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Vom ewigen Soldaten

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Zwolf Kiinstler aus Kroatien, Slo-wenien und Osterreich nehmen Stellung zum Thema „Krieg", als Betroffene, als BeeinfluBte. Aus-gestellt sind ihre Werke in der Karntner Landesgalerie. „Der Mythos des Krieges wird gegen jede existentielle und okonomische Vernunft auf der nationalen wie auf der individuellen Ebene positiv besetzt und medial ze-lebriert", so Galerieleiter Arnulf Rohsmann. Primare Motivation von Kriegen sei Beseitigung oder Verstar-kung von Ungleichgewichten, Mittel sei - geradezu archaisch - immer noch die Waffe. „Fur keinen anderen Bereich ist die Sozialisierung der In-vestitionen so einfach durchzusetzen wie fur den Krieg; nirgends sonst bleibt die Privatisierung der Gewinne so wenig hinterfragt, und nirgends sonst wird die Privatisierung der Be-lastungen so fordernd vorausgesetzt", iiberlegt Rohsmann die wirtschaftli-chen Aspekte. Die Belastungen reich-ten von den alltaglichen Entbehrun-gen iiber die Zerstorung sozialer Ge-fiige bis zum Verlust der kbrperlichen Integritat und des Lebens. „Die Alli-anz von GroBmachtgebarde und Re-klame fiir die Nuklearindustrie hat das bei den jungsten Versuchen im Mururoa-Atoll riicksichtslos demon-striert."

Durch den am Balkan beginnen-den ProzeB der Friedensfindung beginnt die Mbglichkeit der Aufarbei-tung sowohl der politischen Ereignis-se als auch der personlichen Erlebnis-se. Die ausgestellten Werke nehmen auf allgemeine Erscheinungen von Gewalt in der Gesellschaft Bezug und/oder reflektieren bestimmte martialische Ereignisse.

Aus Slowenien kommen Marina Grzinic, Aina Smid und Alen Ozbolt. Der dreiBigjahrige Laibacher Ozbolt zeigt mit „The Cartographie. (Cutting Space)" in Rechtecke zerschnit-tene, beliebig zusammengesetzte Landkarten. Im daran anschlieBen-denRaum,dem „MapreadingRoom" soil strukturiertes, weiBes Papier fur das Wesen von Erde/Land/Heimat sensibilisieren. Ozbolt dazu: „Wirsind keine Nomaden, und der Verlust der Erde/des Landes ist eine Metapher fiir den Verlust der Fruchtbarkeit und auch eine Metapher fiir den Verlust von Leben. Die Verdrangung aus dem Raum ist ein Hinausdrangen aus dem Leben."

„Mit der taglichen Konfrontation von Krieg und Gewalt durch die Be-richte in den Medien, aber auch durch die immer starker werdende Beein-flussung der Realitat durch die zu-

nehmende Medialisierung der Um-welt, durch die Fiktion von Gewalt", erklart die Kunsthistorikerin Christine Grundnig, „wurde eine noch nie dagewesene Omniprasenz der The-matik ,Krieg' erzielt." Krieg als Ku-mulation von Gewalt sei eine aggressive Form der Kommunikation, die nie zur Beseitigung eines Konfliktes gefiihrt habe.

Die beiden Kiinstlerinnen Marina Grzinic und Aina mid, die sich seit 1982 mit Video-Kunst beschaftigen, setzen sich in „Virtual Bread" mit der Rolle der Medien, insbesondere des Fernsehens bei den aktuellen politischen Ereignissen im ehemaligen Jugoslawien auseinander. Marina

Grzinic dazu: „Die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina wurden nicht nur simultan auf der ganzen Welttoleriert." Der Klagenfurter Julius Deutschbauer zeigt die Silhouette eines Frontsoldaten aus dem Ersten Weltkrieg, damals ein Spielzeug zur Unterstiitzung des Kriegsfonds. Die Ausschneidefigur, ein „ewiger Sol-dat", deutet auf keinen bestimmten Krieg hin, sondern „begann damals zu laufen, in Sarajewo, wo der Erste Weltkrieg ausbrach, und er lauft ewig weiter".

Keine plakative Gesellschaftskritik, sondern ein neuer Umgang mit menschlicher Destruktion gelang dem Zagreber Dalibor Martinis mit „Register". Im dammrigen Raum lie-gen auf mehreren gleichen Tischen aufgeschlagene Registerbticher, eine endlose Reihe anonymer Namen wird auf die Seiten projiziert. Spekulativ und eher seicht wirken die Beitrage von Peter Putz und Cornelius Kolig. Putz schopft aus seinem „Ewigen Ar-chiv" eine Mischung von Fotos. „Bil-der, die die Welt erschiittem mussen", sollen die „asthetischen Kompositio-nen ohne Beriicksichtigung ihres In-formationsgehaltes" sein. DaB der „Furz ontologisch langst nicht ausge-deutet ist" bewog Kolig, aus seiner „Dicken Berta", einem Kanonenrohr, seine CD-Produktion, auBer anderen menschlichen Gerauschen auch Fiirze erschallen zu lassen. Thomas Zaun-schirm fand bei Klaus Theweleit eine Erklarung: „Die Front ist identisch mit dem SchlieBmuskel, der es nicht mehr zuriickhalten kann: der Krieg geht in die Hose."

Faszinierend und angsteinfloBend ist der von W. W. Anger konzipierte Raum „SchuB/GegenschuB". 27 han-delsiibliche Waffen, im MaBstab 1:1

aus Holz geschnitzt und auf drei ver-tikalen Bewegungsachsen angeord-net, werden beim Betreten iiber Be-wegungsmelder in Aktion gesetzt. Der Betrachter ist als Auslbser und Bedrohter beteiligt.

Abseits vom politischen Kriegsbe-griff befaBt sich Wolfgang Walken-steiner mit dem Krieg im Mythos des Orpheus. Das einfache Konzept Werner Hofmeisters, groBe Lettern mit „Habt acht!" auf die Wand schreiben zu lassen, scheint nicht ganz aufzuge-hen. In Rontgentechnik, die er auch beruflich verwendet, durchleuchtete Wolfgang Reichmann eine 15 Zenti-meter groBe Hitler-Figur. Ein Pro-dukt der Alltagskultur aus der Zeit des

Zweiten Weltkrieges wird als gesell-schaftspolitisch wirksames Instrument entlarvt.

Mit einer Installation von Sandsacken, ironischerweise durch Kissen ersetzt, arbeitet Sanja Ivekovic Fragen, wie sich Menschen gegen Be-schuB schiitzen, auch im iibertra-genen Sinne auf. (Bis 5. Mai)

Ausstellungsbegleitend

werden Fuhrungen (jeden Dienstag um 18 Uhr, Donnerstag um 12 Uhr), „ Treffpunkt Kunst" am 22., 24. und 25. April jeweils um 18.30 Uhr sowie eine Kunstwerkstatt fiir junge Leute von 8 bis 14 Jahren am 17. und 24. April, jeweils um 16.30 Uhr angeboten. Telefo-nische Riickfragen und Anmeldungen unter Tel Nr. 0463/536-30342.

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