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Schützen und erhalten fur die Zukunft

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Spektakuläre Stiftsrenovierungen, aber Wiener Kirchen des Historismus verfallen, ein neu gefärbelter Turm von Stift Dürnstein, aber das Purkersdorfer Sanatorium Josef Hoffmanns verrottet -auch die 110 Millionen Schilling von heuer sind zu wenig.

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Spektakuläre Stiftsrenovierungen, aber Wiener Kirchen des Historismus verfallen, ein neu gefärbelter Turm von Stift Dürnstein, aber das Purkersdorfer Sanatorium Josef Hoffmanns verrottet -auch die 110 Millionen Schilling von heuer sind zu wenig.

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Schutz, Erhaltung und Pflege der hervorragenden Denkmale unserer Heimat inmitten des Lebensraumes Europa gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit — in künstlerischhandwerklicher, in restauratorischer, vor allem heute auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Das Denkmalschutzgesetz betrachtet als Denkmal alle von Menschen geschaffenen unbeweglichen und beweglichen Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung. Dennoch steht nicht jedes Denkmal wegen dieser seiner Eigenschaften unter Denkmalschutz: nur wenn seine

Erhaltung im „öffentlichen Interesse“ liegt, erfolgt eine Unterschutzstellung.

Die Auswahl von Denkmälern für die Unterschutzstellung ist nicht auf Spitzenbeispiele österreichischer Kunst und Geschichte beschränkt. Alles,was an historischen Zeugnissen geeignet ist, ein anschauliches Bild vom Werden und von den Leistungen der Menschen zu vermitteln, gehört zum Interessenbereich der Denkmalpflege. Die Zeugnisse aus der Geschichte der Dörfer und Städte, der sozialen Entwicklung und der Technik gehören ebenso dazu wie neben Schlössern, Kirchen und Klöstern die überlieferten Werke der Plastik und der Malerei und des Kunsthandwerks.

Gemeinsam ist allen Denkmalen, daß das Dokumentarische den praktischen Nutzen oftmals überstrahlt. Ob noch heute mit dem urgeschichtlichen Hakenpflug gepflügt, mit dem ersten Automobil gefahren und ein gotisches Rathaus von der Verwaltung benutzt werden kann, ist belanglos. Entscheidend ist vor allem, daß das Objekt auf glaubwürdige und einprägsame Weise hier und jetzt seine Bedeutung kundtut: der Pflug eine primitive Art des Ackerbaus veranschaulicht, der Markus-Wagen eine Pioniertat der modernen Technik vor Augen führt, das Rathaus an die Geschichte einer Stadt erinnert und ihre politische Einrichtung vergegenwärtigt.

Zu unserem heutigen Denkmalbegriff gehören neben der Vielzahl einzelner Denkmale (Denkmäler sind nur Statuen und so weiter) auch Ensembles — also Gruppierungen von Baulichkeiten, Platzanlagen und Straßenzügen —, und zwar auch dann, wenn nicht jede einzelne dazugehörige bauliche Anlage für sich allein die Voraussetzungen eines geschützten Denkmales erfüllt, aber die Platzanlage oder der Straßenzug insgesamt erhaltenswürdig ist.

Letztlich fallen unter den Begriff „Denkmal“ auch Sammlungen von beweglichen Gegenständen, wenn sie wegen ihres Zusammenhanges ein einheitliches Ganzes bilden und ihre Erhaltung wegen dieses Zusammenhanges im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Bei einem Objekt, das sich im Privateigentum befindet, wird die Denkmal- und Erhaltungswürdigkeit nach Durchführung eines eingehenden Ermittlungsverfahrens durch einen Bescheid des Bundesdenkmalamtes festgestellt. Das Denkmalschutzgesetz kennt aber auch eine vermutete Denkmal- und Erhaltungswürdigkeit, nämlich bei Objekten,die im Eigentum bestimmter juristischer Personen (des Staates, der Kirche, von Kammern und so weiter) stehen.

Bei einem solchen Denkmal kann der Eigentümer, da es sich nur um eine kraft Gesetzes vermutete Denkmaleigenschaft handelt, jederzeit an das Bundes-denkmalamt einen Antrag auf Feststellung richten, ob tatsächlich ein öffentliches Interesse an der weiteren Erhaltung (NichtZerstörung) des betreffenden Objektes besteht.

Denkmalschutz und Denkmalpflege sind ein schwieriges Geschäft, weil bei vielen Eigentümern von Kulturdenkmalen oftmals die Bereitschaft fehlt, Einschränkungen oder zusätzlichen Aufwand aus Gründen der Denkmaleigenschaft ihres Besitztums in Kauf zu nehmen.

