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Digital In Arbeit

Sammelbecken der Wendehalse

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Kein Medienkrieg in Ungarn. Die Sprachregelung will die schon monatelange Auseinandersetzung urns Fernsehen als Medienstreit gewertet wissen. Ein Beispiel furs schwierige Ringen Ungarns um die Demokratie ist das haliliche Hick-Hack, von dem auch Staats-prasident Arpad Goncz nicht verschont blieb, allemal.

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Kein Medienkrieg in Ungarn. Die Sprachregelung will die schon monatelange Auseinandersetzung urns Fernsehen als Medienstreit gewertet wissen. Ein Beispiel furs schwierige Ringen Ungarns um die Demokratie ist das haliliche Hick-Hack, von dem auch Staats-prasident Arpad Goncz nicht verschont blieb, allemal.

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Der Streit urns ungarische Fernsehen (FURCHE 26/1992) soil bald abflauen. Die christlich-nationale Koalition Jozsef Antalls hatte in den vergangenen Monaten Staatsprasident Arpad Goncz mehrere Male vergeb-lich um die Abberufung des TV-In-tendanten Elemer Hankiss gebeten. Der Staatschef blieb unerschiitterlich. Unterstiitzt wurde er dabei von der liberalen, radikalen und sozialisti-schen Opposition, die in den Bestre-bungen der Regierung den Versuch sah, die Medien unter staatliche Kontrolle zu bekommen.

Wie weit diese Befiirchtung begriin-det ist, sei dahingestellt. Fest steht, daB es nach wie vor kein Medienge-setz gibt, das das Verhaltnis von Funk und Fernsehen zur jeweiligen Regie-rung regelt. In den vergangenen zwei-einhalb Jahren hat sich die Koalition erstaunlicherweise auBerstande gese-hen, eine entsprechende Vorlage aus-zuarbeiten.

Zugleich reagieren die meisten Mitglieder der Mannschaft Jozsef Antalls noch immer mit einer gewis-sen Empfindlichkeit auf jede Kritik. Auf viele Magyaren wirkt dies nicht gerade vertrauenserweckend. Genau-sowenig konnte TV-Intendant Hankiss Vertrauen erwecken, der jeden leitenden Redakteur entlieB oder er-barmungslos versetzte, der im Ver-dacht stand, regierungsnahe zu sein. Der Klarheit halber: es handelte sich dabei um jene langjahrigen Genos-sen, die in der Zeit der groBen Bekeh-rungen ihre Zukunft im Demokraten-forum zu erblicken wahnten.

Andererseits trifft aber auch zu, daB Funk- und Fernsehen unverandert als Sammelbecken jener Individuen fun-gieren, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit als die eifrigsten Propa-gandisten der kommunistischen Manipulation augezeichnet haben -als hatte kein Systemwechsel stattge-funden. Es ist grotesk, aus dem Mun-de jener Chefkommentatoren Lobes-hymnen auf den gewahlten US-Prasi-denten Bill Clinton zu horen, die sich vor vier Jahren noch in der Beschimp-fung des amerikanischen Imperialis-mus iiberboten haben.

Finanzielle MiBbrauche

Hinzu kommt noch, daB die sagen-hafte Wirtschaftskriminalitat, die das vergangene Regime nicht nur ermog-licht, sondern auch geziichtet hat, in beiden Institutionen fortlebt - auf Kosten des Steuerzahlers. Einer neu-lich veroffentlichten Untersuchung des Finanzministeriums zufolge soli dem Fernsehen allein in den vergangenen zwei Jahren infolge ungeklar-ter Werbegeschafte ein Verlust in der Hohe von 400 Millionen Forint (100 Schilling sind etwa 600 Forint) ent-standen sein. Die Vergabe eines - nie ausgefiihrten - Sendeauftrags kostete den Staatshaushalt eine Milliarde Forint; hinzu kommen noch weitere Millionen, die als Vorschusse fiir unrealisierte Beitrage ausgezahlt worden sind.

Gegen den Wirtschafts- und Pro-grammdirektor hat die Staatsanwalt-schaft bereits Ermittlungen eingelei-tet. Intendant Hankiss wurde suspen-diert, ihn erwartet ein Disziplinarver-fahren. Die Opposition, die in ihrer ersten Reaktion der Regierung vor-warf, ihre Ziele mit Hilfe der Justiz erreichen zu wollen, hat nach der Vernehmung der zwei Direktoren durch die Polizei durchblicken las-sen, die Frage der Verantwortung des Intendanten vorlaufig nicht anschnei-den zu wollen.

Da aber das Gesicht gewahrt werden muB, wird noch etwas gewettert. Doch die Akzente haben sich bereits verschoben: anstatt Medienkrieg wird nur noch von Medienstreit gespro-chen.

Zu befiirchten ist, daB demnachst eine nicht gerade unwesentliche Frage gemeinschaftlich unter den Tep-pich gekehrt wird. Der im Friihjar von der Regierung ernannte Vize-Inten-dant Gabor Nahlik hatte zwei Tage nach seinem Amtsantritt angekundigt, im Besitz von Beweisen fiir schwere finanzielle MiBbrauche zu sein. Die damals von ihm genannten Daten stim-men weitgehend mit den im Bericht des Finanzministeriums enthaltenen uberein. Warum und von wem er sei-nerzeit zuriickgepfiffen wurde, will heute niemand mehr wissen. Der Steuerzahler wird sich weiter fragen miissen, was wohl aus seinem Geld geworden ist.

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