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Deutsche Geschichte

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Zwischen Petersburg und Washington. Ein Diplomatenleben. Von Friedrich P r i 11 w i t z und G a f f r 6 n. Isar-Verlag, München. 238 Seiten. 10 Abbildungen.

Der Verfasser, aus einem alten schlesischen Geschlecht stammend, war vor dem ersten Weltkrieg im deutschen diplomatischen Dienst in Washington und Petersburg tätig, wurde nach dem Umsturz 1918 von der Weimarer Republik übernommen und zuerst als Konsul nach Triest, dann als Botschaftrat nach Rom und schließlich als Botschafter nach Washington entsendet. Zum Unterschied von vielen deutschen Diplomaten, die nur sahen und berichteten, was „oben“ gehört werden wollte, bewahrte er sich immer ein offenes eigenes Urteil. So war er vor dem ersten Krieg sehr beunruhigt über die politische Lage Deutschlands, hielt während des Krieges die Vorherrschaft der Militärs und den U-Bootkrieg für ein nationales Unglück und glaubte schließlich nicht mehr an einen endgültigen Sieg der Mittelmächte. Nach dem Jahre 1918 war er ein überzeugter Anhänger der Weimarer Republik, der bedauerte, daß Preußen nicht aufgeteilt wurde. Als Hitler zur Macht kam, verlichtete Prittwitz, länger deutscher Diplomat zu lein und „sprang“ ab, in der Hoffnung, daß die anderen deutschen Diplomaten seinem Beispiel folgen und ebenfalls demissionieren würden. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte, ebensowenig wie Jahre später die Hoffnung des Generalobersten Beck, der auch „absprang“, um damit einen Generalstreik der Generale gegen Hitler auszulösen und ebenfalls mit seiner Tat allein blieb. Ein hochinteressantes Buch.

Stresemann. Das deutsche Schicksal im Spiegel seines Lebens. Von Hubertus Prinz zu Löwenstein. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 365 Seiten. 11 Abbildungen.

Die Weimarer Republik hatte bedeutende politische Köpfe. Einet ihrer besten war Gustav Stresemann, ihr jahrelanger Außenminister, einmal auch Reichskanzler. Sohn eines Berliner Gastwirtes, Korpsstudent, der Gesinnung nach nationalliberal, während des Krieges Imperialist und Anhänger von weitgehenden Annexionen, der eine Niederlage Deutschlands bis zum 1. Oktober 1918 für unmöglich hielt, innerlich immer Monarchist, wandelte er sich zum überzeugten Demokraten und Pazifisten. 1923 gelang es ihm, Deutschland aus dem Ruhrabenteuer zu befreien, 1925 den Vertrag von Locarno abzuschließen und 1926 die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund zu erreichen. Die Begrenzung der Reparationen, die Räumung des Rheinlandes waren weitere große Erfolge, die mit friedlichen Mitteln erreicht worden waren. Leider folgte das deutsche Volk nach seinem 1929 erfolgten Tod nicht seinen Spuren. Zum Schaden Deutschlands und Europas. Das Buch selbst ist gut geschrieben und gibt eine plastische Schilderung der politischen Verhältnisse der Weimarer Republik.

Geschichte der politischen Parteien in Deutschland. Von Ludwig Bergsträsser. 7. Auflage. 337 Seiten. — Deutsche Parteiprogramme vom Vormärz bis zur Gegenwart. Von Wilhelm M o m m s e n. 198 Seiten. Beide: Isar-Verlag, München.

Das erste Buch ist ein ausgezeichnetes Handbuch der parteipolitischen Geschichte des deutschen Volkes, äußerst objektiv und mit großer Sachkenntnis geschrieben. Besonders gut gelungen ist die Darstellung der Fehler über Fehler machenden Innenpolitik Bismarcks sowie der versäumten Gelegenheiten der Weimarer Republik. Der Wert des Buches wird noch durch die zahlreiche Bibliographie erhöht. Das zweite Buch stellt eine Ergänzung des ersten Werkes dar und unterzieht sich der nicht leichten Aufgabe, die Programme der verschiedenen deutschen Parteien, die oft recht verschwommen waren und sich auch änderten, mit wenigen Sätzen darzustellen.

Spanische Impressionen. Von Peter S c h m i d. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. 348 Seiten.

