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Wer hat einen rechtlichen Anspruch auf Kostenersatz

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Das Wissenschaftsministerium arbeitet an seinen Gegenvorschlägen an die Kirche in Sachen Denkmalschutz, kündigte Minister Hertha Firnberg in einer Pressekonferenz an. Sie wiederholte, was sie schon vorher angekündigt hatte: Sie werde dem Parlament vorschlagen, die Novelle zum Denkmalschutzgesetz nur bei Zustimmung der Kirche zu realisieren.

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Das Wissenschaftsministerium arbeitet an seinen Gegenvorschlägen an die Kirche in Sachen Denkmalschutz, kündigte Minister Hertha Firnberg in einer Pressekonferenz an. Sie wiederholte, was sie schon vorher angekündigt hatte: Sie werde dem Parlament vorschlagen, die Novelle zum Denkmalschutzgesetz nur bei Zustimmung der Kirche zu realisieren.

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Im übrigen sei eine Annäherung der Standpunkte in den finanziellen Fragen noch nicht in Sicht, ergänzte die Ressortchefin. Die von der Kirche angeregte Schaffung eines Denkmalschutzfonds hätte nur wieder zur Folge, daß öffentliche Gelder bereitgestellt werden müßten. Ein zweiter Wunsch der Kirche, gesicherte Zuwendungen für die Erhaltung der Baudenkmäler zu erhalten, sei ebenfalls kaum erfüllbar. Die geforderte Ein- und Abgrenzung des wirtschaftlich Zumutbaren an den Eigentümer geschützter Objekte werde zur Zeit studiert. Keine Schwierigkeiten werde es aber bei der Forderung der Kirche geben, daß auch bei denkmal- geschützten Objekten Umbauten nach liturgischen Notwendigkeiten vorgenommen werden dürfen.

Soweit die Ministerin. Kirchliche Sprecher in Sachen Denkmalschutz betonten hiezu, daß sich die Kirche stets zum Prinzip des aktiven Denkmalschutzes bekannt habe - doch lasse sie sich jetzt nicht gern den schwarzen Peter zuschieben. Man werde nur dann der Novelle zustimmen, wenn auch der Staat seinen guten Willen zeige.

Bisher nur freiwillig

Bisher gab es im Denkmalschutz nur die Pflicht, ein Denkmal nicht zu zerstören, jedoch keine qualifizierte Erhaltungspflicht. Die Erhaltung beruhte auf Freiwilligkeit, auf dem guten Willen des Eigentümers - und der öffentlichen Hand, die mitunter einen Teil der Kosten übernahm. Der vorliegende Gesetzentwurf verpflichtet den Eigentümer zur Erhaltung. Das veran- laßte die Juristen zu der Frage, ob dies mit dem verfassungsmäßig verankerten Eigentumsschutz vereinbar sei. Der Verfassungsgerichtshof kam in einem Verfahren um das Wiener Altstadterhaltungsgesetz zur Auffassung, daß die vom Denkmalschutz geforderten Beschränkungen des Verfügungsrechtes mit der Verfassung vereinbar seien. Dort ging es um Teile von Ensembles - um so mehr müßte es auch beim Schutz von Denkmälern selbst gelten, auch wenn sie nicht Teil eines Ensembles sind.

Diese Zusammenhänge untersucht nun auch die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in einer umfangreichen Studienarbeit „Der neue’ Entwurf einer Novelle zum Denkmalschutzgesetz“. Darin heißt es nach einem Überblick über die in anderen Ländern geltenden Rechtsbestimmungen, am wünschenswertesten wäre es, jedem, der durch Maßnahmen des Denkmalschutzes einen Vermögensnachteil erleidet, einen Rechtsanspruch auf vollen Ersatz dieses Nachteils aus öffentlichen Mitteln einzuräumen. Das wäre aber angesichts der finanziellen Möglichkeiten utopisch. Die Novelle enthalte jedoch eine Lösung von besonders restriktiver und sachfremder Härte.

Das Wiener Altstadterhaltungsgesetz

Die Arbeit verweist dann auf den Bescheid des Verfassungsgerichtshofes im Verfahren um das Wiener Altstadterhaltungsgesetz, wonach die Behörde bei der Anordnung positiver Erhaltungsmaßnahmen die wirtschaftliche Zumutbarkeit zu überprüfen habe. Nur unter dieser Voraussetzung würden die vorgesehenen Verpflichtungen nicht gegen die Verfassung verstoßen. Die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ ist auch danach zu beurteilen, wieweit die dem Eigentümer auferlegten aktiven Erhaltungsmaßnahmen ihm später einen höheren Nutzen versprechen und daher wirtschaftlich sind. Es wird hiebei ausdrücklich die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ herausgestellt, nicht die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ des Eigentümers. Wirtschaftliche Zumutbarkeit besteht aus Gründen, die ausschließlich mit dem Denkmal, nicht mit der Person des Eigentümers und seinen Vermögensverhältnissen verbunden sind.

