort nach Lauriacum (Lorch bei Enns), seit diese Stadt unter Kaiser Marc Aurel Legionslager und Stützpunkt der Donauflotille und gleichzeitig zum Hauptort der Provinz Ufer-Noricum geworden war.

Sämtliche im österreichischen Gebiet gelegenen römischen Provinzen, Pannonien, Noricum und Rhaetien, und die Endziele der Älpenstraßen verband ein fünfter Straßenzug in Ost-West-Richtung. Sein Aüsgangsort war Sirmium (Mitrowitza)J die weitbekannte illyrische Metropole. Von Sirmium, das seinerseits mit Salona (Spalato) an der Adria eine wichtige Straßenverbindung besaß, \ führte eine Straße über Aquincum (Ofen), Carnuntum, die Reitergarnisonen Aequinoc-tium (Fischamend), Ala nova (Schwechat), Villa Gai (Mannswörth), das Legionslager Vindobona (Wien), die Kastelle Asturis (Klosterneuburg), Comagenae (Tulln), die Stadt Aelium Cetium (St. Pölten) über Ad Mauros an der Pielach, Arelape an der Erlaf, Lacus felicis (Mauer-Öhling), Lauriacum, Lentia (Linz), Eborodunum (Eferding) nach Castra Batava (Passau).

Auf diesen Straßen kam alles, was wir später aus dem Heimatbbden als beredte Zeugen römischer Kultur ausgruben, aus dem Süden und dem Osten bis zu uns. Kostbare

Gefäße, antiker Schmuck„ Schminktöpfchen und Kosmetika der eitlen Schönen jener Zeit ebenso wie die geschickten Männer, die in den Häusern Warmluftheizungen einbauten, Mosaikfußböden schufen oder Großbauten aufrichteten, deren stattliche Ausdehnungen noch die Ausgrabungen von zwei Amphitheatern in- Carnuntum ahnen lassen.

Auf diesen Straßen kamen auch die ersten Boten des Christentums in unsere Heimat.

Am frühesten vermutlich von Sirmium her.' Dort wirkte nach dem Zeugnis ältester Kirchenschriftsteller Andronikus, ein Jünger Petri, als erster Bischof. Und in dem mit Sirmium durch die Straße nach Salona verbundenen Dalmatien predigte Titus, ein Schüler und Gefährte des hl. Paulus, wie aus dem zweiten Timotheus-Brief hervorgeht, zuerst das Christentum.

Ebenso muß aber Aquileja als Ausgangsort frühester Christianisierung unserer Heimat angesehen werden. Auch Aquileja, das wie Salona und Sirmium zu Beginn der christlichen Zeitrechnung eine stattliche Judengemeinde besaß, empfing di*i erste Botschaft der Christlichen Lehre noch in- der Apostelzeit; nach der Legende durch den Evangelisten Markus, der zu Aquileja de hl. Hermagoras als ersten Bischof einsetzte.

Zunächst scheint allerdings das Christentum auf Österreichs Boden durch römische Soldaten bekannt und verbreitet worden zu sein. In Carnuntum lag seit dem Jahre 69 ein Teil der II. Italischen Kohorte, die aus Syrern bestand, deren einstiger Hauptmann Cornelius schon in der Apostelgeschichte genannt wird. In Vindobona befand“ sich die aus Italikern bestehende XIII. Legion. Zur Zeit Kaiser Marc Aurels gab es bereits so-viele Christen im römischen Heer, daß die zeitgenössischen Schriftsteller Tertullian und Apollinaris ihnen das sogenannte „Regenwunder“ im Quadenkrieg zuschrieben, wonach vor einer Schlacht im Marchfeld auf das Gebet christlicher Soldaten der XII. Legion das fast verdurstende Römerheer durch Regen erquickt und die Feinde durch gleichzeitigen Hagelschlag verstört und danach leicht besiegt wurden. Etwas später hatte die zweite Italische Legion in Lauriacum ihr Lager und bezeugte der Nachwelt durch den ein Kreuz enthaltenden Stempel der von ihr erzeugten Ziegel ihren Christenglauben. Unter den frühesten Märtyrern auf österreichischem Boden befindet sich gleichfalls ein römischer Soldat, der hl. Florian, der während der Diocletianischen Verfolgung bei Lauriacum in die Enns gestürzt wurde.

Alle diese ersten Glaubensboten kamen aber über die alten Römerstraßen in unsere Heimat, und ihren Weg sowie die Wirkung ihrer Lehre und ihres Beispiellebens kann man im Verlauf der Straßen aus zahlreichen

Römerfunden christlicher Herkunft genau verfolgen.

Im Zug der Straße von Aquileja nach Carnuntum begegnet in Cilli im Hause eines Bäckers ein eingemauerter Grabstein eines Maximus mit dem Christus-Monogramm. In der Draugegend, bei. Ragositz, fand man zwei Bronzeplatten mit christlichen Symbolen. In Inzersdorf bei Wien verriet ein Soldatengrabstein der X. Legion christliche Herkunft, und in Carnumtum selbst ein Aeduer-Grab-stein mit dem Text „Defunctus in Face“, die Ausgrabungen eines Taufhauses mit Becken und einer Kirche mit Priesterbank das Bestehen einer frühchristlichen Gemeinde.

