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Preußen: Fragen und Antworten

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Seit 1977 reißt nach 30 Jahren Desinteresse am vergangenen Preußenstaat die Flut an Veröffentlichungen nicht mehr ab; einige der wichtigsten seien hier vorgestellt

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Seit 1977 reißt nach 30 Jahren Desinteresse am vergangenen Preußenstaat die Flut an Veröffentlichungen nicht mehr ab; einige der wichtigsten seien hier vorgestellt

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„Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende preußische Geschichte gibt es heute nicht“, schreibt Hans-Joachim Schoeps, um sein Unterfangen zu begründen, diese Lücke zu schließen, und gleichzeitig die knappe Form zu entschuldigen.

Schoeps beginnt mit dem Ordensstaat in (Ost)Preußen, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, und läßt erst dann den branden- burgischen Staat - schon hundert Jahre vorher in der Hand der As- kanier — nachziehen. Er setzt also bewußt den Akzent auf den Osten des Landes, das später bis an den Rhein reichen und aus dieser Verflechtung mit anderen Territorien und Zersplitterung des eigenen wesentliche Impulse seiner Geschichte beziehen sollte.

Schoeps faßt 700 Jahre Preußengeschichte auf 300 Seiten zusammen und läßt als „Datum, an

dem das alte Preußen zum letzten Mal sichtbar wurde,“ den 20. Juli 1944 stehen, als „der preußische Adel zusammen mit den Arbeiterführern des Landes sich in letzter Stunde zum Aufstand gegen den Tyrannen entschloß“.

Wenn es auch nicht nur Preußen waren, die das Attentat mit ihrem Leben bezahlten — Stauffenberg war Schwabe — so bekräftigen doch Namen wie York und Molt- ke, Witzleben und Schulenburg, Schwerin und Stülpnagel, Dohna und Lehndorff Schoeps These — Namen, die sich durch die preußische Geschichte ziehen.

Was war dieses Preußen, das Werner Knopp in seinem Verschwinden und Nachwirken mit Byzanz und Burgund vergleicht, wirklich? Rudolf von Thadden, Göttinger Historiker, analysiert diesen Staat in sieben Fragen, wobei die Antworten immer mit einem „aber“ versehen sind.

Wann war Preußen? Seit der Säkularisierung des Ordensstaates oder seit der Betrauung der Hohenzollern mit Brandenburg? Oder erst mit der Vereinigung beider Teüe? Und bis zur formellen Auflösung des Staates durch die Alliierten am 25. Februar 1947 oder nur bis zum Ende der Hohen- zollern-Monarchie am 9. November 1918 oder bis zur Amtsenthebung der letzten preußischen (Landes-)Regierung durch Pa- pen im Juli 1932?

Wo, wer, was war Preußen? Wie deutsch war ės - mit seinem nie ganz überwundenen Widerstand gegen die nichtpreußische, vor allem süddeutsche Komponente im Verlauf der deutschen Einigung? Von Thadden versucht zu antworten.

Eine, wenn nicht sogar die Schlüsselfigur preußischer Geschichte, ist König Friedrich II., schon von Zeitgenossen als „der Große“ tituliert, den Österreichern vor allem als Gegner Maria Theresias und Eroberer Schlesiens bekannt.

Pierre Gaxotte, französischer Historiker, legte schon 1938 seine Biographie des „alten Fritz“ vor. Zum Unterschied zum damals geltenden deutschen Geschichtsbild erkannte der Franzose dem Preußenkönig nicht wegen seiner militärischen Verdienste (die gar nicht so berühmt waren), als wegen seiner Verdienste um eine durchorganisierte Verwaltung

und als aufgeklärter Souverän den Titel „der Große“ zu. Nun erschien das Werk, vom Autor selbst noch überarbeitet, erstmals auch deutsch.

Mit Friedrich II. und dem Start Preußens in seine Großmachtposition im deutschen Raum beginnt S. Fischer-Fabian seine Betrachtung preußischer Geschichte, die er mit der Kaiserkrönung Wilhelms I. in Versaüles enden läßt— denn für Wilhelm war der 18. Jänner 1871 „der unglücklichste Tag meines Lebens: Morgen tragen wir das preußische Königstum zu Grabe".

Der Eintritt ins Deutsche Reich

war dem Preußenkönig unheimlich - was sagten die andern, die mit ihm zusammen dieses Reich bilden sollten? Was ist vom alten Preußen heute noch, in den Ländern der Bundesrepublik, in den Bezirken der DDR, erkennbar? Werner Knopp faßt seine Feststellungen in einer Reihe von Essays, in „Gedanken über einen versunkenen Staat“ zusammen.

Ein versunkener Staat, der trotzdem seine Faszination erhalten hat, selbst auf junge Menschen, die ihr Geschichtsbild unter marxistischer Verzerrung vermittelt erhielten: Manfred Bierler aus Zerbst, Jahrgang 1934,

brachte seine Faszination in einen Fernsehfilm über Friedrich und seine Frau Elisabeth Christine ein und legt nun das Drehbuch in Buchform vor.

Obwohl Preußen seit Beginn seiner staatlichen Existenz auch Küstengebiete sein eigen nannte, blieb es bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reine Kontinental^ macht. Erst 1854 nahm Prinz Adalbert den Titel Admiral an — zu dieser Zeit zählte die preußische Kriegsmarine ganze acht Hochseeschiffe, in einer Zeit, da die Engländer bereits gegen 200 Einheiten über die Meere fahren ließen.

Sechzig Jahre später trug der deutsch-englische Konkurrenzkampf auf der See zum Ausbruch des Kriegs bei. Dazwischen lag der Aufbau eines Kolonialreiches, der ohne Marine nicht möglich gewesen wäre, der Einsatz deutscher Truppen in China und Südwestafrika. Willi A. Boelcke schildert nun die Entwicklung der deutschen Marine zwischen 1822 und 1914.

PREUSSEN. Geschichte eines Staates. Von Hans-Joachim Schoeps. Ullstein-Verlag,^Berlin-Wien 1981, 672 Seiten geh., öS

FRAGEN AN PREUSSEN. Zur Geschichte eines aufgehobenen Staates. Von Rudolf von Thadden. C. H. Beck-Verlag, München 1981. 196 Seiten. Ln.. öS 212.80

FRIEDRICH DER GROSSE. Von Pierre Gaxotte. Ullstein-Verlag, Berlin-Wien, 198L 516 Seiten, geb., öS 149.—

PREUSSENS KRIEG UND FRIEDEN. Der Weg ins Deutsche Reich. Von S. Fischer-Fabian. Droemer-Knaur, München 1981.351 Seiten. geb., öS 273.60

PREUSSENS WEGE, PREUSSENS SPUREN. Gedanken über einen versunkenen Staat. Von Werner Knopp. Drost-Verlag, Düsseldorf 1981. 97 Seiten. Pbck., öS 167.20

PREUSSISCHE NACHT. Ein Film. Von Manfred Bieler. Albrecht Knaus-Verlag, Hamburg 1981.120 Seiten, Ln., öS 150J0

SO KAM DAS MEER ZU UNS. Die preußisch-deutsche Kriegsmarine in Ubersee 182B-1914. Von Willi A. Boelcke. Verlag Ullstein, Berlin-Wien, 1981. 420 Seiten, geb. öS

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