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Korruption, die ich meine

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Das Bundesministerium für Justiz hat einen Gesetzentwurf vorbereitet: das Antikorruptionsgesetz, über das in der Regierung keine Einigung erzielt werden konnte. Im Gesetzentwurf sollen die geschäftliche Untreue, die aktive und passive Bestechlichkeit von Personen, die im Namen öffentlicher Unternehmungen handeln und bestimmte Formen der Intervention zum Gegenstand von Strafmaßnahmen gemacht werden. Der Begriff „Korruption“ selbst wird nicht definiert, sondern ist offenkundig dem politischen Jargon entnommen, der leider nicht selten davon ausgeht, daß Korruption eben das ist, was der Gegner tut.

Die Delikte, die das A tikorrup- tionsgesetz unter Strafe stellen soll, sind:

• die geschäftliche Untreue;

• die Geschenkannahme durch vertretungsbefugte Personen, die im Dienst von öffentlichen Unternehmungen stehen und keineswegs leitende Angestellte sein müssen. Ob das Geschenk dem Funktionär selbst zufließt oder einer anderen Person (Einrichtung!), soll ohne Belang sein;

• die Bestechung von Funktionären öffentlicher Unternehmungen;

• die „verbotene Intervention“, das sogenannte „Lobby“, eine Art von gewerbsmäßigen Protektionismus.

Das Strafausmaß kann je nach Schwere des Deliktes bis zu drei Jahren Arrest gehen.

Der Entwurf zu einem Antikorruptionsgesetz wird vom Bundesministerium für Justiz damit begründet, daß sich Personen, die über öffentliches Vermögen auftragsgemäß disponieren, faktisch in gleicher Position befinden wie Beamte der Gebietskörperschaften. Bisher war es nicht möglich gewesen, jene Fälle strafrechtlich zu erfassen, die den Straftatbeständen des Gesetzentwurfes entsprechen.

Wenn zwei dasselbe tun

Das wirtschaftliche Potential jener Unternehmungen, die sich in Österreich im Eigentum von Gebietskörperschaften befinden, ist außerordentlich groß und der Einfluß der Manager der Gemeinwirtschaftsbetriebe stellt, mehr als der jedes Sektionschefs, geradezu eine Machtakkumulation im Sinne marxistischer Vorstellungen dar. Ein Großteil unseres Volksvermögens, die Mehrheit des Kapitals der österreichischen Aktiengesellschaften, wird heute von Personen verwaltet, die in einem einfachen Vertragsverhältnis zum Eigentümer, der Republik, stehen. Für einen beachtlichen Teil der wirtschaftlichen Substanz unseres Landes fehlt daher der interessierte persönliche Eigentümer, jener trotz allen Auswüchsen noch immer gesunde Egoismus, der nicht allein auf Gewinn, sondern auch auf Sicherung der ökonomischen Substanz des Unternehmens bedacht ist. Zu der Tatsache, daß die Sorge um das einzelne öffentliche Unternehmen zwar durch arbeitsvertragliche Bestimmungen, nicht aber durch die menschliche Natur aufgetragen ist, kommt noch, daß die Auswahl der Verwalter öffentlichen Eigentums zuweilen nicht nach fachlichen Gesichtspunkten erfolgt, sondern auf Grund sachfremder Merkmale. Auf diese Weise ist im Wirtschaftsbereich Österreichs der Typ des Polit-Managers entstanden, der oft bedacht sein muß, hohen Protektoren seine Dankesschuld zu Lasten jenes Unternehmens abzustatten, für das zu sorgen ihm aufgetragen wurde.

Einzelne Handlungen, die jeden, der Beamter im Sinn des § 101 STG ist, um Freiheit und Brot bringen würden, waren bisher, wenn es sich um Funktionäre öffentlicher Unternehmungen handelte, straffrei. Dadurch, daß es für einzelne Delikte, die wir „Korruption“ zu nennen pflegten, eine Art rechtsleeren Raumes gegeben hat, kam es zu einer ungleichen Behandlung der Staatsbürger. Was dem kleinen Briefträger verboten war, mußte dem Herrn Generaldirektor „zähneknirschend“ gestattet werden.

Vom sittlichen wie vom volkswirtschaftlichen Standpunkt muß daher der Entwurf des Gesetzes begrüßt werden. Gutzuheißen ist besonders, daß auch das Vorgehen der „pres sure groups“, das demonstrative Einsetzen von „Lobbyists“, von gewerbsmäßigen Intervenienten, unter Straf Sanktion stellen lassen will; hier taucht freilich die Frage auf, ob es nicht etwa auch die Aufgabe der Mandatare ist, zu intervenieren, zu welchem Zweck sie sogar honoriert werden.

Da der Gesetzgeber jeden Rigorismus zu vermeiden beabsichtigt, kleinere Vergehen sogar ausdrücklich straffrei erklärt, müßte man fürs erste mit dem Vorschlag des Justizministers, das heißt der SPÖ, einverstanden sein und „freudig mit Ja“ stimmen. Aber

Mit dem Vollzug des Gesetzes ist nun einmal der Justizminister befaßt. Da es sich aber bei ihm nicht um einen „Justizkanzler“, sondern um einen Parteipolitiker handelt, müßte also eine Person das Gesetz durchführen und auf den einzelnen Fall anwenden, die unter Umständen auch gezwungen wäre, gegen die eigene Partei strafrechtliche Maßnahmen in Gang zu setzen und dies vielleicht sogar während eines Wahlkampfes! Kann man eine solche perfekte und in bestimmten Situationen geradezu selbstmörderische Objektivität einem Parteipolitiker zumuten?

Ohne Kläger kein Richter

Die Richter sind unabhängig. Nicht aber die Anklagebehörden. Wo kein Kläger, da kein Richter!

Ob ein „Geschenk“ es im Sinne dieses Gesetzes ist oder nicht, ob der Erhalt einer Gemeindewohnung oder die Finanzierung einer „Besichtigungsreise“ unter Strafsanktion zu stellen ist oder lediglich den Cha-

rakter einer „Anerkennung“ hat, das alles entscheidet kein der Parteipolitik entzogenes oberstgerichtliches Gremium, sondern ein politischer Funktionär, der nun einmal seiner eigenen Partei, die ihn zum Minister gemacht hat, auch zur Treue verpflichtet ist.

Fragen, Fragen

Daher unsere Fragen:

• Wer garantiert dafür, daß nicht das Gesetz dem Instrumentarium des politischen Machtkampfes einverleibt und auch zum Abschlachten eines Gegners verwendet wird, den man in der Mitte eines Wahlkampfes mit Polizei und Staatsanwälten zu Paaren treibt, rücksichtslos, auch wenn sich die Haltlosigkeit der Beschuldigungen herausstellt? Der Rufmord ist in Österreich geradezu gesetzlich geschützt. Beschuldigungen erhalten größte Publizität, nicht aber die Nachricht von der Einstellung eines Strafverfahrens. Wie kann nun verhindert werden, daß der gleiche Tatbestand verschieden gewertet werden kann? Die ÖVP hat ihr Interesse vor allem jenen Ressorts zugewendet, die ihr von volkswirtschaftlicher Bedeutung zu sein scheinen. Daher kann sie nun, da Polizei und Justiz von ihren Gegner befehligt werden, das Gesetz, das sie nun einmal schon aus optischen Gründen beschließen muß, zu spüren bekommen.

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