Dieser Reisebericht ist gründlicher, als sein Titel vielleicht erwarten ließe. Der Autor hat mit großem Eifer und sichtlicher Routine jede sich bietende Quelle benützt, darunter auch die eine oder andere, die besser unbenutzt geblieben wäre, um ein abgerundetes und — diese Intention ist unverkennbar — ein möglichst objektives Bild von Spaniens Land und Leuten zu geben. Das Resultat seiner Bemühung ist plastisch, anregend und interessant, und sicherlich geeignet, manche Fehlmeinung, namentlich auch über das heute in Spanien herrschende Regime, zu korrigieren. Allerdings, in einer Hinsicht war P. Schmid gerade für die Aufgabe, über Spanien zu berichten, sehr unlänglich gerüstet. Er spricht viel über den spanischen Katholizismus und die Geistlichkeit, und manches, was er da zu sagen hat, ist zweifellos zutreffend. Aber dem Kern dessen, was der katholische Glaube dem spanischen Volk bedeutet, steht er verständnislos gegenüber; was freilich kaum wundernimmt bei einem Mann, der erklärt, „die Kirchen zu meiden wie die Pest“, und dem es völlig unfaßbar ist, daß der Katholik in der kirchlichen Trauung mehr sieht als „ein rituelles Symbol“. Schade. Hätte sich der Autor vor Antritt seiner Reise von der Meinung befreit, den Katholizismus in die Rubrik „Ideologien“ einreihen zu können, dann wäre er dem wahren Charakter Spaniens nähergekommen. Kurt Strachwitz

Volkskunde in der Gegenwart. Von Hanns Koren. Styria, Steirische Verlagsanstalt, Graz-Wien-Altötting, 1952, 99 Seiten.

Das Büchlein enthält viel mehr und viel Wichtigeres als manches dicke Buch. In drei Hauptstücken, „Um das Forschungsziel der Volkskunde“, „Aufbau des Volkslebens“ und „Die Anwendung volkskundlicher Erkenntnisse“, entrollt es den gegenwärtigen Stand der vielzitierten und wenig gekannten Wissenschaft der Volkskunde, den organischen Aufbau und die Entfaltung ihres eigentlichen Forschungsanliegens, des Volkslebens, und die ernsten und zeitgemäßen Auswertungen ihrer Erkenntnisse im Umbruch und in der Neugestaltung der Volkskultur.

Es wird klargestellt, daß Volkskunde weder bloße Bestandsaufnahme alter Ueberlieferungsgüter noch bloße Bauernkunde ist, sondern die Wissenschaft vom Volkstümlichen in jedem Menschen (R. Weiß) und vom traditionsgebundenen Leben in volkstümlichen Ordnungen und Gemeinschaften. Das Gefüge und die Entfaltung dieser Gemeinschaften von der Keimzelle der Familie und des Hauses aus in immer größere Ringe über Sippen, Nachbarschaften, Altersklassen, Berufsstände, Stammesgruppen, Stämme zum „Volk“, das hier nicht nur als „Unterschicht“, sondern als konkretes soziales Gebilde, als gestaltete und gewachsene Ganzheit gesehen ist, bedeutet das sehr beachtenswerte, in manchen Dingen neu geschaute Kernstück der Untersuchung, das die Riehische „Idee der Nation“ in neuer Beleuchtung und gegenwartskundig bejaht. Das Kapitel „Blick auf die Gegenwart“, das auch die volkstümlichen Gemeinschaften der Industrieviertel und der städtischen Zinshäuser mit ihren zwingenden Bindungen und echt volkhaften Substanzen heranzieht, die das Proletariat — wie es Riehl vor hundert Jahren ersehnte — wirklich zum Stand in der organischen Volksgemeinschaft erwachsen lassen, deutet völlig neue Ausblicke an, die auch den Soziologen und Philosophen angehen und die auf den Weg der wissenschaftlichen Volkskunde neue, zukunftweisende Lichter werfen. „Das Gesetz der Entfaltung“, das Koren hier erstmalig in solch großem Zusammenhang aufzeigt, wird der künftigen Volkskunde mindestens ebensoviel zu bedeuten haben wie das so oft zitierte Gesetz vom „sinkenden Kulturgut“.

Das letzte, mit Schwung und großer Wärme geschriebene Hauptstück, das der Anwendung solcher Erkenntnisse gewidmet ist muß über die engeren Fachkreise hinaus jeden, der als Lehrer oder Kulturarbeiter in der Volksbildung tätig ist, in Hinkunft ein unerläßlicher Führer sein.

Ich glaube, daß dieses Büchlein eine wichtige neue Epoche auf dem Gebiet moderner Volksforschung ankündet.

Univ.-Prof. Dr. Viktor v. G e r a m b

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