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Dichter und Pädagoge

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GESAMMELTE WERKE. Von Adalbert Stifter. In sechs Dünndruckbänden mit zusammen 4628 Seiten. Insel-Verlag, Wiesbaden. Preis (Leinenausgabe) 110 DM.

Erfreulicherweise hat in den letzten Jahren eine Stifter-Renaissance eingesetzt, und diese zeigt sich rein äußerlich in der steigenden Zahl von Gesamt- und Textausgaben. Die Ausgabe des Insel-Verlages ist von dem bekannten Stifter-Forscher Dr. Max Stefl herausgegeben, der jeden Band mit einem textkritisch-literaturgeschichtlichen Nachwort versehen hat. Die editorische Mühe des Herausgebers war dabei nicht gering. Da die vorliegende Ausgabe in der heute gebräuchlichen Rechtschreibung gehalten ist, mußte der Text in dieser Hinsicht auf den gegenwärtigen Stand gebracht werden, ohne daß dabei der Sprache Stifters geschadet wurde. Viele Bände der herangezogenen historisch-kritischen Prager Ausgabe sind vor vielen Jähren erschienen, und in mancher Hinsicht ist die Forschung über die damals greifbaren Ergebnisse hinausgekommen. Es mußte daher auch die Literatur der letzten Jahrzehnte verwertet werden.

Die Insel-Ausgabe ist in folgender Weise gegliedert: Die ersten beiden Bände enthalten die „Studien“, Band 3 die „Bunten Steine“ und alle Erzählungen, die nicht schon von Stifter in Buchform her- ausgegeben worden sind. Die Romane „Nachsommer“ und „Witiko" bilden den 4. und 5. Band. Der 6. Band enthält die hauptsächlichen kritischen Schriften Stifters in künstlerischer und pädagogischer Hinsicht; sie sind für die Erfassung Stifters als Künstler und Pädagoge von besonderer Bedeutung.

Das äußere Bild der Ausgabe ist von edler Einfachheit. Das tiefgrüne Ganzleinen der Einbände, die sparsame Goldprägung. das warmgetönte gelbe Dünndruckpapier und die gewählte Schrift — sie vereinigen sich in glücklicher Weise zu einem klassizistisch-schlichten Ganzen. So entspricht die Ausgabe der Wesensart Stifters, würdig des Vermächtnisses eines großen Dichters und der Tradition eines großen Verlages.

BUNTE STEINE. SPÄTE ERZÄHLUNGEN. Von Adalbert Stifter. Herausgegeben von Max Stefl. Adam-Kraft- Verlag, Augsburg. 772 Seiten. Preis 15.80 DM.

Mit dem Erscheinen dieses Bandes ist die große Stifter-Ausgabe des Adam- Kraft-Verlages vollendet. In neun Bänden liegt das gesamte dichterische Werk einschließlich der Erzählungen in der Urfassung (siehe unten) vor. (Es darf in diesem Zusammenhang auf die Besprechungen der übrigen Bände in der „Furche“, Jahrgang 1959 und 1960, hingewiesen werden, in denen das Grundsätzliche dazu gesagt worden ist.) Auch der vorliegende Band zeigt die Vorzüge der Herausgeberschaft Max Stefls, der sich bei dieser Ausgabe denselben Schwierigkeiten in der Textgestaltung gegenübersah, wie sie oben bezüglich der Insel-Ausgabe dargestellt sind. Empfiehlt sich die Insel-Ausgabe vor allem als Leseausgabe, so ist die Kraft-Ausgabe mit ihren gewichtigen, soliden Bänden die Studienausgabe schlechthin, und sie wird auch in steigendem Maße für wissenschaftliche Arbeiten über Stifter benützt. Die sehr schöne Fraktur, in der die vorliegende Ausgabe gedruckt ist, macht den Besitz dieser Ausgabe zur besonderen Freude.

ERZÄHLUNGEN IN DER URFASSUNG. Von Adalbert Stifter. In drei Bänden herausgegeben von Max Stefl. Adam- Kraft-Verlag, Augsburg. 376, 392 und 352 Seiten. Preis 30.50 DM. (Auch einzeln beziehbar.)

