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Semper ubique

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Prälat Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl hat in der letzten Zeit ein bedeutsames Mäzenatentum dadurch ausgeübt, daß er sehr vielen alten und jungen Historikern Gelegenheit bot, ihre Geistesprodukte seinen Festschriften anzuvertrauen. Nunmehr hat er den Kreis seiner Jünger dadurch erweitert, daß er nicht nur ihre historischen, sondern auch andere Beiträge in seine neueste Festschrift aufnahm, die ihm als

Priester, Seelsorger, Theologen, Kunstverständigen und Kirchen-geschichtler gewidmet werden. Da ein einziger Rezensent nicht alle diese Arbeiten aus so verschiedenen Fachgebieten beurteilen und ins rechte Licht stellen kann, möchte ich den mir nächstliegenden letzten Abschnitt der Historica auswählen und mich vor allem mit dem Beitrag von Dr. Anna Hedwig Benna über einige Denkschriften des Staatssekretärs Kaiser Karls VI. und Maria Theresias, Johann Christoph Freiherr von Bartenstein, beschäftigen, die der geborene Elsässer, spätere Konvertit und österreichische Staatsmann um die Mitte der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts über die religiöskirchlichen Zustände der Monarchie verfaßte.-

Es ist eine Tatsache, daß Bartenstein die Vorträge des aufgeklärten Regierungsrates Christian August Beck, der den späteren Kaiser Joseph II. in die Kenntnis der verschiedenen juristischen Fächer, darunter auch der Kanonistik, einzuführen hätte, dessen Definition der Kirche an die heutigen anonymen Christen erinnert, im weiteren Sinn überwachte, aber deshalb nicht zu den Vorjosephinern gehört, wie die Aufzählung einer Reihe von Autoren durch die Verfasserin in der Anmerkung 2 etwa nahelegen könnte. Dies zeigt schon die ausführliche vorliegende Denkschrift, deren Vorschläge zwar beweisen, daß der Konvertit zum Beispiel von der Scholastik und ihrer Theorie nicht viel verstand, daß er auch die positiven Fächer, wie etwa die Kirchengeschichte, im Verhältnis zur spekulativen Theologie überbewertete, daß ihn aber all das nicht zu einem Vorläufer des Josephinismus stempelt. Noch wichtiger aber sind die Gedanken, die er schon am Ende des Jahres 1751 in einem Immediatvortrag der Kaiserin selber vorlegte.

Als nämlich in diesem Jahre die kurmainzische, also eine geistliche Regierung, ihren geistlichen Orden vorschrieb, wieviel an materiellen Werten ihre Novizen ins Kloster einbringen dürften, wurde auch der Kaiserin Maria Theresia von gewisser Seite nahegelegt, dieses Beispiel, das sich allerdings nur für einen einzigen Fall in den österreichischen Archiven belegen ließ, nachzuahmen. Offenbar auf dieses „ziemlich ehrbare Deputat“, das Herzog Albrecht II. im Jahre 1340 für diesen Zweck festgesetzt hatte, anspielend, gab Bartenstein das grundsätzliche Recht der Herrscherin zu einem solchen Vorgehen zwar zu, betonte aber gleichzeitig der Monarchin gegenüber, daß „eine so weitgehende Vorschrift in allen katholischen Ländern ohne Beispiel sein würde“. Neben anderen Argumenten stellte der Staatssekretär dann der Kaiserin vor Augen, daß die Geistlichkeit in keinem anderen katholischen Land so schwere steuerliche Lasten zu tragen habe wie in Österreich, wo der Klerus sogar mehr bezahle als die Weltleute.

Als dann bald darauf noch zwei weitere Gesetzentwürfe für die Nachahmung des Mainzer Patents in Österreich verfaßt und Bartenstein von der Kaiserin zur Stellungnahme übersandt wurden, gab dieser zwar zu, daß der Erbteil des Ordenskandidaten nicht dem Anteil der in der Welt verbleibenden Verwandten, der diesen gesetzmäßig zustand, gleichkommen müsse, und daß ferner arme Novizen nicht mehr als 3000 fl rheinischer Währung erben sollten. Er müsse in diesem Zusammenhang noch einmal hervorheben, daß der hiesige Klerus zu den öffentlichen Lasten und Leistungen ebenso herangezogen werde wie die Zivilisten, wobei die außerordentlichen Abgaben der Geistlichen nicht berücksichtigt seien. Daher seien auch die österreichischen Klöster nicht reicher, sondern ärmer geworden, und könnten keineswegs so behandelt werden wie der steuerfreie Klerus anderer Herrschaftsgebiete, wie etwa in Frankreich, wo sich die Geistlichen so energisch und erfolgreich gegen jede Besteuerung zur Wehr gesetzt hätten, daß die Regierung von ihrem Vorhaben abstehen mußte. Dieser Vortrag des Staatssekretärs wurde über Auftrag der Herrscherin am 12. November 1753 in einer eigens zusammengerufenen

Ministerialkonferenz durchberaten, wobei sich die Gedanken Bartensteins, obwohl dieser inzwischen durch seinen Nachfolger, Graf Kaunitz-Rittberg, aus seiner früheren und einflußreicheren Stellung verdrängt worden war, auf der ganzen Linie durchsetzten und die Monarchin zum Rückzug zwangen. Ihre Enttäuschung darüber zeigt sich noch deutlich in ihrer Resolution, in der es heißt: „Placet vor jetzo, nicht vor allezeit, die Sache liegen zu lassen.“

Die Verfasserin spielt dann am Schluß auch noch auf die verunglückte Wiener Mission des Barna-bitenpaters Pius Manzador an, der als Unterhändler des Staatskanzlers, Graf Kaunitz-Rittberg, der in dem Artikel allerdings nicht erwähnt wird, vom Papst die Erlaubnis zur Errichtung einer eigenen Religionskasse für die Bedürfnisse der Seelsorge erreichen sollte. Abgesehen davon, daß Bartenstein von den Vorverhandlungen, die zu diesem Auftrag Manzadors führten, weitgehend ausgeschaltet war, mußte der schließliche Fehlschlag der römischen Besprechungen nicht in erster Linie den Gründen, welche die Verfasserin den Äußerungen des mailändischen Großkanzlers, des Grafen Beltrame Cristiani und Bartensteins entnimmt, zur Last gelegt werden, sondern dem eisernen Willen des Kanzlers Maria Theresias, der die Verwaltung dieser Kasse gegen jedes kanonische Recht gänzlich in seiner Hand behalten wollte, was Papst Benedikt XIV. schließlich als letztes Ziel der Mission Manzadors erkannte und aus diesem Grund die Verhandlungen mit der österreichischen Regierung scheitern ließ.

SACERDOS ET PASTOR SEMPER UBIQUE. Festschrift zum 40jährigen Priesterjubiläum Prälat Univ.-Prof. Dr. Franz Loidl, herausgegeben von seinen Freunden, Mitarbeitern und Schülern. Gr. -8' (376 Seiten Text und XII Seiten Bilder sowie 1 Karte). Wien 1972, Wiener Dom-Verlag (Band 13).

ZUR SITUATION VON RELIGION UND KIRCHE IN ÖSTERREICH IN DEN FÜNFZIGER JAHREN DES 18. JAHRHUNDERTS. Von Anna Hedwig B enna. Eine Denkschrift Bartensteins für den Kronprinzenunterricht Josephs II. S. 193—224.

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