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MARIA THERESIA, BRIEFE UND AKTENSTÜCKE in Auswahl. Von Friedrich W alt er. Ausgewählte Quellen zur Geschichte der Neuzeit, Band XU., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1968. DM 21.—.

Di vorliegende Auswahl der Briefe und Aktenstücke Maria Theresias ist das letzte Werk Professor Friedrich Walters, der bald nach Vollendung seines siebzigsten Lebensjahres gestorben ist. Er war sicher einer der besten Kenner der Maria-Theresia-nischen-Zeit, deren Erforschung er zahlreiche Bücher und Studien gewidmet hat. In einem der größten Unternehmungen der österreichischen Geschichtswissenschaft, der Herausgabe der „Quellen und Akten zur Geschichte der österreichischen Zentraliverwaltung“ hat er die Zeit Maria Theresias, Josephs II., Franz II. und Ferdinands I. mustergültig bearbeitet, mit ausgezeichneten Einleitungen versehen und damit die Grundlagen der großen Staatsreformen quellenmäßig mit unendlicher Mühe, Sorgfalt und Ausdauer aufgeschlossen. In seinem schönen Buche „Männer um Maria Theresia“ schilderte er in lebendigem und anschaulichem Stil jene Mitarbeiter der Kaiserin-Königin, die in besonders nahem Verhältnis zu ihrer Herrin Standen und ihr als Ratgeber und unentbehrliche Helfer zur Seite standen. Schon in diesem bereits 1951 erschienenen Werk bezieht sich Walter sehr oft auf Briefe der Kaiserin, weil er in ihnen nicht nur ihren Charakter am besten ausgedrückt findet, sondern auch die „Atmosphäre der Zeit“. „Sie schreibt, wie sie Spricht, impulsiv auf jeden kunstvollen Periodenbau verzichtend“, Deutsch, Französisch, Italienisch vermischt, so wie es bei Hof gang und gäbe war. Man müsse — so meint Walter — ihre Briefe, Denkschriften Und Resolutionen, „um sie zu vollem Leben zu erwecken, nachsprechen, dann werden sie zu gültigen Zeugnissen für die Zeit, aus der sie uns überliefert sind, dann geben sie den Menschen, deren Kreis sie entstammen und für deren Kreis sie bestimmt sind, Farbe und Kontur, dann vermitteln sie eine leise Ahnung des Lebensgefühis der adeligen Wiener Gesellschaft im ausgehenden Barock und dann kann auch das Bildnis der Kaiserin in jener nahen Unmittelbarkeit erstehen, die eben mar ein

Hauch echter Atmosphäre zu schenken imstande ist“.

Was in dem Buche „Männer um Maria Theresia“ als Nachwort steht, könnte zu der vorliegenden Ausgabe der „Briefe...“ is Vorwort geschrieben sein. Die Briefe sind aus dem Herzen geschrieben., aus einem Herzen voll Freuden und Sorgen, voll lebhafter Anteilnahme, tiefer Bekümmernis und Niedergeschlagenheit, voll Optimismus und Verzweiflung. Sie schreibt als Herrscherin, als Gattin, Mutter und Freundin, und immer aus eigener zeitgebundener Empfindung, die nicht immer auf die Waagschale gelegt werden darf. Ihre besten Eigenschaften und ihre Schwächen kommen gleicherweise zum Ausdruck, ihr herrscherliches und menschliches Dasein, die Höhen und Tiefen ihres seelischen Erlebens, ihr so leicht erregbares Gemüt und die wechselnde Temperatur ihrer Stimmuirtgens Gefühle und Launen. Sie hat viel Verstand und ein gesundes und natürliches Urteil, aber sie ist kein Verstandesmensch, der sich an die Gesetze der Logik hält. Bei allem ausgebildeten herrscherlichen Selbstbewußtsein leidet sie doch unter dem Mangel an Selbstbeherrschung, bricht in Jammern und Klagen aus und flühit sich als schwache Frau, unfähig zur Regierung eines so großen Reiches, und das, obwohl sich der Staat unter ihrer Herrschaft entscheidend gewandelt hat. Ihr stärkstes Erlebnis war unzweif elhaf t die Liebe zu ihrem Mann, Kaiser Franz I., mit dessen Tod ihre Welt zusammenbricht. Wie an einer festen Stütze hat sich ihr Leben an ihm emporgerankt und der Verlust dieses Haltes versenkt sie nicht nur in tiefste Depression, sondern macht sie schwankend und unsicher, läßt sie sogar daran zweifeln, ob ihre Regierung ihren Völkern zum Segen gereicht. Doch erhebt sie sich immer wieder aus solchen bedrückenden Stimmungen zu seelischer Größe und unermüdlich trifft sie Entscheidungen, mahnt und wannt sie ihre zahlreichen Kinder, die sich in so vieler Hinsicht anders entwickeln, als sie sich vorstellte. Es hat schon etwas Faszinierendes an sich, eine Frau aus der Nähe zu beobachten, die in so vielen Bereichen des Lebens zu gebieten und zu führen hatte und die doch immer sich selbst getreu blieb und in einem unerschütterlichen Glauben ihren oft freudvollen weg ging.

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