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Rotes Geld auf schwarzen Konten

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Die Macht haben sie in vielen Ländern bereits abgegeben .Schwererfällt der Abschied vorn Parteibesitz. Osteuropas Kommunisten haben Angst vor „Vergesellschaftung" ihres Eigentums.

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Die Macht haben sie in vielen Ländern bereits abgegeben .Schwererfällt der Abschied vorn Parteibesitz. Osteuropas Kommunisten haben Angst vor „Vergesellschaftung" ihres Eigentums.

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Das Tempo der Rückgabe des oft auf suspekte Art erworbenen Vermögens der kommunistischen Parteien Osteuropas befindet sich auf verschiedenem Niveau: Während in Polen und Ungarn die Übergabe fast abgeschlossen ist, in Bulgarien die Kommunisten zögernd damit beginnen, herrscht in Rumänien Stillschweigen über diese Angelegenheit. Schmerzlicher als der Abschied von der Macht, fällt den Genossen der Abschied von den fetten Konten. Da Geld und Macht oft eng verbunden sind, ist das Gerangel um den Parteibesitz in allen Lindem Osteuropas zum ????olitikum

ersten Ranges geworden. Vergangenen Herbst begann die Regierung Mazowiecki mit der Entflechtung von Partei- und Staatsbesitz. Als erstes mußte die polnisch ???? KP auf Steuerfreiqeit und üppige Subventionen verzichten. Verbunden mit dem rapiden Mitgliederschwund führte diese Maßnahme zum Austrocknen des polnischen KommlUlismus.

Ende Februar set.zte die Regierung eine Kommission ein, die die Rechtmäßigkeit des Erwerbs der Parteimittel überprüfen sollte. · Zwar wehrten sich die roten FunktiQnäre verbissen gegen diese „ bolsc;hewistischeo, MethOder)", jedoch ve,r'geblich. In de,f Folge mußien die

Kommunisten 4.400 von 5.203 Gebäuden dem Staat zurückgeben. Trotzdem ist diese Lösung noch relativ großzügig, denn die Kommunisten konnten nur bei 23 Gebäuden die Legitimität des Besitzes dokumentarisch nachweisen. Außerdem beließ ihnen die Regierung den mobilen Besitz, der auf 4,4 Milliarden Zloty geschätzt wird, darunter auch über tausend Fahrzeuge

Besonders viel Streit gab es um das Kronjuwel der Partei, der Prasa- Verlagsgesellschaft. „Prasa" erwirtschaftete immerhin 70 Prozent des jährlichen Parteieinkommens. Der Monopolist regierte unter anderem über 2 1 Druckereien, 22.000 Kioske, vier Erholungsressorts und zwei Import-Export Firmen. Ein Gesetz, daß die formal genossenschaftliche Struktur des Verlags auflöste, versetzte im März dem Imperium den Todesstoß

Als im Sommer des Vorjahres die weitsichtigeren der ungarischen Genossen die Felle davonschwimmen sahen, begann man massiv mit dem „Weißwaschen" des Parteivermögens: das Geld wurde in Boutiquen, Baufirmen und derlei mehr umgeleitet. Diese Transaktionen sind inzwischen aufgrund heftiger 'Proteste der Öffentlichkeit weitgehend - auf gerichtlichem Wege - wieder rückgängig gemacht worden. Die Parteihauptzentrale in Budapest wurde bereits geräumt. Die sozialistische Nachfolgepartei hat eingesehen, qaß man i!J: Hinkunft.in bescheideneren RäumijchkeitE!n

ausreichend Platz finden wird. In Bulgarien geriet der Streit um das Parteivermögen zum Wahlkampfschlager der Opposition. Diese klagte über die finanzielle Übermacht der Kommunisten, di'e bei ihrer Wahlkampagne mit den Finanzen nicht knausern mußte. Nach Schiwkows Fall vergangenen November wurden die 28 Villendes gestürzten tliktators zum öffentlichen Gebrauch freigegeben. Das Politbüro verfügte, daß die Liegenschaften als Waisenhäuser, Erholungsheime und für andere soziale Zwecke fungieren sollten.