An der Abzweigung der Brennerstraße nach Osttirol und Kärnten liegen für frühchristliche Altertümer reiche Fundstätten an Stelle der Römerstädte Aguntum (Stribach bei Lienz) und Tiburnia (St. Peter im Holz bei Spittal). Auf dem Boden von Tiburnia wurde eine Friedhofskirche mit christlichen Begräbnisstätten vor der Stadtmauer sowie die Bischofskirche in der Stadt zusamt dem Baptisterium aufgefunden. An der Friedhofskirche konnten zahlreiche liturgiegeschichtlich bedeutsame Details erkannt und prächtige Mosaike mit symbolischen Darstellungen freigelegt werden Das schönste zeigt Kelch und Patene, auf der eine Taube ruht, während zu beiden Seiten Schlangen emporzüngeln, vermutlich darstellend, daß die Menschenseele (Taube) im Sakrament Schutz vor den Anfechtungen des Bösen findet.

Die reichhaltigsten frühchristlichen Funde weist der Verlauf der Römerstraße von Aquileja nach Ovilava (Wels) und Lauriacum auf.

Bereits an der österreichischen Südgrenze, auf dem Hoischhügel bei Magiern in Süd-kärnten, fand sich eine christliche Basilica mit halbkreisförmiger Priesterbank in der Apsis, in St. Anna bei Villach und nahe Klagenfurt grub man zweifelsfrei christliche Grabplatten aus. Auf dem Zollfeld, an Stelle der Römerstadt Virunum, legte man eben-fallchristliche Grabmäler frei. Als Schönstes gilt deri sogenannte „Sarkophag der Herodiana“ mit dem Relief des „Guten Hirten“ von Tanzenberg. St. Donat, Hörzendorf und Alt-Kraigh sind weitere römische Grabfundstätten christlicher Herkunft, und auf dem Gratzerkogjl konnte eine frühchristliche Kirche ausgegraben werden. Christliche Grabtafeln sind auch die Epitaphien des Cupitinus

zu Maria-Pfarr und Constans Votticus zu Mauterndorf im Lungau, des Alpinus Sil-vaniae auf dem „Schreck“ bei Werfen, der Julia Hilara und des Rennius Firmus auf dem Nonnberg zu Salzburg. In Salzburg haben sich noch die Katakomben des hl. Maximus im Mönchsberg'erhalten, wogegen ein wundervolles Bronzeepitaph des christlichen Presbyters Theodosius für seinen Bruder Valerius mit Porträt und Symbolzeichnungen ins Ausland kam. Einige ganz besondere frühchristliche Altertümer sind aus Ovilava und Lauriacum erhalten. In Ovilava stand das Monument, das der noch heidnische Soldat Flavius Januarius seiner christlichen Gattin Ursa setzte, dessen Text besagt: „Flavius Januarius hat das Denkmal zu seinen Lebzeiten errichtet. Im Grabe ruht hier Ursa, eine gläubige Christin von 38 Jahren. Aus dem Wochenbett wurde sie durch ein böses Schicksal plötzlich in die Tiefe des Tartarus geschleudert und verließ mich, ihren jugendlich angetrauten Gatten. Nun irre ich Armer umher und ;uche sie, die ich selbst in die ewige Erde gebettet habe ...“ Nahe Lauriacum birgt die alte Krypta der Stiftskirche von St. Florian noch das Grab der christlichen Witwe Valeria, die den Leichnam des hl. Florian bestattete, und auf dem Boden der einstigen Hauptstadt Ufernori-cums und Bischofsstadt Lauriacum selbst fand man einen christlichen Grabstein mit zwei' Delphinen aus Weißmarmor, einen Schlüssel mit Kreuzzeichen und Fibeln mit Kreuzornamenten. An der Stelle der Bischofsbasilika steht heute noch die alte St.-Laurenz-Kirche.

Auf der Römerstraße, die von Lauriacum nach Osten führte, kam in der Notzeit der Völkerwanderung der hl. Severin als Helfer, Tröster und geistiger Wegweiser Noricums. Er zog, wie sein Schüler und Biograph Eugippius bezeugt, jahrelang auf den Römerstraßen unserer Heimat durch das Gebiet von Österreich; lehrend, helfend, warnend.

'Was er an Glauben, Sitte und Bekenntnis längs dieser Straßen vorgefunden, berichtet ausführlich die „Vita Severini“ von Abt Eugippius von Lucullanum. Sie dünkt uns Heutigen wie eine Mahnung, das, was der große norische Apostel vorfand, stärkte und befestigte, solange zu erhalten, als noch Erinnerungen an jene Straßen leben, auf denen einst das Christentum zum erstenmal in unsere Heimat kam.

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