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Es begann auf dem Zollfeld

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Seit dem zweiten Weltkrieg hat in Österreich das Interesse der breiten Öffentlichkeit an archäologischen Unternehmungen sehr zugenommen. Die (vorläufigen) Ergebnisse sichtlich erfolgreicher Grabungen wurden dem Publikum durch Presse, Rundfunk und populärwissenschaftliche Vorträge nahe gebracht. Es ist aber nur wenigen bekannt, daß diese Art von Forschungstätigkeit bei uns bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Es war Erzherzogin Marianna, eine Tochter Maria Theresias, die 1786 und 1787 die ersten Ausgrabungen auf dem Zollfeld veranstaltete, und seit dieser Zeit besteht in Österreich — wenigstens theoretisch — das Problem der Erhaltung und Konservierung des Bestandes an antiken Denkmälern.

Ein „antiquarisch gebildeter Edelmann”

Den gesellschaftlichen Verhältnissen des ausgehenden 18. Jahrhunderts entsprechend, war ein „antiquarisch” gebildeter Edelmann, Franz Graf Enzenberg, mit der Leitung dieses für die damalige Zeit kuriosen Unternehmens betraut worden. Wie in England, Frankreich, Italien, so waren es auch in Österreich vorwiegend die Mitglieder des Adels und der höheren Geistlichkeit, die sich mit Eifer der neuen Mode des Sammelns und des Studiums von Altertümern hingaben. In Schlössern und Stiften entstanden, gewissermaßen als Nachfolger der Kunst- und Wunderkammern des Mittelalters Kuriositätenkabinette, deren Münzen, Inschriftsteine und Skulpturen den Grundstock zu so mancher, heute berühmten Antikensammlung europäischer Museen bildeten. Um die baulichen Relikte der ersten mitteleuropäischen Geschichtsperiode, die Mauern und Gebäude der römischen Städte und Siedlungen, der Legionslager ©der der Kastelle kümmerte, marl sich wenig. Sie AfotmMiUit wi ttor sö’ Mt siö flicht tteiförhöch vffiiif’ier schützenden Erde lagen, als willkommener SteinbrUch oder zum Kalkbrennen.

Erst allmählich kristallisierte sich aus dieser Liebhaberei im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine neue Wissenschaft heraus, die ihre Mitarbeiter zumeist aus den Kreisen der Altphilologen und Historiker rekrutierte. Dieser Entwicklung wurde zunächst mit der Errichtung einer archäologischen Lehrkanzel im Rahmen der Wiener Universität und sodann im Jahre 1898 mit’ der Eröffnung eines Österreichischen Archäologischen Institutes Rechnung getragen. Einige Jahrzehnte früher hatte die „K. k. Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der kunsthistorischen Denkmale” ihre Tätigkeit aufgenommen, die heute vom Bundesdenkmalamt fortgesetzt wird.

Eine neue Gelehrtengeneration ging daran, dem Boden die in ihm verborgenen Dokumente unserer römischen Vergangenheit abzugewinnen. Als ein der Anerkennung würdiges Resultat steht heute, nach 80 Jahren der systematischen Forschung auf diesem Gebiet ein vielschichtiges Bild einer vor eineinhalb Jahrtausenden alühenden Zivilisation vor uns. Wir wissen um die autonomen Städte und andere Orte auf dem Boden des heutigen Österreich, die Befestigungen und Verteidigungslinien am südlichen Donauufer mit ihren Legionslagern Carnuntum, Vindobona und Lauriacum und zahlreichen Kastellen, die Reichsstraßen und Paßübergänge. Wir kennen die Religion unserer Vorfahren, ihre Tempel und sonstige Kultstätten, aber auch ihre Nekropolen; wir sind über den hohen Lebensstandard der fremden, aber auch der im Lande ansässigen Bevölkerung unterrichtet. Der Komfort der öffentlichen und privaten Bäder, die Heizanlagen der gemauerten Wohnhäuser, die Schönheit und Zweckmäßigkeit Her Mosaikböden und die Feinheit der Wandmalereien setzen uns immer wieder in Erstaunen. Doch nicht nur über den Lebensstandard und das Alltagsleben der Bewohner könnte man; Aufschluß gewinnen. Auch der historische Ablauf dieser; Epoche steht in großen Žàgen fest, und die innere Wandlung der Menschen vom Heiden- zum Christentum ist uns durch eine Reihe kostbarer Funde bezeugt.

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