Vergangenheit, die zur Gegenwart spricht

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Eine sensationelle Ausstellung im Dresdner Schloß zeigt die Kultur jener denkwürdigen Epoche, in der Sachsen und Polen "unter einer Krone" waren.

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Eine sensationelle Ausstellung im Dresdner Schloß zeigt die Kultur jener denkwürdigen Epoche, in der Sachsen und Polen "unter einer Krone" waren.

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Als die Prunksucht der Albertiner mit der Unzucht des polnischen Adels sich freundlich zusammenfand, trat der deutsche Absolutismus in seiner Sünde Blüte ..." Die griffige Formulierung des preußischen Historikers Heinrich von Treitschke servierte eine Falschmeldung. Preußen hatte 1756 und 1866 Sachsen widerrechtlich überfallen. Preußische Propaganda, mangelnde Geschichtskenntnisse - so konnte die Vorstellung einer Erbfeindschaft zwischen Polen und Deutschen wachsen, die vom Deutschen Ritterorden bis zur Vertreibung der Schlesier reicht. Neuerdings kommt einiges zum Vorschein, das die Legende in Frage stellt und daran erinnert, was zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert war. Auch die Polen sehen die Geschichte differenzierter. Nur so konnte die sensationelle Ausstellung wahr werden, die mit dem Titel "Unter einer Krone" nicht nur die Zeit von 1697 bis 1763 erfaßt, da Polen und Sachsen von den Königen August II. und August III. regiert wurden. Die in fast sieben Jahrzehnten vollzogene Annäherung wirkte nach bis in die Zeit des Vormärz.

Als Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen sich entschloß, um der polnischen Krone willen katholisch zu werden, war das ein entscheidender Impuls zur Toleranz. Das Gesetz, nach dem sich die Untertanen nach dem Glauben des Herrschers zu richten hätten, war im Stammland von Luthers Reformation nicht durchzusetzen. Im Gegenteil: der nun katholische sächsische Hof mußte sich "bedeckt" halten. Prozessionen fanden im Saale statt. Aber auch die etwas erstarrten Lutheraner mußten die Reformatoren Calvin und Zwingli zur Kenntnis nehmen. Das Nebeneinander der Konfessionen führte mitunter zu edlem Wettstreit: hier bürgerlich-protestantische Kultur, dort katholisch geprägte Hofkunst. Heute wissen wir, daß Wissenschaft und Wirtschaft nur in toleranter Atmosphäre blühen. Sachsen war mit Bodenschätzen, Bergbau, Industrie und Handwerk, vor allem mit vielen intelligenten Bewohnern ein reiches Land, das die neue Chance der Öffnung nach Osten nutzen konnte.

Freier Handel nach Polen, Litauen und weit darüber hinaus förderte die Messestadt Leipzig. Polen profitierte von sächsischen Fachleuten, "Entwicklungshelfern", von sächsischer Verwaltung und einem Hof, der abwechselnd in beiden Ländern residierte und mitsamt dem umgebenden Adel jene von Treitschke gerügte "Prunksucht" entwickelte, die Wirtschaft und Kunstgewerbe förderte. Und die - trotz aller Zerstörungen seither - eine bedeutende Kultur bezeugt, die von zwei Völkern in großer Weltoffenheit geschaffen wurde.

Im Jahr 1763, als der Siebenjährige Krieg endete, starb König August III. Was folgte, ist in wenigen Sätzen nicht zu schildern. Die politischen Wirren endeten jedenfalls in den drei Teilungen Polens, das nun zu Rußland, Österreich und Preußen gehörte. Viele Bindungen zu Sachsen blieben aber aufrecht. Dresden und Leipzig nahmen Emigranten auf, darunter prominente Künstler und Gelehrte. Und als sich junge Polen vergeblich gegen die russische Herrschaft erhoben, ging 1831 ein Aufschrei durch Europa. Die Sachsen leisteten Hilfe, so gut es ging.

Der Wiederaufbau nach 1945 - in Warschau etwas früher, in Dresden etwas später - belebte auch für die Nachgeborenen eine Ahnung von einstigem Glanz. Zuerst war die Ausstellung in Warschau zu sehen, nun ist sie im Dresdener Königsschloß, das erst teilweise wieder aufgebaut ist. Aber gerade in den halb fertigen Sälen, wo nackte, schadhafte Mauern an die Zerstörungen von 1945 erinnern, kommt der Prunk des "augustinischen" Zeitalters besonders vorteilhaft zur Wirkung. In alten Gemälden und Stichen werden die beiden Länder vorgestellt, die Städte, die Schlösser, die Erzeugnisse von Bergbau, Meißener Porzellan-Manufaktur, Leipziger Buchproduktion. Vor allem blicken uns die handelnden Personen von oft pathetischen Porträts an: die Könige und hohen Adeligen mit ihren Gemahlinnen und Mätressen. Die Politiker und die Gegner. Vor allem jener Preußenkönig Friedrich II., der Dresden in Trümmer legen ließ und gezielt seiner Artillerie die Schlösser jenes Grafen Brühl auslieferte, den er als mächtigen Politiker für seinen Hauptfeind hielt. Dem aufmerksamen Betrachter fallen Unterschiede kultureller Entfaltung zwischen Vater und Sohn August auf: Der kraftvolle "August der Starke" (das Hufeisen, das er zerbrochen hat, liegt in der Vitrine) und der rundliche, friedliche August III., durch Heirat mit der Kaisertochter Maria Josepha mit süddeutsch-imperialer Kultur versorgt. (Als "Gegengabe" heiratete ihr Sohn Albert Maria Christina, die Tochter Maria Theresias, und gründete die Wiener Graphik-Sammlung "Albertina".) König August III. war der große Kunstsammler.

Der Salzburger Bildhauer Balthasar Permoser und der steirische Unterhaltungskünstler Hofnarr Fröhlich prägten jeder auf seine Weise die Hofkultur. Der Siebenjährige Krieg zwang den Hof, in Polen zu bleiben, das vom Krieg verschont wurde und sogar mit Lieferungen an alle Heere auf friedliche Art Beute machte. Im Rückblick kann der scheidende Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Werner Schmidt, der mit dieser Ausstellung sein Lebenswerk krönt, nachweisen, daß Polen und Sachsen von der Zeit ihrer Vereinigung bleibenden kulturellen Gewinn hatten.

Bis 8. März, Dresdner Schloß, Eingang Georgenbau, Schloßplatz, Di. bis So. 10-18 Uhr.

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