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Das Kirchenlexikon stellt sich der Welt

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Der nun vorliegende vierte Band der dritten Auflage des „LThK" zeugt nicht zuletzt von Faszination und Schwierigkeiten zeitgenossischer christlich - katholi -scher Theologie. „Friiher" war alles viel einfacher: Mit Berufung auf (gottliche) Autoritat, der Erklarung der Glaubensquellen (Schrift und Tradition), einem (scheinbar) klaren Weltbild ergaben sich eindeutige Aussagen. Die sich immer noch rasant beschleunigende Entwicklung der Wissenschaften, insbesondere der so-genannten Humanwissenschaften wie Soziologie, Psychologie, Padago-gik, die stetig komplexer werdende internationale, interkulturelle und in-terkonfessionelle Gesellschaft sowie ein zunehmender Pluralismus auf alien Gebieten erlauben die Einfach-heit von ehedem nicht mehr.

Der vierte Band mit zentralen theo-logischen Stichwbrtern wie Gebet, (HI.) Geist, Gewissen, Glaube, Gnade, Gott ist wie ein Spiegel der genann-ten Herausforderungen. Alle genann-ten Eintragungen werden nach religi-onswissenschaftlichen, bibeltheologi-schen, historischen, systematischen, ethischen und praktischen Gesichts-punkten ausgefuhrt, was einseitige Engfiihrungen von vornherein ver-hindert. Gebet wird zum Beispiel in seinen biblischen Formen als persbn-liche Kommunikation mit dem einen Gott, der zugleich Erlbser Israels und Herr der Welt ist, beschrieben wie auch - vom modernen, angefochte-nen Menschen her als ursprtinglichste Weise des glaubigen Handelns vor Gott. Geist wird biblisch gedeutet als Weise der gbttlichen Selbstmittei-lung in alien Glaubigen, besonders in und durch die sogenannten Prophe-ten. Geist wird aber auch erfahrbar in alien Ereignissen der Natur und Ge-schichte. Erstaunlich selbstverstand-lich klingt es, wenn das - persbnliche, reife- Gewissen letzte Norm des Handelns sein soil, auch wenn es (schuld-los) irrt, oder daB Glaube nicht nur in-tellektuelle Zustimmung zu den ge-offenbarten Wahrheiten sondern auch Verantwortung des Menschen fiir sein glaubiges Handeln bedeutet,

das sich aus dem Vertrauen auf Gott ergibt. Symptomatisch fiir das ganze Werk ist der Artikel Gnade: gbttliches und menschliches Wirken sind keine miteinander konkurrierenden Krafte. Gottes Wirken steht der menschli-chen Selbstverwirklichung nicht im Weg, sondern fbrdert diese und for-dert sie heraus. DaB im Laufe der Theologiegeschichte nicht immer das Reden von und zu Gott menschliches Heil realisiert hat, wird immer wieder aufgezeigt, ohne daB sich die zeit-genbssischen Autoren als Richter iiber die Geschichte aufspielen.

Neben den erwahnten theologi-schen Grundsatzartikeln finden sich auch im neuesten Band Stichworte zu alien mbglichen Grenzgebieten der Theologie, zum Beispiel Geschichte (Franzbsische Revolution), Human-biologie (Genmanipulation, Ge-schlechtsumwandlung), Philosophie (Ganzheitlichkeit, Hegel, Heidegger). Zum Stichwort Frau informieren fast zwanzig Spalten. Auch dies zeigt die Sensibilitat fiir moderne Themen.

Das „LThK" versucht, mehrfa-chen, einander widersprechenden, Zielen gerecht zu werden: auf klein-stem Raum umfassend zu informieren, fiir Fachleute eine Summe der Theologie und gleichzeitig fiir Laien eine erste Einfuhrung zu geben, die lange und vielfaltige Tradition ebenso zu beriicksichtigen wie die Erfor-dernisse der Gegenwart und Zukunft, die kirchenamtlichen AuBerungen ernst zu nehmen und ihnen zugleich kritisch gegeniiber zu stehen. Nicht immer ist diese Quadratur des Kreises wirklich gelungen. So ware es etwa -nicht nur fiir den Rezensenten - hilf-reich, wenn bei den aufgelisteten Autoren (17 Spalten!) auch die von ihnen verfaBten Artikel angefiihrt waren. Alles in allem macht auch der 4. Band Appetit auf Theologie (und Glaube!) in der Welt von heute: gleichzeitig in der Treue zu Gott und zum Menschen, auf die Tradition hbrend und offen fiir die Zukunft, dem Dialog verpflichtet, ohne das unterscheidend

LEXIKON FUR THEOLOGIE UND KIRCHE

Herausgeber Walter Kasper, Band 4 Verlag Herder, Freiburg)Br. 1995 740 Seiten, Ln., oS 3.510,

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