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Nur zwei weitere Golfpldtze far Tirol

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VON FRANZ SINT

In den friihen neunziger Jahren wurden rund zwei Dutzend Golf-platzprojekte in mehr oder weni-ger ausgereifter Form an das Land Tirol herangetragen - die meisten zur Vorpriifung, einige aber auch zur Ge nehmigung der Flachenwidmung be-ziehungsweise zur naturschutzrecht-lichen Bewilligung. Angesichts dieser Flut von Projekten, die in manchen Orten zu Unfrieden unter der Bevolkerung fiihrte, hat es die Tiroler Lan-desregierung als erforderlich erachtet, die Grundlinie der Landespolitik in der Golfplatzfrage neu zu positionie-ren.

1993 wurden in Tirol zehn Golfan-lagen mit insgesamt 123 Lochern be-trieben; vier Anlagen waren 18-Loch Golfplatze. In den Tiroler Golfclubs waren 3.500 Spieler organisiert. Der Auslanderanteil war mit 35 Prozent extrem hoch.

Da die Auseinandersetzungen um den Golfplatz meist sehr emotional gefiihrt werden, wurde es als erforderlich erachtet, die von beiden Seiten vorgebrachten Argumente mit ganz besonderer Sorgfalt zu hinterfragen und so weit wie moglich ganz konkret an den Tiroler Verhaltnissen zu iiber -priifen.

Von den Befiirwortern wurden fol-gende Argumente ins Treffen gefiihrt:

Der Golfplatz ist zur Entwicklung des Tourismus notwendig und dient als Sportstatte fiir den Breitensport der Tiroler Bevolkerung.

Viel langer und eindrucksvoller ist die Liste der Argumente, die die Golf-platzgegner anfiihren:

■ Extremer Mangel an geeignetem Gelande in Tirol, Entzug von Bau-land, landwirtschaftlichen Nutz- und offentlichen Erholungsflachen

■ Wasser- und Bodenbelastung durch Verwendung von Diingemitteln und

Pestiziden, Zerstorung von Vegetati-, on und Tierwelt, Beeintrachtigung des Landschaftsbildes ■ Unrentabilitat, holier auslandischerd . Spieleranteil, Gefahr des Ausverkaufs Tirols an EU-Biirger und mangelnde soziale Akzeptanz.

Eine ganze Reihe von Argumenten der Golfplatzgegner steht auf recht schwachen Beinen: Nach den Unter-suchungen von Univ.-Prof. Neururer von der Bundesanstalt fiir Pflanzen-

schutz ist die Wasser- und Bodenbelastung durch die Verwendung von Diingemitteln und Pestiziden gerin-ger als auf intensiv gediingten Wie-sen. Nach der derzeitigen Bewilli-gungspraxis hat kein Golfplatzprojekt eine Chance auf eine naturschutz-rechtliche Bewilligung, bei dem die Vegetation und die Tierwelt zerstort werden. Die Beeintrachtigung des Landschaftsbildes ist subjektiv; wahrend fiir den einen jede Verande-

rung der traditionellen Natur- und Kulturlandschaft negativ ist, sind fiir den anderen kiinstliche Parkland-schaften - soweit das AusmaB der Bunker nicht zu groB ist - durchaus kein stbrender Anblick.

Das Argument des Entzugs von offentlichen Erholungsflachen ist nur teilweise stichhaltig, da in Tirol Golfplatze fast ausschlieBlich auf land-

wirtschaftlichem Grund errichtet werden, auf dem nach dem Tiroler Feld-schutzgesetz wahrend der Vegetations-zeit das Begehen und Lagern verboten ist. Auch die Unrentabilitat stimmt hbchstens bei einzelwirtschaftlicher Betrachtung - obwohl zwei Tiroler Golfplatze auch in dieser Hinsicht Ge-winne aufweisen -, bei einer gesamt-wirtschaftlichen Betrachtung unter Beriicksichtigung der Auswirkungen auf den Tourismus jedoch keineswegs.

Vor allem zwei Argumente der Golfplatzgegner sind jedoch nicht zu widerlegen. Nur etwa 55.000 Hektar, das sind weniger als fiinf Prozent des Landes Tirol, sind fiir die Anlage von Golfplatzen geeignet. Davon sind un-gefahr ein Drittel durch Bauland oder Infrastrukturanlagen wie StraBen oder Eisenbahnen bereits besetzt. Die ebenen Tal- und Terrassenanlagen stellen den Kern des Tiroler Lebens-und Wirtschaftsraumes dar, hier leben mehr als 80 Prozent der Bevolkerung, hier werden mehr als 90 Prozent der Arbeitsplatze angeboten, hier liegt das wichtigste Produktionsgebiet fiir die Landwirtschaft und ein wesentliches Naherholungsgebiet fiir die einheimi-sche Bevolkerung.

Demgegeniiber steht das auBerst flachenintensive Golfspielen. Die Ka-pazitat eines 18-Loch-Golfplatzes mit etwa 50 Hektar reicht wahrend eines langen Sommertages fiir maximal 200 Golfspieler. Im Vergleich dazu haben die Tiroler Golfzentren Seefeld und Kitzbuhel 8.500 beziehungsweise 7.200 Betten, das ganze Land sogar astrono-mische 370.000. Auch bei Beriicksichtigung von Begleitpersonen und der mehr als doppelt so hohen Tagesausga-ben der Golfgaste kann das Golfspielen in Tirol einfach keine tragende Saule des Sommertourismus werden.

Oder machen wir die Bechnung mit den einheimischen Spielern auf. Ge-hen wir davon aus, daB ein Club mit 800 Mitgliedern einen 18-Loch-Golf-platz betreibt. Bei dieser Rechnung benbtigt ein einheimischer Golfspieler fiir sein Hobby mehr als 600 Qua-dratmeter Grundes in bester Lage aus-schlieBlich fiir sich. Dies ist mehr als heute einer Familie fiir das Grundbe-diirfnis Wohnen zugebilligt wird.

Das zweite triftige Argument gegen den Ausbau des Golfangebotes ist die mangelnde soziale Akzeptanz. Der GroBteil der Bevolkerung Tirols lehnt den Bau von Golfplatzen ab, viele sogar mit hohem emotionalen Einsatz. Gegen fast alle Tiroler Golfplatzpro-jekte haben sich Btirgerinitiativen ge-bildet, was nicht selten zu Unfrieden in den betroffenen Gemeinden fiihrt.

Nach der Abwagung aller Argumente wurde von der Tiroler Landes-regierung eine restriktive Politik be-schlossen. Es wurde folgende Strategic festgelegt:

■ Beschrankung der Errichtung zu-satzlicher Golfplatze auf Tourismus-intensivgebiete und innerhalb dieser

■ Beschrankung auf die Gebiete mit den grbfiten Baumreserven.

Die Tourismusintensivgebiete wurden unter Verwendung von zehn Indi-katoren ermittelt. Zur Messung der Raumreserven wurde ein „Raumres-sourcen-Kennwert" (RRK) ermittelt. Die aktuellen Projekte in den Touris-musintensivgebieten wurden nach dem Durchschnitt des RRK aus Region und Gemeinde gereiht. Nur den zwei ersten Projekten wurde die Zu-stimmung erteilt. Das Tiroler Golf-platzkonzept wurde von der Landesre-gierung nach ausfiihrlicher Beratung in den Raumordnungsgremien im Juli 1993 beschlossen und auf 5 Jahre be-fristet.

Der Autor ist

Beamier der Tiroler Raumplanung.

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