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„Aus goldenen Schüsseln..

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Seit Jahren hatten sich Freunde des Dichters, die zum Teil selber als Beamte in hohen Ämtern wirkten, um einen öffentlichen Ehrensold oder eine „Dichterpension“ bemüht, die Franz Stelzharners ständige wirtschaftliche Not beheben sollte. 1862 führten sie zu seinem 60. Geburtstag eine Geldsammlung durch, und zum Ende dieses Jahres bewilligte der oberösterreichische Landtag eine Rente von 400 Gulden jährlich. Zwei Jahre später schloß sich das Ministerium in Wien zur Auszahlung von 600 Gulden Jahrespension aus einem staatlichen Fonds für Künstler an.

Auch von menschlicher Seite her erblühte dem Dichter noch ein spätes Glück. Er hatte einige Jahre vorher im Hause des Salzburger Domorganisten Tremml die Lehrerin und Erzieherin der beiden jüngsten Kinder seiner einstigen Jugendgellebten Toni Nikoladoni kennengelernt. Eli-sabetha Theresia Pammer war 1836 in St. Johann im Pongau geboren und von der Finanzaufsehers-Witwe Böhm, einer Verwandten der ledigen Kindesmutter, adoptiert worden. Ihr freundliches und entschiedenes Auftreten und die Hochschätzung, die sie dem Dichter entgegenbrachte, schufen bald eine tiefere Annäherung. Als die Adoptivmutter die persönlichen Zusammenkünfte unterband,

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4 Jahren zwischen Theresia un !em Dichter als unüberbrückbar er chlen, schloß sich ein jahrelange! nfangs geheimer, Briefwechsel an.

Erst als die Ziehmutter 1864 starl :onnte Theresia Böhm-Pamme Hein über ihre Zukunft entschei :en. Franz Stelzhamer hatte in die en Jahren oft längere Zeit bei sei lern Dichterfreund Sylvester Wag er gelebt, der als Gememdesekretä n Henndorf ein Haus besaß. Als die er 1865 starb, wurde das Haus de läufige Treffpunkt zwischen der )ichter und seiner „Theuren Freun in“, wie er sie anfangs in seine: Jriefen angesprochen hatte.

Am 31. Dezember 1866 schrie 'ranz Stelzhamer an seinen Linze 'reund Schaller:

„... Denke Dir! Allernächstens, j äglich und stündlich erwarten wv laß aus dem kleinen Häuschen un eres seligen Freundes Sylvester z lenndorf ein kleiner Erdenbürge lervorgeht und zur heiligen Tauj tetragen werden soll! Wer anders ol 3u, mein ältester und bester Freunt oll sich dieser Funktion untei Aehen...!“

Nachdem schon wenige Tage später die Taufe des Sohnes Lucian stattgefunden hatte, schrieb Schaller

an den Dichter: ..... Erlaube mir

nur eine Frage: Nachdem Du Vater geworden bist, winst Du nicht auch Gatte werden wollen? Wirst Du etwas anderes tun können?“

Fast ein ganzes Jahr überlegte sich Stelzhamer noch diesen Schritt, zu dem ihn die junge Mutter nie gedrängt hatte. Im November 1868 ging dann die folgende Vermählungs-

wanrena aas ünepaar aie ersten zwei Jahre in Salzburg wohnte, verließ der Dichter diese Stadt nur zu gelegentlichen Vortragsfahrten nach Oberösterreich. Zu den anderen Zeiten traf er sich fast täglich mit Freunden oder mit seiner Stamm-tischgesellschaft im St.-Peters-Keller oder im Cafe Tomaselli.

