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Abschied vom Pfaffenberg

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„Der Original-Pfaffenberg ist kaputt!” seufzt Univ.-Doz. Werner Jobst vom österreichischen Archäologischen Institut. Das bedeutendste antike Bergheiligtum auf österreichischem Boden, gleichsam „die Akropolis von Carnuntum”, kann aus finanziellen, sozialen und arbeitspolitischen Gründen nicht an Ort und Stelle erhalten werden (vgl. FURCHE 2/1980). Der Steinbruch der Hollitzer-Baustoffwerke, der aus den genannten Gründen nicht stillgelegt werden konnte, hat sich bereits tief in den Pfaffenberg hineingefressen, das Heiligtum ist praktisch zerstört.

Wissenschaftlich sind die Funde vom Pfaffenberg erfaßt und aufgearbeitet, jetzt geht es - so Dozent Jobst — „um eine Erhaltungsmöglichkeit an anderer Stelle, damit die Erinnerung an dieses für das Verständnis von Carnuntum so wichtige Heiligtum nicht verlorengeht”.

Wie könnte eine solche Lösung, die natürlich kein vollwertiger Ersatz für den Originalplatz auf dem Pfaffenberg wäre, aussehen?

Gegenwärtig wird die Einrichtung eines Freilichtmuseums auf dem Kirchenberg am Fuße des Pfaffenberges in Deutsch-Altenbürg diskutiert. Dort sollten nicht nur Bildwerke, Statuen und Weihebilder, sondern auch der Ruinenbestand in Originalgröße aufgestellt werden. Die Hollitzer-Baustoffwerke, denen auch das dafür vorgesehene Grundstück gehört, würden dieses zu diesem Zweck kostenlos zur Verfügung stellen.

Der Kirchenberg liegt etwa 100 Meter tiefer als der Pfaffenberg und einige hundert Meter von diesem entfernt. „Natürlich gehen der siedlungs- und religionsgeschichtliche Bezug bei einer Neuaufstellung der Objekte verloren”, betont Werner Jobst, der aber anderseits darauf verweist, daß die Translozierung von Ruinen in der modernen Archäologie oft praktiziert wird. Beispiele dafür sind Abu Simbel in Ägypten, die Ära Pacis in Rom oder die Akropolis in Athen, wo aufgrund der Umweltverschmutzung bereits einzelne Teile abgetragen werden.

Massive Unterstützung für die diskutierte Erhaltungsform bedeuten auch auswärtige Stellungnahmen von einschlägigen Institutionen in Deutschland. „Die Rechnung ist aber noch ohne den Wirt gemacht”, sagt Jobst, denn zunächst gilt es, jenen Betrag in Millionenhöhe aufzubringen, zu dem die Funde vom Pfaffenberg vom Grundeigentümer zum Kauf angeboten werden. Diese Summe müßte das Land Niederösterreich aufbringen, das jetzt am Zug ist.

Die Einrichtung eines solchen Freilichtmuseums wäre schön ein großer Fortschritt, da bisher, wie Werner Jobst beklagt, im Raum Deutsch Altenburg „keine einzige Ruine sichtbar gemacht” wurde. Schon vor 100 Jahren hatte es der Altertumsforscher Theodor Mommsen unverständlich gefunden, daß man einen Platz wie Carnuntum nicht zielbewußter erforschte.

Dafür fehlen aber leider auch heute noch die Mittel und oft auch das Verständnis. Das Bundes-denkmalamt ist weder personell noch finanziell in der Lage, besondere Unterstützung zu leisten. Die Gemeinden scheinen eher an der Errichtung neuer Wohnungen als an der Erhaltung antiker Ruinen interessiert. Und Teile der

Bevölkerung betätigen sich lieber selbst „archäologisch”, verheimlichen dann die Funde und verkaufen sie mitunter — was verboten ist — ins'Ausland.

„Dabei bleiben jedem Finder seine Eigentumsrechte an einem Fund erhalten, er müßte ihn nur zur wissenschaftlichen Bearbeitung freigeben”, wie Manfred Kandier vom Österreichischen Archäologischen Institut erläutert.

Inzwischen müssen auch Kandier, der 1981 einen Kultbezirk ausgegraben hat (FURCHE 12/1982), und Herma Stiglitz, die schon vor Jahren ein hochinteressantes Au-xiliarkastell entdeckt hat (FURCHE 2/1980), um die Erhaltung der wesentlichsten Teile ihrer Ausgrabungen bangen.

Nicht nur für Kandier steht fest, daß „wir- mit Carnuntum einen irrsinnigen kulturhistorischen Schatz haben, der nicht nur wissenschaftliches, sondern auch kulturpolitisches Kapital darstellt”.

Statt entsprechende Unterstützung für ihre Arbeit oder wenigstens eine gezielte fremdenverkehrsmäßige Erschließung dieses Gebietes zu erleben, müssen die Forscher aber ohnmächtig den teilweisen Ausverkauf von Carnuntum ins Ausland oder die Zerstörung unwiederbringlicher Kulturgüter mitansehen.

In der gegenwärtigen Situation erscheint ein nationaler Fonds zur Erhaltung von Kulturdenkmälern nach Schweizer oder britischem Vorbild (FURCHE 18/1980) nicht nur erwägenswert, sondern bitter notwendig.

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