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Wie Deutschland Ostpreußen verlor

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Dr. Hubatsch, Professor an der Universität Bonn und Herausgeber der „Studien zur Geschichte Preußens“, hat das Leben eines Fürsten beschrieben, dessen Taten ganz besonders folgenschwer waren. Markgraf Albrecht verwandelte das katholische Kirchenfürstentum des Deutschen Ordens in den evangelischen preußischen Staat der Hohenzollern. Es ist und bleibt schwer, diesen Akt mit Gleichmut zu betrachten. Wenn das Haupt einer Ordensgemeinschaft seine Gelübde bricht, um das Ordensgut seinem Hause zu eigen zu machen — dann widerstrebt diese Tat wohl jedem Instinkt, der uns noch an Pflichten und Eide bindet. Solche Tat bedarf ganz außerordentlicher Rechtfertigung — und die ist Albrecht von Brandenburg auch geworden; da seine Nachkommen Könige in Preußen wurden, dann Könige von Preußen und Teilherren in Polen, endlich deutsche Kaiser — beeilte sich die Geschichtsschreibung, Albrecht als Staatsgründer zu würdigen. Der Autor der neuen Biographie ist sich der Schwierigkeiten wohl bewußt, die in den Tendenzen aller bisherigen einschlägigen Werke lauern: von Katholiken und Weifen wird Albrecht herabgesetzt, von kleindeutsch-preußischer und von evangelischer Geschichtsschreibung emporgehoben. Es blieb nichts anderes zu tun, als mit möglichst reichlicher Benützung der archivalischen Quellen eine detaillierte Schilderung der Ereignisse zu geben.

Mit Stammtafeln, Bildern, Index und Nachweisen ist das Buch wohlversehen; leider ist die benützte Literatur nicht in Listenform angeführt, was dem fachlich interessierten Leser einige Mühe bereitet. Der Text selbst ist aber leicht zu lesen, und der Leser findet sich in der recht komplizierten Materie erstaunlich leicht zurecht In anschaulicher Weise ersehen wir, wie der Orden einen jungen Fürstensohn wählte, um in schwierigster politischer Lage Hilfe zu finden; wie der junge Herr zwar kein Kirchenmann wurde, aber sich unverzagt der Aufgabe widmete, für die man ihn gewählt hatte: der Sicherung des Ordensstaats gegen die polnische Übermacht. Wir sehen, wie das Reich Maximilians I. und Karls V. dem Hochmeistertum nicht helfen kann; die Wiener Doppelhochzeit von 1515 macht die Habsburger gar zu Verbündeten Polens, und dem Ordensland kommt aus Deutschland keine Hilfe. Endlich ist es Albrecht müde, „wie eine Antonius-Sau*“ zwischen wenig hilfsbereiten deutschen fürst In mittelalterlichen Städten durften die Schweine, die den Spitälern des St.-Antonius-Ordens gehörten, frei herumlaufen und nach Abfällen suchen.liehen Vettern hin und her zu laufen, und er sucht den Frieden auf Polens Bedingungen.

Als Hochmeister konnte er, ohne Kirche und Reich zu nahe zu treten, dem König von Polen nicht huldigen. Als neuer Herzog konnte er das; und der Hochmeister konnte nur erblicher Herzog werden, wenn er dem Papsttum absagte. Der Lebenslauf Albrechts ist soweit ganz.. folgerichtig. Für gegenwärtigen Rezensenten interessant ist der Umstand, daß Albrechts Entscheidungen wesentlich durch seines Bruders Rat, Herrn Hans von Schwarzenberg, beeinflußt wurden; dieser aber war einer der ersten Evangelischen unter dem Adel Deutschlands. — Anderseits ist es für jene Zeit bezeichnend, daß Albrecht nun nicht etwa ruhig eine dem neuen Landesfürsten gehorsame Kirche aufbauen konnte. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Reformatoren trafen mit politischen Differenzen im neuen Herzogtum so zusammen, daß Albrecht eine ernsthafte Krise zu bewältigen hatte. Doch er übersteht alles — auch den Sieg der katholischen kaiserlichen Sache bei Mühlberg! — und hinterläßt den Seinen ein gefestigtes Herzogtum.

Das wird mit einer Fülle interessanter Details beschrieben, und das Buch wird gewiß gar vielen Freunden deutscher und osteuropäischer Geschichte willkommen sein. Als kleine Unvollkommenheit ist etwa ein Lapsus calami, S. 317 n. 27, zu nennen: Sinngemäß muß es heißen: „... suasi ut contemta ista stulta confusaque regula uxorem duceret.“ — Kopfschüttelnd lesen wir auch den Satz auf S. 288, wo die „Umtriebe des Deutschen Ordens gegen die preußische Königskrönung von 1701“ erwähnt werden. „Umtriebe“ ist ein abschätziges Wort, welches für die pflichtgemäßen Rechtsverwahrungen des Deutschen Ordens wenig passend scheint. Und diese befremdliche Wendung bringt den katholischen Leser darauf, daß überhaupt für den Charakter des Deutschen Ordens als katholisch kirchliches Institut wenig Verständnis gezeigt wird. Der Orden wird eigentlich nur als politischer Körper gesehen. Das ist insofern wichtig, als gerade dies ja der polnische Standpunkt war: Polen bestritt de Orden die Legitimation, heidnische Länder als religiöses Institut zu beanspruchen, und sah in ihm nur ein Element deutscher Expansion ... ! Hüten wir uns indes, jene Zeit in allzu nationalistischer Gestalt zu sehen. Unser Autor hat dem Sorgsam vorgebeugt, indem er auf die polnischen Bindungen der Hohenzollern verweist: Albrechts Mutter war eine polnisch-litauische Prinzessin; sein Sohn lernte polnisch (wie spätere Hohenzollern auch). Endlich verschweigt unser Autor auch die Episode nicht, wie Albrecht „als Liebhaber der deutschen Freiheit“ sich gegen den Kaiser mit Frankreich verbünden will: „es handelte sich um 26.000 Taler, die der Hochmeister für die Vertretung der französischen Interessen im Reich verlangte“. — Es ist eben ein Buch, das objektiv sein will und ein höchst wertvolles Werk darstellt.

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