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Kuschen und zahlen?

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Wenn gemeinwirtschaftliche Unternehmungen Gewinne erzielen, so sei dies erfreulich, doch sei dies nicht ihre primäre Aufgabe, erklärte Bürgermeister Gratz dieser Tage, im Hinblick auf den Bauring-Skandal.

Hätte dieses kommunale Bauunternehmen ohne Gewinn Spitäler, Schulen und Wohnhäuser errichtet, dem Bürgermeister wäre zuzustimmen. Womit, wenn überhaupt, kann aber der Bau eines Militärflughafens in Saudi-Arabien gerechtfertigt werden, außer mit der Erwartung von Gewinn? In diesem Zusammenhang sich darauf zu berufen, daß gemein-wirtschaftliche Unternehmungen nicht gewinnorientiert seien, wirkt wie Hohn.

Was da beim Bauring der Stadt Wien passiert ist, stellt wohl den schlimmsten Skandal der Zweiten Republik dar, der die bisherigen Wiener Skandale — von den Fleischbänken bis zur Stadthallenvertriebs-gesellschaft — noch bei weitem übertrifft. Nach den bisherigen Eingeständnissen wurden beim saudiarabischen Militärflughafenprojekt mindestens 870 Millionen Schilling Verlust „erwirtschaftet“ — also nahezu eine Milliarde —, und das mit Geldern, die dem Steuerzahler aus der Tasche gezogen wurden, und mit denen man — unter Einbeziehung der Wohnbauförderung und anderer Erleichterungen — zirka 3000 Wohnungen in Wien hätte bauen können.

Natürlich, so beteuert man uns jetzt, wollten die Wiener Stadtväter dem Steuerzahler sparen helfen. Der Bauring sei ja gegründet worden, um die Profite, die die privaten Unternehmer aus der öffentlichen Bautätigkeit einstreichen, zu ersparen.

Ein löbliches Vorhaben. Nur hat noch niemand gehört, daß dank der Aktivität dieser kommunalen Baufirma das Bauen in Wien billiger geworden wäre.

Im hellsten Licht rathäuslicher Gnadensonne prosperierte der Bauring, fielen ihm doch — unbehelligt von Konkurrenzangeboten — die fettesten Auftragsbrocken zu. Seine Leiter fühlten sich dementsprechend als große Manager, die die Erfolge privater österreichischer Baufirmen in der Levante nicht mehr ruhen ließen.

Da Geld bekanntlich nicht stinkt, bewarben sie sich um den Bau eines Militärflughafens in Saudi-Arabien. Offenbar mit keinen anderen Lokalkenntnissen ausgestattet als denen, wie man im Nahen Osten Schmiergelder verteilt, ließen sie die primiv-sten Kautelen beim Vertragsabschluß außer acht: unbeschadet der globalen Inflation wurde zu Fixpreisen abgeschlossen; der Bauring verpflichtete sich großzügig, Maschinen und Fahrzeuge der einheimischen Subkontra-henten gratis zu reparieren, ohne sich dagegen abzusichern, unter diesem Titel den gesamten kaputten Wagen- und Maschinenpark der arabischen Halbinsel instand setzen zu müssen; und man kalkulierte die Kosten einer Zufahrtsstraße so, als führte sie durch die Ebene. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, einen Blick auf die Karte zu werfen und festzustellen, daß diese Straße ein Felsmassiv durchbrechen muß.

Hätte ein privater Unternehmer so sträflich leichtsinnig gehandelt, der Konkurs — und womöglich einige Prozesse wegen Fahrlässigkeitsdelikten — wären sein gerechter Lohn gewesen. Bei einem Kommunalbetrieb herrschen weniger rauhe Sitten: die Spitzenmanager werden aus der Schußlinie gezogen, ein paar Personen ausgetauscht — und im übrigen kommt der Steuerzahler für alles auf. Zur Sicherheit soll der ganze mit Steuergeldern sanierte Betrieb auch noch in eine kommunale Holding-Gesellschaft eingebracht werden, innerhalb deren sich künftig Pleiten besser vertuschen lassen.

Soll es immer so weitergehen? Mit beispielloser Frivolität werden öffentliche Gelder verwirtschaftet und der Untertan — zynisch als mündiger Bürger bezeichnet — Jcann kuschen und zahlen. Die Opposition rollt zwar, wenn ein solcher Fall zufällig auffliegt, wild mit den Augen, aber letzten Endes verläuft — es gibt da Präzedenzfälle — die ganze Sache schließlich dort, wo sich in Arabien schon nahezu eine Milliarde österreichischer Steuergelder verlaufen hat: im Sande.

Wenn die Volkspartei ihre viel proklamierte innere Reform glaubwürdig machen will, darf sie es nicht dazu kommen lassen, muß unerbittlich am Ball bleiben und es auch durch Anrufung von Rechnungshof und Gerichten der im Rathaus und auf dem Ballhausplatz regierenden Partei so schwer wie möglich machen, die ganze Angelegenheit durch Einsatz ihrer Mehrheit niederzuschlagen. Die ÖVP wird aber auch dafür sorgen müssen, daß die Recherchen Niveau haben.

Die Angelegenheit muß in ihrer Bedeutung als prinzipielles Problem erkannt werden. Auch wenn sich tatsächlich keine strafrechtlich verfolgbaren Tatbestände ergeben sollten, so ist die Sache noch lange nicht abgetan. Nicht die Verantwortlichen für die Bauring-Affäre wären damit gerechtfertigt, sondern es wäre nur die Unzulänglichkeit unserer Gesetze aufgezeigt, die zwar Funktionären, Beamten und Managern von gemeinwirtschaftlichen Betrieben nahezu unbeschränkte Verfügungsgewalt über öffentliche Gelder gewähren, nicht aber Verantwortlichkeiten und persönliche Haftungen — auch von Politikern — festlegen.

Hier könnte die Opposition legisti-sches Neuland betreten und ihren vagen Programmen schärfere Konturen verleihen, hier könnte ein Akt echter Demokratisierung geleistet werden: es genügt nicht, für Kontrolle durch gewählte Gremien zu sorgen, sondern es muß auch für Kontrolle der gewählten Gremien und von deren Beauftragten gesorgt werden.

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