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Ein Höhepunkt deutscher Kultur

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Bedeutende Kunstschätze, Zeugnisse der angewandten Kunst und wichtige Dokumente aus Dresden, Potsdam, Wörlitz und Weimar werden in Österreich zum ersten Mal gezeigt.

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Bedeutende Kunstschätze, Zeugnisse der angewandten Kunst und wichtige Dokumente aus Dresden, Potsdam, Wörlitz und Weimar werden in Österreich zum ersten Mal gezeigt.

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Dresden - Potsdam - Weimar: Drei Städte, bei deren Nennung Assoziationen zu drei großen Persönlichkeiten wach werden. Dazwischen weniger bekannt: Wörlitz. Alle vier für die heutige Generation verschleiert durch den Eisernen Vorhang, der einen freien Zugang zum mindesten erschwert und damit die Bekanntschaft mit den großen Kulturleistungen der Vergangenheit im mittleren Teil des alten Deutschland schwinden läßt.

Dresden — Potsdam — Wörlitz — Weimar, die Städte Augusts des Starken, Friedrichs II., Winckel-manns und Goethes — Stichworte für die Entwicklung der Kunst vom sächsischen Spätbarock über das preußische Spätrokoko hin zur Klassik, von der Kultur des fürstlichen Absolutismus zu jener des Bürgertums der Aufklärung.

Die Ausstellung, die aus den staatlichen Kunstsammlungen der DDR bis zum Oktober auf der Schallaburg in Niederösterreich zu sehen ist, umreißt das Werden dieser Kulturepochen während eines schwachen — und so unruhigen — Jahrhunderts in einer Fülle von Kunstwerken: Porzellan aus der Zeit, da Johann Friedrich Böttger beim Versuch, Gold „zu machen", das Porzellan für Europa entdeckte, und geschnittene Gläser, Prunkwaffen und Medaillen, Möbel und Kostüme, und Grafiken, Fotos dort, wo Architektur vorgestellt werden soll.

Irgendwie stand auch am Beginn dieser kulturellen Entwicklung der Sieg über die Türken vor Wien. Die Habsburgischen Kaiser waren dadurch an den Höhepunkt ihrer Macht gekommen. Leopold I. unterstützte die Wahl des sächsischen Kurfürsten Friedrich August zum König von Polen, womit der Grundstein für einen mächtigen Mittelstaat im Herzen des Reichs gelegt war. Die Macht der Sachsenkönige stimulierte den Ehrgeiz der brandenburgisch-preußischen Nachbarn.

Für den durch Handel und Gewerbe, gestützt auf den großen polnischen Markt, reich gewordenen sächsischen Staat war die Prunkentfaltung des Spätbarock nicht nur eine teure Laune absolutistischer Herrscher, sondern auch Stimulans für Handel, Verkehr, Innovation, um in moderner Diktion zu sprechen.

Für Friedrich II. in Potsdam bedeutete fünfzig Jahre später der Bau von Sanssouci die Antwort auf einen kulturellen Nachholbedarf des ausgebluteten Landes nach drei Kriegen — im bereits auslaufenden Rokokostil, dessen Ablösung zur selben Zeit im Herrschaftsbereich des Fürsten Franz von Dessau, in Wörlitz, bereits deutlich wurde.

Dort hatte, inspiriert von Johann Joachim Winckelmann, im kleinen, nicht von Großmachtträumen geplagten Fürstentum, jene von Aufklärung und Wiederentdeckung der Antike geprägte, vom Bürgertum getragene Kulturepoche eingesetzt, die als Klassizismus die nächsten Jahrzehnte prägen sollte.

Der junge Goethe pilgerte als Neunzehnjähriger von Leipzig nach Dessau, um Winckelmann zu sehen. Der altgewordene Dichter -

fürst brachte später im nahegelegenen Weimar die Klassik zu ihrem Höhepunkt.

So zählen auch Goethe-Auto-graphen zu den interessantesten Exponaten der Schau, Erstdrucke der Werke von Schiller, Herder und Wieland und nicht zuletzt Goethes Gedenkblatt mit dem Vers, der wie ein Motto für die Ausstellung gelten kann:

„Manches Herrliche der Welt,/ ist in Krieg und Streit zerronnen,/ wer beschützet und erhält,/ hat das schönste Los gewonnen."

Denn eine Darstellung all dieser Kunstwerke aus dem Gebiet der heutigen DDR kann nicht daran vorübergehen, daß die Bauten jener Zeit zum größten Teil den Bombenangriffen des letzten Kriegs zum Opfer gefallen waren und schon bald danach hervorragend wieder hergestellt worden sind.

So zeigen zahlreiche Dokumentationen den Zustand des Dresdner Zwingers, der Hof- und der Frauenkirche und aller andern kriegsverwüsteten Gebäude nach der Zerstörung, die Restauratoren bei der Arbeit und den heutigen Zustand der wiederhergestellten Objekte, wobei der Versuchung, hierbei gegen die Westmächte zu polemisieren, fast immer dezent widerstanden wird.

Anachronistisch wirkt lediglich, wenn vom Wiederaufbau in der (heutigen) Wilhelm Pieck-Straße berichtet und deren Gründungsdatum mit den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts genannt wird.

Eine Ausstellung, die auf überschaubarem Raum bei uns viel zu wenig bekannte Kulturgüter präsentiert und Lust macht, sie an Ort und Stelle zu sehen — wenn es eben weniger beschwerlich wäre, sie zu besuchen...

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