Anfang ·Februar hatte die bulgarische KP in ihren neuen Statuten festgelegt, daß der umstrittene Parteibesitz via Mitgliedsbeiträ'ge, Spenden oder wirtschaftlicher Investitionen quasi freigekauft werden solle. Eine Kommission hat inzwischen errechnet, daß der diesjährige Erlös der Mitgliedsbeiträge lediglich 25 Millionen Lewa - ein Drittel dessen des Vorjahres - betragen werde. Um die Finanzen zu retten, hat der Oberste Rat der Partei beschlossen, das Stammkapital in vier Großbetrieben anzulegen. Beim gegenwärtigen Abwärtstrend der bulgarischen Wirtschaft sicher ein riskanter Schritt.

In Rumänien ist die Situation . reichlich undurchsichtig. Einen Monat nach dem Aufstand wurde das gesamte Parteivermögen, sprich Ceausescus Erbteil, beschlagnahmt; Der Umfang .der Konfiskation ist bea'chtlich: 2 1 Villen, 4' 1 Gästehäu-

ser, 22 Jagdsitze, 55.000 Hektar Agrarland und der Trust „Carpati" , der 60 Unternehmen mit 48.000 Angestellten umfaßt, wurden formell dem Staat übergeben. Was . damit geschehen soll, ist noch nicht . geklärt. Vielleicht folgtlliescu auch in dieser Angelegenheit Ceausescus Spuren?

Die Haltung der Kommunisten in derTschecho-Slowakei in bezug auf ihr Finanzgebahren reizt äie Karikaturisten in Prag und Preßburg zu unzähligen Cartoons. „Es lebe das Zentralkomitee! Aber nur voin eigenen Geld", kann man auf Handzetteln, die kritische Geister an die Fensterscheiben der Kaufhäuser geklebt haben, lesen. Ende Jänner hatte die Wirtschaftsabteilung der Partei verkündet, daß fast alle Gebäude im Tausch für kleinere Quartiere dem Staat übergeben werden sollen. Das Zentralkomitee behauptete, daß von dem 1,3 MilliardenKroμen- Besitz 80 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen, 171 Millionen vo.n Steuern von Parteibetrieben und 70 Millionen aμs Staatszuschüssen stammen. Über den echten Umfang des Vermögens gingen die Meinungen auseinander: Die Opposition errechnete 9,5 Milliarden Kronen, das KP-Organ „Prawda" sprach 'Mitte Mai von fünf Milliarden an Parteivermögen. Die Kommunisten möchten jedenfalls 800 ????illionen Kronen als „Rente" behalten.

Inzwischen hat sich herausgestellt, daadie Partei jähtlich eine halbe ,Milliarde Kronen als „Handgeld '' abgezweigt hatte, ohne daß die Nationalversammlung ordnungsgemäß unterrichtet worden wäre. Auch wenn Parteisekretär Vasil Mohorita im Zuge des Wahlkampfes gegen den verordneten „finanziellen Striptease" wetterte, gingen doch mit 1. Juni alle Immobilien der 'Partei in Staatsbesitz über. Mit einem Teil davon sollen jene Parteien, die 1948 enteignet wurden, abgefunden werden.

Den Höhepunkt des Kampfes um das Parteivermögen bildete am 1 1 . April ein zehnminütiger Generc.1- streik zwecks „Rückgabe des unrechtmäßig erworbenen Besitzes". Außerdem sollte die Partei noch vor den Wahlen finanziell auf „ dieselbe Ausgangslage wie die übrigen Parteien" gebracht werden.

Die Angst vor dem Stimmenkauf kam nicht von ungefähr, sah man doch Funktionäre mit Bonbonnieren und Gutscheinen in Altersheime ziehen. „Reichen dir 30 Silberne?", fragt der zigarrenrauchende Parteibonze die bucklige Alte auf einer Karikatur der liberalen Tageszeitung „Verejnost". Gerüchte über massiven Stimmenkauf unter den Zigeunern machten ebenfalls die Runde

Die kritischen Medien bringen jedenfalls Leserbriefe, wo ständig Beschwerde gegen die „Krämerseelen" in der gegenwärtigen Parteispitze geführt wird. Die Belegschaft des Fahrradwerkes „Favo- . rit" in Rokycany forderte Parteichef Adamec auf, sämtliche Beitragszahlungen als Spende für Umweltschuz und Gesundheitswesen abzugeben, „umso Reparationsleistungen an die schuldlos Geschä- · digten zu leisten". Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die Kommunisten, die vor 40 Jahren die „Vergesellschaftung des Eigentums" betrieben, jetzt vor nichts mehr als eben derselbigen Angst haben

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