Richtig ist wohl, daß nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes die Zerstörung eines unter Denkmalschutz gestellten Objektes sowie jede Veränderung an ihm, die seinen Bestand, eine überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte, der schriftlichen Bewilligung des Bundesdenkmalamtes bedarf. Damit ist aber den Verfügungsmöglichkeiten des Eigentümers keineswegs jeglicher Boden entzogen.

Das erste Ziel des Denkmalschutzes ist immer die Erhaltung eines Objektes, doch muß dazu auch die Sorge uift eine Nutzung gerechnet werden, die den Bestand sichert und trotzdem den Bedürfnissen der heutigen Zeit gerecht wird. Da Denkmale regelmäßig auf Nutzung angelegt sind, geraten sie beim Absinken des Gebrauchswertes in Nutzungskonflikte. Diese müssen dann in sorgfältiger Abwägung der Werte und Interessen gelöst werden.

Einmal können sich in der alltäglichen Nutzung des Baudenkmals im Vergleich zur Nutzung etwa eines funktionsgerechten Neubaus erhebliche Erschwernisse ergeben. Zum anderen könnte eine neue Nutzung Umbau- und Renovierungsmaßnahmen voraussetzen, die das denkmalpfle-gerische Gewicht des Baudenkmals spürbar vermindern würden. Es ist daher die größtmögliche Optimierung von materiellen und ideellen Werten anzustreben: Dieser für alle Lebensbereiche wichtige Prozeß bestimmt unseren Umgang mit Denkmalen.

Nicht das Verhindern jeglicher Veränderung, also etwa der Schaffung von modernen Heizungen oder sanitären Anlagen, bestimmt die Tätigkeit des Denkmalpflegers. Der Geist, der stets verneint - um Goethes Mephisto zu zitieren -, ist sicherlich ein schlechter Denkmalschützer. Vielmehr müssen immer wieder Lösungen gefunden werden, die einen vertretbaren Ausgleich zwischen den Einzelinteressen des Denkmaleigentümers und den öffentlichen Anliegen des Denkmalschutzes bringen.

Am Rande sei noch vermerkt, daß das (oftmalige) „Angebot“ von abbruchwilligen Dankmaleigentümern, baukünstlerisch oder wissenschaftlich besonders interessante Bestandteile eines Gebäudes vor dessen Abbruch auszubauen und andernorts der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder aber, eine „genaue Kopie“ wieder herzustellen, abgelehnt werden muß. Denn der denkmalpflegerische Wert eines Objekts erschöpft sich eben nicht in einzelnen baulichen Details, sondern wird wesentlich geprägt durch die historische Identität des Gebäudes in seiner Gesamtheit und in seinem gesellschaftlichen Bezug zu seinem Umfeld.

In Osterreich befinden sich derzeit etwa 80.000 denkmalgeschützte Gebäude und einige tausend Kleindenkmale (wie Bildstöcke und so weiter) im Besitz juristischer Personen und rund 7500 bereits erfaßte im Privateigentum. Für ein Land mit 7,6 Millionen Einwohnern ist das eine gewaltige Zahl (im Vergleich dazu besitzt die Schweiz nur etwa 8000 Baudenkmale insgesamt).

Die Förderungsausgaben des Bundes sind für das Jahr 1989 mit fast 110 Millionen Schilling veranschlagt. Trotzdem müssen Denkmalschützer und Denkmalpfleger, die ihre Aufgaben ernst nehmen, immer noch finanzielle Engpässe beklagen. Ihr kostenintensiver Arbeitsbereich kann nicht wirklich als ausreichend dotiert betrachtet werden. Damit ergibt sich zwangsläufig, daß der Kampf gegen den Verfall zur strengen Selektion der Vorhaben nach Prioritäten zwingt. Diese Aufgabe kann nur init persönlichem Engagement und schöpferischen Kräften gelöst werden.

Erhalten und Pflegen von Denkmalen sind keine rückwärtsgewendeten Aufgaben, sie sind auf Gegenwart und Zukunft gerichtet. Denkmalpflege und Denkmalschutz, seit Jahren immer wieder in öffentlichen Diskussionen genannt, heißt heute, die Erhaltung der gebauten Umwelt des Menschen für weitere Generationen sicherzustellen in der Form, in der sie entstand; kultureller Besitz und damit Reichtum eines Volkes entsteht nicht in einem Menschenalter. Thomas Mann hat dafür eindrucksvolle Worte geprägt: „Erben zu können, das ist es, was wir Kultur nennen“.

Der Autor ist Präsident des Bundesdenkmalamtes.

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