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Wie kam das Innviertel an Österreich?

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Am 13. Mai begeht Oberösterreich den 200. Jahrestag der Angliederung des Innviertels. Wie kam dieser Landstrich, einer der harmonischsten und fruchtbarsten des Landes, an Österreich?

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Am 13. Mai begeht Oberösterreich den 200. Jahrestag der Angliederung des Innviertels. Wie kam dieser Landstrich, einer der harmonischsten und fruchtbarsten des Landes, an Österreich?

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Dieser Landstrich, ein echter Grenzraum, war zwischen Bayern und Österreich von al-tersher umstritten, vor allem der aufblühenden Inn- und Salzachstädte Schärding, Obernberg, Braunau halber. Auch Ried im Innkreis war umkämpft. Seit dem 12. Jahrhundert, seit der Zeit, als sich die „Australes“ (Österreicher) von den „Bawari“ geistespolitisch schieden, ein österreichisches Landesbewußtsein erwachte, als babenbergische Markgrafen kurze Zeit Herzöge von Bayern waren, bis Österreich selbst in ein Herzogtum verwandelt wurde, kam es durch Jahrhunderte immer wieder zur Uberschneidung der Machtsphären und zu blutigen Auseinandersetzungen.

Gegen schärfste Wittelsbachische Konkurrenz konnte Ferdinand I. 1526 die böhmische Wenzelskrone gewinnen. Erst zwei Heiraten zwischen den beiden Häusern und die gemeinsame katholische Restauration gegenüber dem Protestantismus erzwang im Dreißigjährigen Krieg ein Bündnis, wobei von 1620 bis 1628 Österreich ob der Enns an Bayern verpfändet war.

Die Türkenkriege fanden die beiden Mächte verbündet. Kurfürst Max Emanuel, Schwiegersohn Leopolds I. eroberte 1688 Belgrad. Der frühe Tod der Kaisertochter und die heftige Konkurrenz um das spanische Erbe, führte Max Emanuel in die Arme Ludwigs XTV. und zum Reichsverrat, der ihm die Reichsacht und eine achtjährige Besetzung Bayerns eintrug (1706/14). Durch Rescript Kaiser Josefs I. vom 19. November 1709, wurde der „bayerischen Regierung zu Burghausen die Separation der diesseits des Yns gelegenen bayerischen Landschaft (=Innviertel) und derselben Incorporation an Österreich in-timiret“.

Ungeachtet des bereits angenommenen österreichischen Erbfolgerechtes der „Pragmatischen Sanktion“ und der Verzichtserklärung seiner Frau, einer Tochter Josefs I., erhob Kurfürst Karl Albrecht 1740 Erbansprüche auf Österreich und

überfiel - Friedrich II. von Preußen nachahmend - Mitte 1741 die Erbin Maria Theresia. Mit französischer Hilfe eroberte er Linz, wo er sich als Erzherzog huldigen ließ. Nach dem Sieg bei Dettingen 1743 mußten Braunau, Straubing und Reichenhall an Österreich übergeben werden, das schließlich ganz Bayern besetzt. Erst durch den Frieden von Füssen (1745) erhielt der neue Kurfürst Maximilian III. Josef, Bayern zurück.

Hatten die Österreicher im 18. Jahrhundert bereits zweimal das Innviertel in ihrer Hand, so sollte der Tod des Kurfürsten am 30. Dezember 1777 es ihnen endgültig überantworten. Mit ihm starb die bayerische Linie der Wittelsbacher aus, und das Land fiel an die andere Linie: an Karl Theodor Kurfürst von Pfalz-Sulzbach. Die schwere Krankheit Max Josefs ließ Kaiser Josef II. schon im Dezember mit Karl Theodor Verhandlungen aufnehmen.

Österreich erhob Ansprüche auf Niederbayern, das Kaiser Sigismund 1426 dem Herzog Albrecht V. von Österreich verliehen hatte. Diese Verleihung war zwar nicht vollzogen worden, vielmehr belehnte Sigismund selbst 1429 die vier bayerischen Herzöge mit ganz Bayern. Allerdings hieß es dabei, daß der Kaiser „klärlich aller anderen Leute Rechte ausnimmt, die zu demselben Lande Zuspruch zu haben meinen“. Einen solchen „Zuspruch“ machte nun Österreich nach mehr als 300 Jahren ernstlich geltend.

Josef II. wollte Österreichs Stellung im Reich, nach dem Verluste Schlesiens um jeden Preis wieder stärken. Aber eben das wollte Preußen um jeden Preis verhindern. Der gesamte Anspruch Österreichs betrug, einschließlich des Innviertels, beinahe die Hälfte von Bayern. Tatsächlich gelang es Josef gegen Zu-

„... ein unaussprechliches Glück, daß ich Blutvergießen verhindern konnte.“ sage der Hilfe bei Beschaffung eines Reichsfürstentums, von Karl Theodor die Abtretung von Niederbayern, Teilen der Oberpfalz und Leuchtenberg sowie der Herrschaft Mindel-heim zu erreichen und zwar in der Wiener Konvention vom 3. Jänner 1778.

