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„Geburtshelfer” der Donaumonarchie

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DER WIENER HUMANIST JOHANNES CUSPINIAN. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Von Hans Ankwicz-KIeehoven. Verlag Hermann Böhlau, Graz-Köln. XII, 344 Seiten, 16 Tafeln. Preis 148 S

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DER WIENER HUMANIST JOHANNES CUSPINIAN. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Von Hans Ankwicz-KIeehoven. Verlag Hermann Böhlau, Graz-Köln. XII, 344 Seiten, 16 Tafeln. Preis 148 S

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Achtlos gehen die meisten Besucher des Wiener Stephansdomes an einem schönen Renaissanceepitaph vorüber, das im linken Seitenschiff, an der rückwärtigen Wand, angebracht ist und einen ältlichen, eher dicklichen Mann in der Gelehrtentracht seiner Zeit zwischen zwei Frauen zeigt. Die Besucher sollten nicht so schnell an diesem Epitaph Vorbeigehen, sondern eine stille Minute davor verweilen, denn dieses Epitaph ist nichts anderes als das Grabmal des berühmten Wiener Humanisten Cuspinian, der 1 529 starb und der eine hervorragende Rolle in der Geschichte Oesterreichs spielte.

Hofrat Dr. Ankwicz Kleehoven, Generalstaatsarchivar a. D., legt nun als Produkt einer mehr als 50jährigen Beschäftigung mit dem Leben Cuspinians die endgü’ ige Biographie dieses bedeutenden Mannes vo'r.

Es ist ein seltsames und ereignisreiches Leben, das der Verfasser auf Grund eines umfassenden Quellen- ctudivms zeichnet. Cuspinian wurde 1473 in der

Reichsstadt Schweinfurt geboren und hieß eigentlich Spießheimer, welchen Namen er bald, dem Brauche der Zeit gemäß, latinisierte. Nach Studien in Leipzig und Würzburg kam er aus nicht ersichtlichen Gründen nach Wien, wo er ursprünglich an der Artistenfakultät dozierte, um dann auf die medizinische Fakultät überzuwechseln. Er war von nun an nicht nur als Lehrer und Arzt tätig, sondern auch als Verfasser historischer Schriften, wie einer Geschichte der römischen Kaiser von Cäsar bis Maximilian. Bald aber wurde seine gesamte wissenschaftliche Tätigkeit überstrahlt durch die diplomatischen Dienste, die er dem Hause Habsburg leistete. Denn durch mehr als ein Jahrzehnt war er eine Art Sondergesandter Maximilians I„ Karls V. und Ferdinands I. in Ungarn und Polen. Seine klassische Bildung, seine virtuose Beherrschung der lateinischen Sprache, sei”e Treue zum Herrscherhaus, seine geniale Menschenbehandlung machten ihn za diesem Amte besonders fähig. Seine genaueste Kenntnis der Personen und politischen Verhältnisse in Ungarn, die er sich bald erworben hatte, machten ihn zu diesem Amte noch zusätzlich fähig. Und es war kein leichtes Amt. Denn am ungarischen Hof wimmelte es von intrigierenden Magnaten, die durch und durch korrupt waren und sich nur zu gerne an den Meistbietenden verkauften. Obwohl Cuspinian am wenigsten in dieser Hinsicht zu bieten hätte, trug seine Diplomatie zweimal einen unvergleichlichen Sieg davon: 1515 fand als Frucht seiner Bemühungen die Doppelhochzeit zwischen den Häusern Habsburg und Jagello in Wien statt, die die eigentliche Geburtsstunde der Donaumonarchie ist. Und 1519 konnte er für die Kaiserwahl Karls V. die Stimme des ungarischen Königs Ludwig, der ja auch die böhmische Kurstimme besaß, gewinnen.

1 529 erlosch das Leben dieses bedeutenden Mannes, knapp bevor die Türken zum erstenmal vor Wien erschienen. Die Tragödie von Mohacs hatte ihn nicht verwundert, denn er hatte vorausgesehen, daß dieses korrupte Ungarn nicht fähig sein werde, sich gegen die Türken erfolgreich zu wehren. Um so mehr war es seine Ueberzeugung. daß dies nur der geeinte Donauraum und darüber hinaus das geeinte Europa imstande wären.

7 cl?i -tös temiahisclje,: Geschieht ttarschung.. muß.,Hofrat Ankwicz für sein AVerk sehr-dankbar sein. Denn durch die Biographie dieses bedeutenden Gelehrten, Humanisten und habsburgischen Diplomaten hat ein weiteres Kapitel der österreichischen Geschichte und der Geschichte des Donauraumes seine Aufhellung und abschließende Darstellung gefunden. Die Ausstattung des Werkes selbst ist mustergültig.

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