6822031-1973_42_08.jpg
Digital In Arbeit

Dichter und Weltpriester

Werbung
Werbung
Werbung

Die heurigen Gedenktage des Priesterdichters Heinrich Suso Waldeck bieten einen würdigen Anlaß, seiner zu gedenken, dessen nun schon literarhistorisch wertbare Mitsendung es war, den Weg der neuen österreichischen Dichtung ins Echt-Religiöse zu vollenden.

Sein bürgerlicher Name war <\ugustin Popp. Er wurde als Sohn eines Oberlehrers aus dem deutsch-böhmischen Wscherau bei Pilsen am 3. Oktober 1873 geboren. Der begabte junge Mensch studierte erst im Gymnasium und dann an der Hochschule. Doch plötzlich enttäuscht, trat er 1895 in den Redemptoristenorden ein und wurde Priester. Aus gesundheitlichen Gründen verließ er mit Dispens den Orden und wirkte als Weltpriester.

Vom Vater erbte er die Schwermut, einen starken Wandertrieb und die heimliche Neigung zum Schreiben. Von der Mutter, die aus adeliger Familie, in Oberösterreich beheimatet war (Waldeck), empfing er Heiterkeit und Güte.

Doch in seinen „wirren Jahren“, wie er sie später selbst nannte, zog es ihn mächtig in die Welt. Er entsagte seiner Stelle als Kaplan in der Steiermark und ging nach Dresden. Mit dem Brotberuf als Bankbeamter und mit dem Ziel, als Schriftsteller sich durchzusetzen, begann er ein zweites Leben. Er kehrte dann nach Wien zurück und betätigte sich als Journalist.

Im Jahr darauf hörte er am Aschermittwoch 1913 seinen Jugendfreund in der Pfarre Laimgrube predigen. Dies änderte sein Wesen. Aus dem Nihilisten wurde ein Mystiker. Er änderte nicht nur seine Lebensweise, sondern auch seinen Namen. Mit Heinrich Suso kettete er sich an das große Vorbild aus dem 14. Jahrhundert, als Zunamen wählte er — um die engere Verbundenheit mit seiner Mutter zu bezeugen — deren Mädchennamen, somit: Heinrich Suso Waldeck.

Seine schriftstellerischen Arbeiten brachen vulkanhaft aus. Er besaß, was er so preisend besang, „das magische Wort, dem schaffenden Schauen folgend“. Ein Spraehgewaltiger war er und ein sinnemäohtiger Meister. Seine Thematik kannte den wilden Pen-delsohlag der Leidenschaft zwischen den Polen, denn ihm war keine Rast und Ruhe in ausgeglichener Mitte vergönnt. So fand er kaum irgendwo lange Bleibe, wechselte die Quartiere, teilte seine Einkünfte mit den Armen. Sein Daueraufenthalt waren Kaffeehäuser. Wo er auch war, er mußte immer schreiben, wenn er auch seine Gedichte kaum betreute, oft nur hingekritzelt auf einen Zettel oder eine Zigarettenschachtel.

Als wahrhaft Berufener wirkte er dann nach langem Warten im Ersten Weltkrieg. Obwohl ständig krank, hat er über seine Dichtersendung hinaus noch eine ersprießliche Tätigkeit entfaltet:

Bis zu seiner Pensionierung 1924 als Kooperator von St. Othmar in Wien, als Mittelschullehrer, als Seelsorger im Lainzer Krankenhaus, vor allem aber auch als Schöpfer und lange Zeit als Sprecher der „Geistlichen Stunde“ in Radio Wien, als Mitarbeiter an namhaften Zeitschriften und Zeitungen und nicht zuletzt als Mittelpunkt des litararischen Kreises der „Leostube“.

Um ihn scharten sich die intellektuellen Katholiken, versammelte sich ein weiter Kreis von Künstlern und Dichtern, und besonders dem Nachwuchs der

Schriftsteller und Dichter wurde er Vorbild, Wegweiser und Förderer.

Erst sehr spät erschienen die „Antlitzgedichte“ (1927). Dennoch war er „ein Fertiger in jedem Vers“ als „ein ganz eigener und unvergleichlicher Poet“, wie Rudolf Henz sagte. Die Verse darin waren voll Verträumtheit, Schauer, Realistik und Mystik. Diese ließen die literarische Welt aufhorchen.

Manche hielten ihn für einen Neutöner, sahen sich aber bald einem echten ganzen Dichter gegenüber, der mit verstehenden Augen in die Tiefen und Höhen des Menschentums blickt, in Schuld und Leid, in Jubel und Glück. Er blieb ein Bejaher, ein sozial Empfindender, dem sich die Lösung menschlicher Wirrnis im beharrlichen Glauben zeigt. Gleichsam ein traumdunkler Sänger, ein geistesheller „Philosoph des Glaubens“.

1930 gab er in dem Wiener Roman „Lumpen und Liebende“ seinen Zeitgenossen Gestalt. Als Hauptwerk gilt der Lyrikband „Die milde Stunde“ (1933), mit dem grandiosen „Psalm an Gott Geist“. Den traditionellen Strophenbau hat er verlassen zugunsten langzeiliger freier Rhythmen und Bildprägungen. Die Themen des modernen Lebens gestaltete er als mystisch religiöses Erlebnis.

Als nächster Band erschien 1933 „Heidemichel“, ein Buch von Menschen, Geistern und Ungeheuern. Es folgen die Märchenspiel „Weihnachtsherz“, „Legende vom Jäger und Jägerlein“, das Hörspiel „Stephansturm im Türkensturm“. Vieles wird begonnen. Schon 1930 mit dem Literatur-

preis der Stadt Wien ausgezeichnet, wurde ihm 1937 der österreichische Staatspreis zuerkannt, allerdings als letzter Lichtpunkt für den Schwerkranken, dessen Wirken nach außen mit dem März 1938 ein jähes Ende nahm.

Im oberösterreichischen Mühlkreis, in St. Veit, verbrachte er die letzten Lebensjahre im Schwesternheim der Kongregation vom Göttlichen Heiland, wo ihn Schwester Lioba herzlich umsorgte. Dort starb der große heimische Dichter am 4. September 1943, von dessen Tod, dem Sterben eines „kulturpolitisch Unerwünschten“, Zeitungen und Nachrichtendienst damals nicht Notiz nahmen. Das Land Oberösterreich widmete ihm in St. Veit eine Gedenktafel und ein Grabmal. Die Stadt Wien besitzt eine Büste; an der Außenwand der Kirche Maria am Gestade befindet sich ein Reliefporträt.

Leider ist bisher nur der erste Band der Gesammelten Werke (Tyrolia-Verlag) erschienen. Es wäre traurig, wenn nicht das Erbe dieses bedeutenden Dichters erhalten bliebe. Den Nachlaß betreut sein Biograph Geistlicher Rat Prof. Franz S. Brenner. „Rast im Dunkel“ ist der in Buchform erschienene Nachlaßband betitelt nach dem gleichnamigen Gedicht, denn er führt von den Dunkelheiten eines harten Dichterlebens zur mystischen Gottesnähe. Der Herausgeber schrieb über Waldeck, „er hat den Mut, die ungeschminkte Wirklichkeit anzuschauen, es geht ihm nicht um ein bloßes Wühlen im Abgrund. Durch all die Abgründe Waldeckscher Realistik gellt der Sehnsuchtsschrei nach Gott“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung