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DR. HANS SCHAFFNER WIRTSCHAFT MIT PHANTASIE

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Aus dem Kanton Aargau kom- men niichterne, bediichtige, wenn es nottut aber auch sehr tatbereite und ausdauerud-zake Menscken. (Die Habsburg des „armen Grafen" Rudolf stand dort, auf dessert Kaiserwiirde sick die GroBmdchti- gen des Abendlandes von 1274 einigten, als sie sick untereinan- der sckon uber gar nickts anderes wiekr einigen konnten.) Die sckwei- zeriscke Eidgenossenschaft war auck in der neueren Zeit gut be- raten, wenn sie Manner aus die- sem Kanton in ihre kollegiale Staatspitze, den Bundesrat, ent- sandte. Der letzte Aargauer in die- ser Kbrpersckaft war Bundesrat Sckultkess, der 1934 ausschied. Nun hatte die Vereinigte Bundes- versammlung der Sckweiz in die es tnit sich bringen, daft die vier neutralen Mitgliedstaaten Schweiz, Schweden, Finnland und Osterreich zwar ihre rein wirtsckaftlichen In- teressen weiterhin — vor allem bei Verhandlungen tnit der EWG — tnit den iibrigen, machtigeren EFTA- Staaten koordiniert halten, ihre be- sonderen politischen Probleme aber in einer gemeinsamen Front ver- treten miissen. Als naturgegebener Sprecher einer solchen neutralen Gruppe wtirde sich der Vertreter der Schweiz wohl von selbst an- bieten. Trotz eines ausdriicklicken Dementis Petitpierres wird sein Name auch weiterhin im Zusam- menhang mit einem Plan des bster- reichischen Auflenministers ge- nannt, der eine neue Struktur der europdischen Zusammenarbeit der beiden Wirtschaftsbldcke entwik- keln soli.

Dr. Schaffner kommt aus der Wirtschaft. Ihm sind nicht nur die Probleme seines eigenen Landes vertraut, dessen Zentrale fur Kriegswirtschaft der damals noch junge Jurist im Bundesamt fiir Industrie, Gewerbe und Arbeit seit 1941 leitete. Er kennt als besonde- rer „Delegierter fiir Handelsver- trage", die er nach dem zweiten Weltkrieg mit fast alien Staaten abzuschlieflen hatte, die internationale Situation wie haunt ein zweiter. Die Schweiz stellte ihn an die Spitze ihrer Verhandlungsdele- gation in alien Organisationen wirtschaftspolitischer Art, an denen sie beteiligt ist. Einen Holte- punkt fand diese Tdtigkeit bei der

Griindung der EFT A, vor allem bei der Gestaltung des modernen Zoll- tarifs, der fiir die Schweiz ja in vieler Hinsicht einen Abschied von manchen wirtschaftlichen Traditio- nen bedeutet. Aber der niichterne Mann der Wirtschaftsverwaltung, der in diesen Tagen seines Amts- antritts die Freunde aus seiner Partei ausdriicklich bat, ihm beim Zurechtfinden im eigentlichen par- lamentarischen Getriebe, das er, der „von oben“, das heiftt von den Rangen der Biirokratie her, kommt, nicht von der kommunalen Pike auf kennenlernte, verfiigt noch iiber eine andere Eigenschaft: Die „Laudatio“, mit der ihm die Universitat Bern vor zwei Jaliren fiir seine Bemiihungen um die euro- pdische Wirtschaftsorganisation das Ehrendoktorat verlieh, nennt sie in der Widmung beim Namen: „Dem Juristen, der auf Grund umfassen- der Kenntnis der volks- und welt- wirtschaftlichen Zusammenhange mit Phantasie und Hingabe das werdende internationale Wirt- schaftsrecht gestalten hilft".

Von Phantasie ist ansonsten in juristischen Diplomen nur selten anerkennend die Rede. Hier trifft dieses Wort genau das Zentrum: Phantasie bedeutet fiir den kom- menden Leiter der eidgendssischen Auflenpolitik kein ziigelloses Schweifen, keine historisierende Kostiimvarade. Sie bedeutet Mut zu neuen Formen und Bildern einer Zukunft, deren Vision nicht nur aus Zal'lenkolonnen und Zolltarifen bestehen kann..

sen Tagen die schwere Aufgabe, einen Nachfolger fiir Bundesrat Max Petitpierre zu bestimmen, der das „ Politische Departement" (praktisch das Auflenamt) in den vergangenen sechzehn Jahren nicht nur als pflichtbewuflter Sachwalter geleitet, sondern auch ein neues, dutch den Begriff der Solidaritdt erganztes und erfulltes Konzept der traditionellen Neutralitat aus- gearbeitet hatte, von dessen Grund- satzklarheit und Weite der jetzt wegen gesundheitlich bedingter Uberlastung Ausscheidende in einer groflen Abschiedsrede noch einmal Zeugnis gegeben hatte.

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