Der Preußenkönig legte - auch beim Reichstag in Regensburg -schärfsten Protest ein, wozu er auch den nächsten Erben, Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken, veranlaßte. Josef gab nicht nach; es kam zu Kriegsdrohungen Friedrichs, mit dem Maria Theresia ohne Wissen des Sohnes, Verhandlungen aufgenommen hatte. Diese wurden jedoch im August ergebnislos abgebrochen. Da auch Sachsen einen Anteil aus dem Erbe beanspruchte und sich Preußen anschloß, wurde daraus eine europäische Frage. Frankreich und Rußland distanzierten sich von Österreich.

Nachdem der Pfälzer die Konvention unterzeichnet hatte, waren österreichische Truppen in die bezeichneten Länderteile eingerückt. Nun trat Preußen energisch auf, verhieß dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken seinen militärischen Schutz und gebär-dete sich als „Schützer der Reichsfürsten und der deutschen Freiheit“.

Eine Denkschrift der Kaiserin, die zum Frieden riet, meint, Österreich habe sich von den früheren Kriegen noch nicht erholt, brauche dringend Ruhe. Josef gab nicht nach. Am 3. Juli 1778 erging das preußische Ultimatum. Am 5. Juli drang Friedrich von Schlesien aus in Böhmen ein. Dort standen einander schließlich die beiden Armeen, je um 200.000 Mann stark, bis Oktober, nur unterbrochen von kleineren Gefechten, untätig gegenüber.

Das Land wurde ausgesogen. Preußen verlor an die 20.000 Mann, vor allem durch Desertionen, und mußte sich wieder zurückziehen. Die preußischen und sächsischen Truppen bezogen Winterquartiere in Schlesien, die Österreicher in Böhmen. Die Österreicher nannten diesen Krieg Zwetschkenrummel oder Buttermilchkrieg, die Preußen Kartoffelkrieg.

Inzwischen hatte die Kaiserin die Geheimverhandlungen mit ihrem Todfeind wieder aufgenommen. Josef war darüber empört, fügte sich aber schließlich. Unter Intervention von Rußland und Frankreich kam es am 10. März 1779 zum Waffenstillstand.

Am 13. Mai wurde der Frieden von Teschen zwischen Österreich und Preußen und der Vertrag mit dem Kurfürsten Karl Theodor unterzeichnet. Im Artikel rv heißt es: „Dagegen aber, und um diesen Merkmalen der Zuneigung Ihrer k. k. apostolischen Majestät zu entsprechen, überläßt der Herr Kurfürst zu Pfalz sich, seine Erben und Nachfolger der Kaiserin Königin Majestät für Sie, Ihre Erben und Nachfolger die Aem-ter Wildshut, Braunau samt der Stadt dieses Namens, Mauerkirchen, Frid-burg, Mattighofen, Ried, Schärding und überhaupt den ganzen Antheil Bayerns, welcher zwischen der Donau, dem Inn und der Salza(ch) liegt und einen Theil der burghausischen Regierung ausmacht, in dem Stande, in welchem sich dieser Bezirk gegenwärtig befindet.“ 1785 schlug durch schärfste Gegenwirkung Preußens ein neuer Versuch Josefs II. fehl, Bayern im Austausch gegen die Niederlande zu gewinnen.

Das wertvolle Innviertel wurde durch zwei Enklaven, Obernberg und Vichtenstein, abgerundet, die Josef II. durch den am 27. Juni 1782 mit Bischof Leopold Ernst von Passau abgeschlossenen Staatsvertrag hinzugewinnen konnte. Als der Kaiser im Herbst 1779 seine Inspektionsreise durch das Land machte, dämmerte ihm auf, daß der Gewinn beachtlicher sei, als ursprünglich angenommen. Er schrieb an seine Mutter: Zwar sei es ein geringer Gegenstand, „wenn man daran denkt, was vielleicht hätte gelingen können; aber an und für sich ist dieser Landstrich schön und gut und für Oberösterreich sehr gelegen“.

Für uns bedeutet das Innviertel noch viel mehr. Sind doch die Inn-viertler nach ihrem Jubel für den schlichten Monarchen Josef im Oktober 1779, ungeachtet eines neuen kurzen bayerischen Zwischenspiels von Napoleons Gnaden (1810-1816) letztlich gute Österreicher geworden.

Im Heimatmuseum von Ried i. I. sind die „200-Jahre Innviertel bei Österreich“ heuer lebendig: Franz Stelzhammer, Alfred Kubin, Richard Billinger, Symbole der Volkstümlichkeit, der Kunst, der Lyrik und Dramatik - das Innviertel als eine besondere Kostbarkeit Österreichs und eine Brücke zum guten bayerischen Nachbarn, zugleich Ergebnis und Frucht der Friedenssehnsucht der großen Kaiserin.

Wie sagte sie doch am Ende, wobei sie dem Preußenkönig, der dann doch maßvoll gewesen war, Gerechtigkeit widerfahren ließ, er habe Wort gehalten und „edel gehandelt“, um das für ihre eigene edle Seele entscheidende Wort anzufügen: „Es ist für mich ein unaussprechliches Glück, daß ich Blutvergießen verhindert habe.“

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