6907565-1980_49_12.jpg
Digital In Arbeit

Epoche der ehrenwerten Beamten

Werbung
Werbung
Werbung

Man ist versucht zu sagen „Maria Theresia ist überall" - und denkt dabei nicht nur an die Ausstellungen in Schönbrunn und Halbturn oder an die dem Sohn, Joseph II., gewidmete Monsterschau in Melk. Besonders gründlich ging man in der Lombardei an die Sache heran: Drei Tagungen sind den verschiedenen Aspekten der Zeit Maria Theresias gewidmet.

Im Oktober begann es in Mantua mit „Wirtschaft und Gesellschaft der Zeit Maria Theresias", wobei den umfassenden Einleitungsvortrag der Wiener Historiker Univ.-Prof. Adam Wan-druszka hielt, in den ersten Novembertagen ging es in Mailand mit „Kultur und Gesellschaft der mariatheresianischen Zeit" weiter, im gleichen Monat wurde die Reihe in Pavia mit „Institutionen und Gesellschaft der Zeit Maria Theresias" abgeschlossen. Zwar gehört es zu den Ausnahmsfällen, daß die deutsche Sprache direkt bei den Sitzungen der Kongresse zu hören ist, doch werden manche Ergebnisse der Untersuchungen deutscher und österreichischer Forscher vermittelt. a

Die 200. Wiederkehr des Todestages von Maria Theresia mag der Anlaß für dieses Zusammentreffen so vieler Spezialisten zur Erforschung des 18. Jahrhunderts sein (eine eigene wissenschaftliche Gesellschaft widmet sich in Italien diesem Thema), doch steckt hinter dem groß aufgezogenen und gut organisierten dreigeteilten Kongreß noch viel mehr. Es manifestiert sich darin der Wunsch, einmal dem Mythos von der sauberen und klugen Verwaltung der Zeit Maria Theresias nachzugehen.

Wie bei manchen Nachfolgestaaten der Monarchie im 20. Jahrhundert hat man das" viele Länder umfassende Imperium als Völkerkerker zuerst schlecht gemacht, aber endlich nach gewonnenem Abstand die sinnvolle „moderne" Administration, die Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die große Bautätigkeit für Bildung und Verwaltung anerkannt. Und der „Corriere della Sera" vom 8. 11. betitelt seinen Bericht über die Tagung mit den Worten: Geheimnis der Erfolge Maria Theresias: „governanti onesti, intellettuali utili", ehrenwerte Verwaltungsbeamte, nützliche Intellektuelle.

Und dies scheint zu einer Zeit, da Italien nicht nur von einem großen Skandal erschüttert wird, für Mailänder besonders hervorzuheben zu sein.

Es sind aber nicht nur historische Interessen, die in der Lombardei zu einer derartigen Großveranstaltung den Anlaß gaben. Man kann auf diese Weise Unterschiede herausarbeiten und z. B. das bessere Funktionieren des Verkehrs, der öffentlichen Ordnung, der Verwaltung in Mailand von heute in Gegensatz stellen zu dem chaotisch wirkenden Rom, man kann die Unterschiede zur Toskana herausstellen, wo zwar auch zu Maria Theresias Zeiten im neuen Herzogtum Franz Stephans verschiedene Veränderungen erfolgten, aber in Florenz doch bei weitem nicht so durchgreifende wie in der oberitalienischen Metropole Mailand. Der technische Fortschritt, die Entwicklung der Naturwissenschaften haben von Mailand aus sogar ihren Einfluß auf die italienische Sprache ausgeübt.

Auf dem Gebiete der Kunst hat Mailand im 18. Jahrhundert lange nicht so viel zu bieten, wie andere italienische Städte, die Malerei spielt eine völlig untergeordnete Rolle (wenn man etwa Venedig dagegenstellt), auf dem Gebiet des Theaterbaues und der Ausstattung sind die Bologneser nicht zu schlagen, aber noch immer wandern die oberitalienischen Künstler und Kunsthandwerker aus der Umgebung Mailands, aus der Gegend zwischen Corner und Lugano-See, aus den Tälern des Monte-Rosa-Massivs, aus dem Tessin in den Sommermonaten über die Alpen, sind als Baumeister, als Freskanten, als Bildhauer, als Stukkateure des späten Barock und des Rokoko tätig, arbeiten - mehr oder weniger in das jeweilige örtliche Gefüge eingeordnet -als Zinngießer, als Weißtüncher, als Barometermacher.

Aber in geistiger Beziehung kann Mailand mit seinem großen Kreis von Aufklärern, mit Beccaria und dessen Hauptwerk über Verbrechen und Strafen (mit Sonnenfels wegen Abschaffung der Folter in Verbindung stehen), mjt der langsam entschlummernden

Akademie der Trasformati für die italienische Dichtung, mit den Naturwissenschaften und der Medizin (Volta, Spallanzani) und besonders mit der i Gruppe des „Caffe" (Titel einer vielfältigen Aufklärungszeitschrift) Ansätze zeigen und Anstöße geben, die dann nach den Wirren der napoleonischen Zeit ihre Auswirkungen haben.

Es muß nicht die direkte Anwesenheit sein - Maria Theresia war nur auf der Rückreise von der Toskana 1739 nach Mailand gekommen, das eigene Bett hatte sie dabei mitgeführt! -, die das gute Andenken bewirkt. Die Statt-* halter (Harrach, Firmian), von Kaunitz mit Bedacht ausgewählt, haben den Geist der Zeit verstanden und zugleich den Willen des Wiener Hofes vermitteln können. Vielleicht sollte man „nell'epoca di Maria Teresa" doch mit „Epoche" der großen Herrscherin übersetzen, wird doch immer deutlicher, daß einschneidende Veränderungen nicht erst in der überstürzten Reformtätigkeit ihres Sohnes, sondern in der kontinuierlichen Verwaltungsarbeit der Mutter, einer wahren Landesmutter, zu sehen sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung