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Fehlplanung: Kiriat Malachi

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Auf der FahrstraBe von Beersheba, der Wiistenstadt, in der seinerzeit Stammvater Abraham seine Zelte aufschlug, nach dem modernen Tel Aviv liegt das Stadtchen Kiriat Malachi. Die Einwohner dieses Stadtchens setzen sich hauptsachlich aus Neueinwanderern zusammen, die erst nach 1948 ins Land kamen.

„Ungelernt“ geblieben

Asgad Paldi, Mitarbeiter der For- echungsabteilung des israelischen Siedlungsministeriums, verfaBte eine soziologische Studie uber die Ab- sorbierung der Neueinwanderer in Kiriat Malachi, die auch fiir alle anderen neuen Siedlungsstadte Israels Gultigkeit hat. Diese Studie ist das Ergebnis einer Befragung von etwa 400 Familienvatern und anderen Einwohnern eines Drittels der Stadt.

Es stellte sich heraus, daB die Einwanderer, die in arbeitsfahigem Alter nach hier kamen, zum groBten Teil auch heute ihren Lebensunter- halt als ungelernte Arbeiter verdie-

nen. Nur ungefahr ein Drittel von ihnen konnte einen Beruf ergreifen, meistens manueller Art. Diejenigen Neueinwanderer, die im schulpflich- tigen Alter einwanderten, auch wenn sie bereits 13 bis 14 Jahre alt waren und nur noch ein bis zwei Jahre Elementarschule in Israel genossen, konnten zu mehr als 50 Prozent ein Fach erlernen. Von den ungelernten Arbeitern sind nur 54 Prozent mit ihrer Arbeit und ihrem allgemeinen Los zufrieden. Bei den gelemten Arbeitem belief sich dieser Prozent- satz hingegen auf 68 Prozent.

Von den Bauarbeitem waren 68 Prozent mit ihrem Los zufrieden. Von den Facharbeitern in Industrie und Handwerk waren es eben- falls 68 Prozent. Die ungelernten Bauarbeiter hingegen waren nur zu

59 Prozent mit ihrem Los zufrieden, wahrend sich die Zahl der Zufrie- denen in Industrie und Handwerk auf 56 Prozent belief.

Die „Alten“ und die „Neuen“

Die Zahl der Zufriedenen bei Angestellten der offentlichen Dienste dagegen war eine viel hohere und erreichte 61 Prozent. Fiir Israels Planer lag die groBte Enttauschung darin, daB es die meisten Unzufrie- denen unter den landwirtschaft- lichen Arbeitem gab, denn nur 39 Prozent von ihnen waren mit ihrem Los zufrieden, hatte man doch seinerzeit gehofft, daB der groBte Teil der Einwohner Kiriat Malachis seinen Unterhalt in der Landwirt- schaft flnden wird.

Die meisten Neueinwanderer in Kiriat Malachi stammen aus orien- talischen Landern. Eine der Haupt- aufgaben der Israelregierung war, diese neuen Burger mit modernen Arbeitsgewohnheiten vertraut zu machen. Ein groBer Teil von ihnen wuBte nicht, was ein achtstiindiger Arbeitstag bedeutet, denn in ihren Herkunftslandem waren sie Hausie- rer, Handler und nur in wenigen Fallen kleine Handwerker, die noch nach mittelalterlichen Methoden arbeiteten. Ungefahr 80 Prozent der neuen Israelis wurden kurz nach ihrer Einwanderung bei Notstands- arbeiten, wie zum Beispiel Auffor- stung, Hilfsarbeiten beim StraBen- bau usw., beschaftigt. Zwischen den Jahren 1959 bis 1964 wurden die Not- standsarbeiten auf zirka 50 Prozent reduziert, da sich nun die Halfte der Arbeiter regulare Arbeitsplatze sichem konnten.

Einer der wichtigsten Griinde fiir den niedrigen Lebensstandard dieser neuen Burger ist die groBe Anzahl ihrer Kinder. Eine Durchschnitts- familie in Kiriat Malachi besteht aus 5,6 Seelen, im Gegensatz zu 3,8 See- len des israelischen Landesdurch- schnitts. Ein Emahrer in Kiriat Malachi ernahrt durchschnittlich 4,3 Seelen, wohingegen es im Landesdurchschnitt nur zirka 2,8 sind, so daB der krasse Unter- schied zwischen den neu Eingewan- derten und den Alteingesessenen auch hier stark zum Ausdruck kommt.

Eines der schwierigsten Probleme in den Neueinwandererstadten sind die sozialen Faile. Ungefahr 25 Prozent aller Familien in Kiriat Malachi zum Beispiel sind soziale Faile und wirtschaftlich nicht unabhangig. Ein Teil von ihnen arbeitet bei schlecht bezahlten leichten Arbeiten und ver- dient nicht einmal ein Existenzmini- mum, wahrend andere nur gelegent- lich, weil sie weder Lust noch Kraft fiir eine stete Arbeit haben, arbeiten. Die offlzielle Statistik in Kiriat Malachi spricht nur von acht Prozent Sozialfallen, doch handelt es sich hier um Familien, bei denen das Wohlfahrtsministerium der einzige Ernahrer ist.

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