Der Eigentumsschutz würde jedoch verletzt, wenn der Staat dem Eigentümer eines Denkmals die volle Verpflichtung zum Tragen der Kosten auferlegte, die lediglich im Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung eines Denkmals aufgewendet werden. Anderseits dürfen die Ersatzansprüche nur nach sachlichen Gesichtspunkten differenziert sein - also etwa nach dem Grad der geschichtlichen oder kulturellen Bedeutung des

Denkmals, den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten seiner Instandhaltung und der Höhe der für die Denkmalpflege aufgewendeten Mittel.

Die Novelle beschränkt jedoch nun den Ersatzanspruch auf Kosten, die zur Erhaltung eines zu einem Ensemble gehörenden Objekts aufgewendet werden, obwohl die Bedeutung bestimmter Einzeldenkmäler deren Erhaltung viel wichtiger erscheinen läßt Ferner sollen nur jene Kosten ersetzt werden, die zu tragen der Eigentümer „nicht in der Lage“ ist. Damit wird die Beteiligung der öffentlichen Hand an im öffentlichen Interesse erwachsenden Kosten von den Eigentums- und Vermögensverhältnissen des jeweiligen Eigentümers abhängig gemacht. Dies aber widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz.

Anderseits läßt die Novelle Transaktionen zu, mit denen Objekte in Ensembles Personen ohne Vermögen übertragen werden könnten. Diese könnten dann die Hilfe der Allgemeinheit zur Erhaltung des Objekts in

Anspruch nehmen und später ohne Refundierung den wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen.

Schließlich sei es unbegreiflich, meint die Studie weiter, warum eine Pfarre ihr letztes Vermögen zur Renovierung einer frühromanischen, abseits gelegenen und deswegen gottesdienstlich nicht mehr verwendeten Kirche ohne Anspruch auf Erstattung einsetzen soll, wenn gleichzeitig eine an und für sich wertlose Fassade aus dem 19. Jahrhundert nur deswegen - mit öffentlicher Hilfe - erhalten werden muß, weil eine modernere an ihrer Stelle in ein altes Ensemble noch weniger passen würde.

Gegenstand des Ersatzanspruches wird nur in Extremfallen der ganze Erhaltungsaufwand sein - etwa bei Gedenksäulen oder Wegkreuzen. Die Restaurierung von Gebäuden wird meist auch dem Eigentümer einen Nutzen bringen, der bei der Ersatzleistung abgerechnet werden müßte. Dies zu berechnen, gäbe es mehrere Möglichkeiten, schlägt die SWA vor.

So könnte festgelegt werden, daß alles zu ersetzen sei, was über die normalen Erhaltungskosten eines nichtgeschützten Objekts hinausgeht. Es könnten aber auch Abzüge gemacht werden, die dem höheren Nutzen nach einer Restaurierung entsprächen. Es sei nicht Aufgabe der Allgemeinheit, etwa dem Eigentümer eines kunsthistorisch bedeutenden, aber verfallenen Gebäudes eine neue Einnahmsquelle zu verschaffen, indem die Kosten der Restaurierung ersetzt werden, wenn nachher durch vermehrte Eintrittsgelder oder die Verwendung als Schloßhotel dem Eigentümer vermehrte Einnahmen zukommen.

Nicht nur der Bund, auch die Länder und Gemeinden haben ein lebhaftes Interesse am Denkmalschutz und beteiligten sich auch bisher schon - wenn auch ohne Rechtsansprüche - an den Kosten. Daher sollte auch im Gesetz verankert werden, daß sich Bund, Land und Gemeinde zu gleichen Teilen an den Ersatzleistungen beteiligen.

Die Studie zitiert schließlich einen Ausspruch Max Dvoraks: „Alles, was die Kunst geschaffen hat, ist ein kostbares Produkt und Gut geschichtlicher Entwicklung, dessen Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit gelegen ist und jedem einzelnen, den Gemeinden und Völkern, der Kirche und dem Staat bestimmte Pflichten auferlegt.“

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