Im August 1870 übersiedelte Stelzhamer endgültig nach Henndorf. Hier litt er anfangs unter der Trennung von seinen Freunden. Er traf sich mit ihnen in größeren Abständen im Müllner Bräustübl, besuchte die letzten noch lebenden Linzer Freunde und reiste zur Badekur nach Vöcklabruck. Auch seine Lesungen führte er immer noch fort. So las er in Salzburg, Schwanenstadt, Linz, Enns und sogar am Akademischen Gymnasium in Wien. Überall regnete es Beifall und Lob durch die Presse wie „... aus goldenen Schüsseln.“

Lebte der Dichter aber in Henndorf, so machte er mit seiner Familie weite Fußwanderungen, wozu gerade die liebliche Henndorfer Hügellandschaft zwischen Großer Plaike und Wallersee einlud. Dabei lebten seine bäuerlichen Kindheitserinnerungen wieder auf.

Am 4. September 1871 kam noch ein zweites Kind, ein Mädchen, zur Welt. Wie früher seine Lucian-Ge-dichte schrieb nun Franz Stelzhamer die Dichtungen für Rosalia.

Zu seinem 70. Geburtstag im November 1872 gab es einen förmlichen Wetteifer an Ehrungen und Fackelzügen in Henndorf, in Salzburg, Bad Ischl und Linz. Wochenlang kam der Gefeierte nicht aus seiner Feststimmung heraus.

Franz Stelzhamer schrieb seine „SJebnaga Tanz“. Er feilte und formte viele frühere Dichtungen um; vor allem vollendete er sein wohl gewaltigstes Reimepas „Königin Noth“.

Schon die Widmung weist auf ihre weit ausgreifende Sinndeutung: ,,d' Noth ist der Grundstoan, wo d'Welt dräfsteht;

Wer 'n rügelt, kunnt machä, daß D' Welt vergeht.“

Auch 1873 unternahm Franz Stelzhamer wieder größere Fahrten. Im Sommer reiste er mit Frau und Kindern in seine Geburtsheimat Piesen-ham. Im Oktober fuhr er nach Graz, besuchte in Krieglach Peter Rosegger und kam über den Semme-ring noch einmal in die Kaiserstadt Wien.

Nach einem langen, aber immer noch dichterisch schaffensvollen Winter in Henndorf, wo ihn öfters Freunde aus Salzburg und Linz aufsuchten, fuhr Ende Mai 1874 Franz Stelzhamer wieder für einige Tage nach Salzburg. Seit langem beschäftigte ihn der Plan zur Herausgabe einer Grammatik der Mundart. Er studierte auch diesmal im Lesesaal der Salzburger Studienbibliothek dazu verschiedene wissenschaftliche Werke. Er wohnte fast eine Woche — vom 27. Mai bis 3. Juni — in der Stadt.

An jenem 3. Juni, einen Tag vor Fronleichnam 1874, brachte er vor der Heimfahrt eine längere Zeit auf dem Friedhof in Sankt Sebastian zu, wo er das Grab seiner ersten Frau

Betty besuchte und vom Unkraut befreite, wie er es fast jedesmal tat, wenn er in Salzburg weilte. Er saß eine Weile noch erschöpft auf dem kalten Stein und erhob sich erst, als ihn fröstelte. Er fuhr dann mit der Bahn nach Seekirchen. Seine Frau, die ihn dort erwartete, erschrak über sein leidendes Aussehen. Am nächsten Tag konnte er nicht mehr an der Fronleichnamsprozession teilnehmen. Fünf Wochen lang pflegten

ihn der Gemeindearzt Dr. Nusko und Frau Therese mit aller Aufopferung. Es stellten sich zeitweilige Bewußtseinstrübungen ein. Dann nannte er seine Frau leise und abwesend „Muada“. Sein Geist war wieder in die Kindheit zurückgekehrt.

An dem strahlenden Hochsommermorgen des 14. Juli 1874 ging Franz Stelzhamer im 72. Lebensjahr friedlich hinüber.

„Aus goldenen Schüsseln regnets Gold ...“ hatte der Dichter einmal in einer glücklichen Stunde gesungen. Das Gold seiner mundartlichen Dichtungen leuchtet noch heute, hundert Jahre nach seinem Tode ..

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