Die vorliegenden Bände enthalten die gesamten Urfassungen Stifters. Heute hat sich die Erkenntnis über ihre sprachliche Bedeutung und ihre Wichtigkeit als Zeugnisse zur dichterischen Entwicklung Stifters allgemein durchgesetzt. Niemand würde heute gar eine Verunglimpfung des Dichters in der Veröffentlichung der „minderwertigen“ Urfassungen erblicken. Als Stefl in den zwanziger Jahren erstmals Urfassungen der „Studien“ und der „Bunten Steine“ herausgab. schrieb ein Kritiker unter anderem: „Jetzt entblödet man sich nicht, seinen Werken die Form auszubrechen Dreiste Hände vermessen sich jetzt, den Goldglanz wieder auszulöschen . . . Sein Lebenswerk soll nun erst wieder der Nation unterschlagen, sein reinstes Schaffen versudelt werden.. Der Kritiker hieß Hermann Bahr. Doch schon damals erkannten manche Kritiker die Bedeutung der Urfassungen. Josef Hochmiller schrieb: „Dieser ursprüngliche Stifter ist eine große Überraschung. Hier blüht alles. Hier leuchtet alles. Hier ist er ein Erlebnis. . .“ Und Alois Raimund Hein, der Verfasser von Stifters berühmter Biographie, äußerte sich: „Und nun wird es . .. viele echte Stifter-Freunde mit hohem Genuß erfüllen, die erste Fassung mit der späteren Ausgabe vergleichend zu lesen und dadurch die Wandlung zu verfolgen, welche sich im innersten Wesen des Dichters allgemach vollzog . ..“ Jetzt sind die Urfassungen aus Stifters Werk nicht mehr wegzudenken, und der Adam- Kraft-Verlag hat sie mit vollem Recht an seine große Gesamtausgabe angeschlossen.

DOCUMENTA PAEDAGOGICA AUSTRIACA. Von Adalbert Stifter. Zusammengestellt und mit einer Einleitung versehen von Kurt Gerhard Fischer. Oberösterreichischer Landes-

verlag, Linz. CIV + 676 Seiten. Preis 440 S.

Das pädagogische Wirken Stifters hat, im Gegensatz zu seinem dichterischen Werk, bisher noch nicht die ihm zukommende Aufmerksamkeit erfahren. Die vor einigen Jahren erfolgte Ausgabe der „Schulakten Adalbert Stifters“ in Auswahl von Max Vancsa war ein wesentlicher Schritt in dieser Richtung. An diese Veröffentlichung knüpft das vorliegende Werk an. Es enthält sämtliche bisher unveröffentlichte Aktenstücke aus den Jahren 1850 bis 1865, kritisch publiziert. Die von anderen Behörden und Personen stammenden Schriftstücke, welche sich gleichfalls auf die Schulakten beziehen, wurden zur Ergänzung beigefügt. Dazu kommt noch die grundlegende Einleitung, die jeder wird heranziehen müssen, der sich mit der Stifterschen Pädagogik eingehender befassen will. Das Werk ist, wie im Vorwort mit Recht betont wird, ein anspruchsvoller Beitrag zur österreichischen Bildungsgeschichte der Jahre 1850 bis 1865. In der vor nicht allzu langer Zeit herausgekommenen Festschrift zum 200jährigen Bestand der österreichischen Unterrichtsverwaltung wird in den Beiträgen der Universitätsprofessoren Hantsch und Meister, die sich mit der Zeit nach 1848 befassen, Stifter mit keinem Wort erwähnt. Es ist zu hoffen, daß die vorliegende Veröffentlichung dazu beiträgt, dem Pädagogen Stifter mehr Beachtung zu schenken als bisher. Die Documenta Paedagogica Austriaca werden für lange Zeit die Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit Stifter als Pädagoge bilden. Zu bedauern ist nur der hohe Preis, der einer weiteren Verbreitung eher hinderlich sein dürfte und es interessierten Studierenden der Pädagogik oder Germanistik kaum ermöglichen wird, das Werk anzuschaffen.

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